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Interview mit Hans BENEDIKTER Teil 1

am 8. April 2013 in St. Pauls/Eppan mit Sabine Schweitzer. Transkription Peter Wackerlig

Schweitzer

Trotzdem [...]

Benedikter

Klar.

Schweitzer

Das gehört dazu.

Benedikter

Ja.

Schweitzer

Es ist auch so, vielleicht fange ich gleich mit den formalen Sachen an. [Benedikter: Ja.] Wir würden ganz gerne diese Interviews auch für die Benutzer im Archiv [Benedikter: Ja natürlich.] zur Verfügung stellen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass wir es eine Zeit lang noch sperren können, das Interview, aber.

Benedikter

Ich sehe keine Notwendigkeit. Ich hab' nichts zu verbergen. [Schweitzer: Das ist sehr fein.] Und denke mit großer Freude daran zurück, dass mich ein großer Mann mit so viel Vertrauen und mit so viel, äh, fast schon väterlicher Fürsorge bedacht hat, net, und bin darauf auch ein bissel stolz, muss ich sagen [Schweitzer: Zu recht.] und kann es bis heute logisch und mental eigentlich nicht ganz erklären, welch Ausmaß von Interesse und Liebenswürdigkeit und, äh, Freundlichkeit er mir gegenüber an den Tag gelegt hat. Der Peter Jankowitsch, der damals in seinem Vorzimmer war, der hat einmal so gesagt: "An dem Benedikter hat er einen Narren g’fressen", hat er gesagt, ja. ((lacht)) Und war auch ein bissel eifersüchtig aus meiner Sicht, net, ich meine, denn, wie gesagt, ich war glaube ich der einzige, so ist es mir zumindest geschildert worden, der die Ehre gehabt hat zu einem Mittagessen, er hat mich ja oft zum Mittagessen eingeladen, ich war so ein verhungerter Student und hab's natürlich wahnsinnig genossen, vis-á-vis vom Ballhausplatz da in ein gutes Lokal geführt zu werden, und dann hat er gesagt: "Essen Sie Herr Doktor" net" weil Sie schauen ja ganz verhungert aus", net. Dann hab ich gesagt: "Ich bin noch kein Doktor", net, ich meine. Dann hat er gesagt: "Sie sind viel gescheiter als so viele blöde Doktoren", hat er gesagt, "haben wir ja viel zu viel heute." Und, und dann bin ich aufgefüttert worden, und eines Tages hat er gesagt: "Kommen Sie doch zu mir zum Mittagessen", net. Armbrustergasse soundso und so weiter. Und dann hab ich eben seine Frau Vera und den Peter Kreisky kennen gelernt und sagen wir auch, es war ein sehr intimer Rahmen, net, und das war ein einziges Mal, aber darauf bin ich ein bissel stolz, weil es eigentlich die absolute Ausnahme von der Regel war, weil er grundsätzlich niemand in seinen privaten Bereich hineingelassen hat.

Schweitzer

Das ist ja schon was Schönes, ja, können Sie sich schon was drauf einbilden.

Benedikter

Na einbilden. Es ist so, ich bin, ich bin heute noch verwundert darüber, denn, wenn ich Ihnen erzähle dann, wie wir, also wie ich ihn kennen gelernt hab und wie dieser ganze Kontakt zustande gekommen ist, das allein ist schon ein kleines Wunder.

Schweitzer

Ja, das wäre jetzt eben meine erste Frage gewesen, weil das würde mich wirklich sehr interessieren, wie Sie ihn kennen gelernt haben.

Benedikter

Ja, es war so, es war so, es hat früher die Institution der Meraner Hochschulwochen gegeben. Und zu diesen Meraner Hochschulwochen bin ich einmal gefahren und zwar weil der Staatssekretär Dr. Bruno Kreisky, dann war glaub ich der Burgtheaterdirektor, ich glaub Rott oder Rutt oder so hat er geheißen [Anm.: Adolf Rott], und das hat mich halt interessiert, weil es für mich durch die Seitenstettner Tradition und so weiter, große Namen waren, net. Und an Kreisky hat mich vor allem interessiert, dass er, und das bleibt wohl seine große historische Leistung, als erster Staatsmann in Europa, als erster Politiker in Europa, großes Interesse für die arabische Welt gezeigt hat und bereit war über die ganzen, ah, Hürden, die da aufgebaut worden sind, drüber zu springen. Etwas zweites hat mich auch interessiert, dass er in gewissen Stellungnahmen, die ich damals nur gelesen hab, eine erstaunliche Offenheit zur Zuschüttung der durch den Weltkrieg und durch die Dreißigerjahre bestehenden oder vertieften oder hervorgegangenen Gräben, äh, gezeigt hat. Und das war für einen halbjüdischen Politiker eigentlich eine, wie soll ich denn sagen, ein Glanzstück. Und er hat's sich leisten können weil er eben diese jüdische Abstammung g'habt hat und diese jüdische Ader, die hat ihn immun gemacht gegen alle Angriffe aus Israel, und letzten Endes ist dadurch in Österreich für eine Zeit lang eine, ein, zuerst ein Burgfriede, dann eine Zusammenarbeit und dann eine Bereinigung, wie gesagt, dieser Gegensätze, die sehr stark waren, erfolgt, und er hat auch dazu beigetragen, dass sich die damalige FPÖ von gewissen Positionen langsam abgewendet hat und sich auch intern ein bissel gesäubert hat, sagen wir so, net. Weil ihm war es sehr wohl bewusst, dass gewisse Leute mit denen, Peter, mit denen er zusammengearbeitet hat, den ich auch gekannt hab, und der ein feiner Mann war, unabhängig davon was er für eine Vergangenheit gehabt hat, die möchte ich nicht beurteilen und kann sie auch nicht beurteilen. Er hat da einen Beitrag zur Stabilisierung der Gesellschaft geleistet. Und wenn man die österreichischen Verhältnisse gut kennt, dann weiß man was das bedeutet. Weil die, vor allem die Dollfußzeit und die Schuschniggzeit und all dies nachgewirkt hat. Das einzige was mich heute wundert, net, rückblickend gesehen, ich hab das Thema nie angesprochen, war auch zu wenig dazu in der Lage, ich hab die Kenntnisse gehabt, aber mein Gott, wenn man jung ist und ohnedies so verwöhnt und gefördert wird, da getraut man sich, trotzdem ich immer rebellisch war, nicht grad ganz heiße Eisen anzusprechen. Das einzige was ich heute sag ma vermisse ist, dass er als großer österreichischer Staatsmann, der die Hitlerzeit und die Zeit nachher hautnah erlebt hat, nie die Rolle Österreichs in dieser Zeit richtig beurteilt hat. Denn ich hab später, da war er schon tot, hab ich mich ein bissel intensiv mit dieser Zeit befasst, hab zum Beispiel Buber-Neumann gelesen und alles, und bin zu meinem Erstaunen draufkommen, dass ein großer Teil der führenden KZ-Aufseher und -Kommandanten Österreicher waren. Dann hab ich mir gedacht, mit Opfer, Opferrolle, der erste Staat, der da "überfallen" worden ist, ich hab mich erinnert, das hat auch mit meiner Familiengeschichte zu tun, dass man praktisch nur gejubelt hat, dass auf dem Ballhausplatz über eine halbe Million Menschen waren, ich hab dann später die Wochenschauen gesehen. Und sagen wir diese Aufarbeitung ist leider Gottes nie erfolgt. Und der Dr. Kreisky hätte sie am glaubwürdigsten machen können. Niemand wäre so in der Lage gewesen, net nur als Zeitzeuge sondern als Protagonist, zu sagen, so doppelbödig, einerseits war man Opfer, andererseits war man Täter. Und das hat, wenn ich mich richtig erinnere, der Schüssel zum ersten Mal gemacht ...

Schweitzer

Na, da Vranitzky.

Benedikter

Der Vranitzky, a so, a der Vranitzky, Gott sei Dank, ja, Gott sei Dank, denn ich bin immer einer gewissen Linie treu gelblieben und bin beim ersten, vor dem ersten Parlamentswahlkampf, hat man hunderttausend anonyme Zettel, ahhh, Zettel, ganz kurzfristig vor den Wahlen überall im Land verstreut, net, und da war "Freund von Bruno Kreisky" und eine rote Katze, die aus einem schwarzen Sack heraushüpft und so weiter, ja, ja, net. Und die Pfarrer haben gegen mich gepredigt, weil der ist ein Kommunist und was weiß Gott. Mein Gott, das war halt die Zeit so. Ja und bei den Meraner Hochschulwochen bin ich da gesessen und hab seinem Vortrag zugehört, ich weiß nicht einmal genau mehr über welches Thema um ehrlich zu sein. Und zwar deshalb, es ist, Sie werden lachen, ich hab alles schön, die ganzen, das persönliche Archiv sagen wir, alles was mit meinem Leben zu tun gehabt hat, schön geordnet in der Garage in Kisten verpackt gehabt. Und meine Frau kommt einmal auf die Idee da aufzuräumen, beauftragt da jemand, und alles ist weg. [Schweitzer: Na, wirklich] : Benedikter | Alles, alles, alles. Das heißt einen Teil hab ich Gott sei Dank noch nicht in Kisten verpackt gehabt, das ist das einzige was mir erhalten worden ist, aber praktisch ist mein persönliches historisches Gedächtnis ausgelöscht worden. Und deswegen zum Beispiel kann ich nicht sagen, wie, worüber hat der geredet, net.

Schweitzer

Ich werd' es recherchieren, vielleicht find ich's heraus für Sie.

Benedikter

Auf jeden Fall, ich war sehr fasziniert und hab ein paar Fragen gestellt und die sind beantwortet worden und das war der erste Kontakt und dann ist einmal, für einige Zeit überhaupt nichts gekommen. Und dann hab ich in Wien eben bei der Presse gearbeitet und eines Tages krieg ich einen Anruf, ob ich in den Ballhausplatz kommen könnte, da war, wenn ich mich nicht alles täusch, war er entweder, glaub ich, entweder war er Bundeskanzler oder Außenminister, ich glaub Bundeskanzler schon. Und das war also so, wenn ich es richtig einordnen kann 1959/60 so. [Schweitzer: Dann war er Außenminister.] Außenminister, ja dann, eben, ja. Und dann bin ich, ich war ganz überrascht, net, ich meine, bin ins Bundeskanzleramt gegangen, die wollten mich gar net einilassen, weil ich so alte Kleider gehabt hab, ich stamm aus einer ganz armen Familie im hintersten Ahrntal und der erste Anzug den ich getragen hab, der nicht von meinem Bruder gestammt hat, den hab ich im Ausverkauf 1965 oder so hier in Bozen dann einmal gekauft, net. Und das gleiche ist mir bei den, bei verschiedenen Prominenteninterviews im Hotel Sacher passiert, wo man mich einfach nicht einlasst, bis ich den Ausweis gezückt hab und dann ist man natürlich erstarrt, net, vor Ehrfurcht, die Presse, net, mein Gott die Presse das war, das war Adel sozusagen, net. Aber sonst hätt’ man mich nicht hineingelassen. Und dann bin ich eben in dieses [???] wunderschön und war sehr beeindruckt. Und sein Sekretär hat gesagt: "Warten Sie bitte einen Moment, der Herr Außenminister möcht mit Ihnen sprechen." Hab ich mir gedacht worüber, hab ich irgendwas angestellt, oder, äh, ich hab überhaupt keine Ahnung gehabt, wirklich keine Ahnung gehabt. Und bin hinein, und kann mich noch gut, ich seh es bildlich vor mir, wie er hinter dem Schreibtisch gesessen ist, net, und er hat sofort gesagt: "Nehmen Sie Platz und fühlen Sie sich wohl bei mir, und wir haben Zeit miteinander zu reden" und so weiter, also schon das Entree war großartig. Denn normalerweise unbedeutende Politiker sagen "ich hab fünf Minuten Zeit oder zehn Minuten Zeit, und dann muss ich zum nächsten Termin, oder hab das und das und so weiter". Der hat voraustelefoniert, ich glaub es war sogar der Peter Jankowitsch, wenn mich nicht alles täuscht, also nicht stören, net, also nur ganz wichtige Telefonate durchleiten. Dann hat er gesagt: "Ja, Sie sind mir in Meran aufgefallen und was machen Sie?" Und dann hab ich halt gesagt, dass ich bei der Presse bin und dort sagen wir so Mädchen für alles spielen muss, net. Denn mein Chefredakteur war der Thomas Chorherr und, und, es waren ein paar Sadisten in der Lokalredaktion, wirklich, Zerbs und wie sie alle geheißen haben und die Coudenhove-Kalergi und, die ich nicht in sehr guter Erinnerung hab, wie einige andere auch. Und ich war damals ein sehr feingeistiger Mensch, nur fürs Schöne und Gute und Edle aufgeschlossen, das war meine Welt eigentlich. Und bin dann g'schliffen worden, wie man so schön gesagt hat, ich kann mich erinnern, da ist dauernd der Polizeifunk aufgeschaltet gewesen und die Coudenhove-Kalergi und der Zerbs und der Chorherr, da hab ich ein Gespräch mit angehört unfreiwillig, weil da war ein großer Raum und ich war am Ende des Raums, aber sie haben so laut geredet, wahrscheinlich haben sie sich gedacht, da braucht man eh keine Rücksicht zu nehmen, gegen so einen Tinnef, und dann hat sie gesagt, "dem werden wir die, die schönen Dinge schon austreiben", net. Das heißt, ich bin regelmäßig - Selbstmorde, Morde, also wenn es irgendwas Grausliches gegeben hat, dann bin ich hingeschickt worden, net. Und einmal, da kann ich mich noch ganz genau erinnern, ist ein Mädchen auf irgendeinem Hochhaus oben gestanden, und die ist vor meinen Augen gesprungen, net. Und ich hab den Aufschlag, ich hab jahrelang, Sie werden es nicht glauben, jahrelang, in den Träumen und auch sonst dieses Bild und diesen Aufprall in mir lebendig gehabt, net. Und natürlich, ihr Ziel haben sie schon erreicht, net, weil, da war einmal eine große Donauüberschwemmung, da bin ich geschickt worden, natürlich, net, und da hab ich mir leicht getan, weil ich die Not der Leute, die davon betroffen worden sind, gut verstanden hab, weil ich wie gesagt aus einer ganz, mein Vater ist mit, 7, 9 Monate war ich, ich war der Jüngste von acht Kindern, tödlich verunglückt und meine Mutter hat nix gehabt, hat im Haus des Onkels gewohnt, der eh nett war, aber wir sind praktisch von den Verwandten, statt dass sie uns geholfen haben, noch ausgeraubt worden, weil eine Witwe ist man in den damaligen harten Zeiten ja, die war Freiwild, net. Und wir haben wirklich viel Elend und Armut erlebt Und meine Mutter, die die großartigste Frau war, die ich jemals gekannt hab, die hat Tag und Nacht gearbeitet um uns durchzubringen. Und aus diem Grund, wie gesagt, hab ich die Dinge gut verstanden. Zurück zum Thema, zurück zum Thema ... Bitte trinken Sie doch! [Schweitzer: Ich trink schon, ja.] Und zurück zum Thema, und dann hab ich ihm halt ein bissel das alles geschildert, auch, er hat mich gefragt, ja, von wo ich halt genau bin, und dann hab ich ihm ein bissel da ... Hat er gesagt: "Aso, von dem Dreiländereck da". "Ja", hab ich gesagt, "auf unserem Gemeindegebiet entspringt sogar die Salzach". Net, weil später hab ich dann, später wie ich Bürgermeister drinnen worden bin, gegen meinen Willen, hab ich dem Landeshauptmann von Salzburg einige Mal, wie wir uns drinnen getroffen haben, so zu den Dreiländer-Begegnungen, hab ich gesagt: "Sei nett zu mir, sonst leit ich dir die Salzach ab." Und er hat immer lachen müssen, net. Und dann hat er gesagt, ja, ((Gemurmel)) ich bin halt ein sehr hoffnungsfroher und hoffnungsvoller junger Mann und ihm gefallen meine Ideen und meine Aufgeschlossenheit und was weiß Gott, und natürlich, man geht auf wie ..., ein großer Mann sagt einem, dass man gscheit ist und aufgeschlossen und das und das und man geht auf wie ein Germkrapfel, net. Und, und dass er mit mir Kontakt halten wird und mich zu verschiedenen Veranstaltungen auch einladen wird und. Und ich bin vor Freude fast betrunken wieder zurück zur Presse gegangen und hab mir gedacht, das ist wirklich ein ganz besonderer Mensch, der einen nicht kennt und mit so viel Vertrauen auszeichnet. Und dann kann ich mich, die nächste Erinnerung, die ich hab, ist, dass irgendeine Südtirolkonferenz stattgefunden hat in Wien. Es waren ja schlimme Zeiten damals, und da krieg ich einen Anruf wieder, ja ob ich Interesse hätte an dieser Konferenz als Beobachter teilzunehmen. ((lacht)) Und dann, dann kann ich mich erinnern, ich bin da gesessen mit meinem abgetragenen Anzug und da sind die ganzen, auch die Südtiroler Bonzen aufmarschiert und Tirol natürlich, alles was halt Namen ..., der Gschnitzer und ..., ich kann mich an die ganzen Leute erinnern, und an den Dr. Magnago, über den ich später ja zwei Bücher geschrieben hab, und, ähh, der hat mich so ang’schaut, so rübergschaut, ich bin da bei einem Bankel ganz hinten gesessen, net, hab mir ein bissel Notizen gemacht, und: "Was will denn der, Alfons", weil das war mein Cousin, der war stellvertretender Landeshauptmann und war natürlich die rechte Hand und die, derjenige, der mit seinem wirklich klugen Kopf auch die Weichen gestellt hat für die neue Autonomie, die wir uns ja über viele Jahre und Jahrzehnte haben erkämpfen müssen. Und da hat er gesagt: "Alfons, was will denn der, ist der nicht mit Dir verwandt?" Und der Alfons hat gesagt: "Ja i woaß a net was ..." Und das war der zweite Kontakt, net. Und dann bin ich eigentlich einige Male, ich kann nicht sagen wie oft und ich weiß auch nicht mehr genau wann und wie und so weiter, bin ich einige Male auch zum Essen von ihm eingeladen worden, er hat mir seine, er hat gefragt, weil er gewusst hat, dass ich mich so für Kultur und alles interessier, und ich ihm gesagt hab, dass man da Nächte lang anstehen muss, um in der Staatsoper einen Stehplatz zu ergattern, hat er gesagt: "Da können Sie doch meine, meine Loge, wenn ich sie nicht brauch für Staatsgäste und so weiter, ich komm eh nicht dazu", net. Und dann bin ich einige Male in seiner Loge gesessen und war ganz allein, war ganz allein, einen Freund oder eine Freundin hab ich immer mitgenommen, sonst war ich ganz allein, und die Leute haben geschaut, was, für die war ich, wie gesagt, einerseits ein Niemand, aber was hat der Niemand in der Loge vom Kreisky zu suchen, net, das war so eine interessante Kombination. Und, dann war das Essen in der Armbrustergasse und mehrere, mehrere Aussprachen auch, wo er mich gefragt hat, wie ich halt die Lage in Südtirol beurteile und dergleichen mehr. Und ich hab ihm ganz offen gesagt was ich davon halt, sehr unkonventionell, net, und das hat ihn, wie er mir einmal viel später gesagt hat, so gefallen. Er hat gesagt, ich war für ihn eine unabhängige Quelle, die von keiner Richtung, von keiner Seite, von keiner Instanz beeinflusst worden ist, oder sich hätte beeinflussen lassen, und ich hab ihm das eigentlich gesagt, wie die wirkliche, wie ein normaler Mensch die wirkliche Lage in Südtirol beurteilt. Weil ich war immer, ich war zwar, wie soll ich denn sagen, ein kritischer Patriot, aber mit Betonung auf kritisch, und hab die Rolle der eigenen Partei und auch Verschiedenes, was sich sonst im Land getan hat, vor allem die Rolle der Kirche, die hat eine übermächtige Position gehabt, sehr, sehr in Frage gestellt, net. Und das hat ihm sehr, sehr, offenbar sehr gefallen, net. Dann bin ich, dann hab ich das Doktorat gemacht nebenbei, ffffff, wobei das auch eine lustige Sache war, denn ich hab ja nie Zeit gehabt, ich hab nie Zeit gehabt zu den Vorlesungen zu gehen. Und nur durch die Not, net, wirklich durch die, durch die Not bedingt, hab ich trotzdem, bin einfach zu jeder Prüfung angetreten und hab sie halt gemacht, net. Und dann komm ich zu den Rigorosen, net, und da ist ein Professor Hlotzky gewesen unter anderen, ja und der Engel-Jánosi ist sowieso, der war mein Hauptding, aber da war ich sein Lieblingsschüler und ich war der dritte, der sich eingeschrieben hat. Und da muss ich Ihnen etwas erzählen was damit, mit dem Thema nichts zu tun hat, aber was interessant ist, net. Ich hab ihn einmal g'fragt, er war Jude, und hat auch den Dr. Kreisky sehr verehrt, net. Und, ahh, ich hab ihn dann einmal gefragt: "Herr Professor, das ist unverschämt von mir wenn ich Sie frage, wie haben Sie eigentlich Harvard, diese große Instanz verlassen können, um nach Wien zu gehen?" Wien ist ja net ein verlassenes Eck, aber es ist gegenüber Harvard natürlich, ahh, eine alterwürdige Universität, sagen wir so, net. Na, hat er so physisch nachgedacht, hat mich angeschaut und hat gesagt: "Um hier zu sterben." Und das war die einmaligste Antwort, wenn ich tausend Jahre alt würde, werde ich diese Antwort nie, nie vergessen. "Um hier zu sterben." Und dann hat er mir seine Geschichte erzählt, wie er vertrieben worden ist, er hat noch rechtzeitig flüchten können, hat dann drüben Karriere gemacht. Aber er hat gesagt: "Wien hab ich immer im Herzen getragen. Und hier möchte ich sterben und begraben werden." Und er war ungefähr auch so ein weltoffener kosmopolitischer Geist wie der Dr. Kreisky, denn seine zweit, seine zweit ... also für ihn hat man das Institut für Zeitgeschichte gemacht. Ich war der dritte der sich eingeschrieben hat dort, net, der dritte. Und wer war der zweite Liebling von ihm? Mich hat er als Südtiroler mögen, net, in erster Linie weil er gesagt hat: "Ich bin immer da durchgefahren Richtung Isonzo und hab die ganzen Gräuel erlebt und die ganzen Isonzoschlachten und so weiter. Da hab ich mir gedacht, das muss so ein schönes Land sein und so weiter, und Sie kommen von dem schönen Land." Dann hab ich gesagt [lacht] : "Ich komm aus einem Dorf, das mehr Dreitausender hat wie jeder Ort in der Schweiz, aber sonst nichts. Denn nicht einmal die Äpfel werden bei uns grün." Und wir als Kinder haben einen Gasthofbesitzer, ein großer Gasthof für das kleine Dorf, deswegen so beneidet, weil er als einziger einen Apfelbaum gehabt hat, wo aber die Äpfel net grün geworden sind, also oder nur grün geworden sind, net. Und das war für uns ein unvorstellbarer Reichtum. Und dann hat er gesagt: "Ja, aber so wenn man da durchgefahren sind im Frühling, alles hat geblüht im Etschtal und so weiter." Und der zweite Liebling war die Waltraud Skorzeny, net, und die hat ja eine, der Vater hat ja eine gewisse Rolle gespielt, net. Dann hab ich mir gedacht, ein großer Mann, ein großer Mann, der äh, imstande ist über die Vergangenheit hinweg Leute ..., weil sie gscheit war und weil sie gut war, wir waren immer so ein bissel in Konkurrenz, aber haben uns gut verstanden und haben immer um die Gunst des Professors natürlich gebuhlt, net. Und ich hab gemerkt, dass bei ihm, mmmhh, die junge Frau net unbedingt den Vorrang genossen hat als Frau, net, weil er war, er war so, mein Gott, ... Ich sag oft meiner Frau, also als Relikt aus der Steinzeit, fast fünfzig Jahr verheiratet, net, ich sag oft meiner Frau. Der hat mir eigentlich das Wesentlichste im Leben vermittelt, indem er gesagt hat: "Nur die Zusammenhänge zählen etwas, nur das Hinterfragen von Dingen zählt etwas, nur die Analyse, die kritische Analyse zählt etwas, und nur das dialektische Argumentieren zählt etwas." Weil er hat gesagt: "Wir leben in einer Welt, wo es heißt schwarz-weiß, oben-unten, links-rechts und so weiter. Die Welt ist ganz anders, die Welt ist grau mit vielen Zwischentönen und so weiter. Und er hat auch gesagt, das hat mich so beeindruckt: "Vergessen Sie alle Zahlen außer ein paar Eckdaten, wo Sie die Geschichte der Jahrhunderte einordnen können, zum Beispiel auf das 16. Jahrhundert bezogen die Schlacht bei Pavia, wo der französische König gefangen genommen worden ist und Sacco di Roma und alles. Aber für jedes Jahrhundert genügen ein paar Zahlen und sonst ist es völlig gleichgültig, ob das da stattgefunden, oder die Schlacht dort stattgefunden hat. Die großen Ideen der Menschheit, die großen Zusammenhänge, die Vernetzung damals schon der Interessen, der wirtschaftlichen und kulturellen Interessen, das ist das einzig Wichtige." 00:31:21-5 Zurück wieder zum Dr. Kreisky. Ich bin dann ..., nein eines muss ich noch schnell erzählen, weil es so lustig ist, net. Und ich tritt bei den Rigorosen da beim Professor Hlotzky an, und der schaut mich so an und sagt: "Sie habe ich nie gesehen, Sie habe ich nie bei meinen Vorlesungen gesehen." Und jetzt hab ich mir gedacht, so jetzt bist wirklich in der Krise des Lebens, net, denn der hat den Ruf gehabt - stur, unbarmherzig also. Und dann hab ich mir gedacht, was soll ich jetzt tun, denn die Wahrheit war, dass er effektiv mich nie gesehen hat, weil ich bei keiner seiner einzigen Vorlesungen dabei war. Und dann hab ich mir gedacht, die Wahrheit ist vielleicht doch das Beste und dann hab ich gesagt: "Herr Professor, Sie haben vollkommen recht", und er ist schon ganz rot worden, "aber wenn Sie mir liebenswürdiger Weise gestatten, würde ich Ihnen die Gründe dafür erklären." Dann hat er gesagt "ja, da bin ich aber sehr neugierig", net. Und dann hab ich ihm eben gesagt wie alles, und die ganze Lebensgeschichte erzählt. Er war so gerührt, er war so gerührt. Der hat mich dann geprüft, ich hab es gut gemacht, dann hat, ist er zu, das war so ein kleiner Raum, dann ist er zu so einer Bücherwand gegangen und hat gesagt: "Schauen Sie, ich hab da auch ein Buch geschrieben und das möchte ich Ihnen zum Abschied schenken, denn so was hab ich noch nie in meinem Leben erlebt." Und ich hab gesagt: "Ich auch nicht, aber ich bin noch sehr jung", hab ich gesagt. Und dann hat er mir eine schöne Widmung hinein geschrieben, und das, Gott sei Dank, hab ich heute noch, das Gott sei Dank hab ich heute noch, das ist net von meiner Frau weggeschmissen worden, net. Und, ah, ich war dann, ah, ich bin dann zurückgekommen schweren Herzens, weil ich einen Brief gekriegt hab, ob ich Interesse hätte das Presseamt für die Landesregierung aufzubauen, die praktisch keins gehabt hat, net, oder nur im Ansatz, sagen wir in geringen Ansätzen. Und das war eine reizvolle Aufgabe, und ich hab mir gedacht, ja dann geh ich zurück, und bin dann in Bozen in die Landesverwaltung eingestiegen und hab versucht das Pressebüro aufzubauen, und ich glaub das ist mir recht gut gelungen, war nur dem Landeshauptmann unterstellt, dem Dr. Magnago, und ... Dann krieg ich auf einmal einen Brief, ah, von Dr. Kreisky, der sagt, schad dass Sie nicht mehr in Wien sind und, ah, wie ich halt die politische Lage beurteile und so weiter und das und jenes und so weiter. Das waren immer relativ kurze, kurze Briefe, die, das war seine Art zu schreiben, auch zu reden, er ist immer auf das Wesentliche konzentriert gewesen. Also, wenn Sie mit ihm jetzt das Gespräch geführt hätten, hätte er alles in fünf Minuten, das Wichtigste schon gesagt, und nicht eine lange Lebensgeschichte erzählt da.

Schweitzer

Ein schlechter Interviewpartner.

Benedikter

So ist es, so ist es. Aber, ah, vielleicht haben sich da auch die Gegensätze so angezogen, denn ich habe natürlich, für mich war er, ich hab's auch immer, hmhm, in meiner persönlichen Laufbahn hier in Südtirol gesagt, er war mein politischer Vater. Ganz gleich wie es angekommen ist, es war die Wahrheit, und ich bin heute noch stolz drauf, net. Und hab in ihm auch immer diese Vaterfigur gesehen, und er hat mir einmal in einer Stunde, wo er ein bissel über die Familie geredet hat, das werd ich weiters nicht beleuchten, aber er hat ein bissel gesagt, so, so wie Sie hab ich mir eigentlich einen eigenen Sohn vorgestellt, net. Und, äh, äh, dann hab ich mir gedacht, er wird wie, das hab ich mir später gedacht natürlich, er wird wie jeder Vater, oder wie viele Väter, sich vorgestellt haben, dass ein Sohn oder eine Tochter, ganz gleich um wen es sich da handelt, gemeint dürft er den Peter haben, seinen Lebensweg anders vorgestellt. Das ist bei mir ganz gleich gewesen. Man plant für Kinder, man meint das Leben ist eine Einbahn, eine schnurgerade Straße, ich kann die Voraussetzungen schaffen, und es geht alles ganz anders, ganz, ganz anders. Und wenn heute irgendjemand sagt, also er plant für seinen Sohn oder für seine Tochter das, und geht am besten noch, dass er in die eigene Kanzlei einsteigt und so weiter, aber sonst geht alles schief, alles schief, net. Ich erinnere mich da gut, ah, an die Brigitte Schwaiger, die als junges Mädchen, die ist da mit ihrer Maturaklasse nach Südtirol gekommen, und ich hab einen Vortrag g'habt und war in Form und war damals als sehr guter Redner bekannt und, und ein sehr feuriger Redner und ... Und die Mädchen waren alle außer sich, und die Brigitte Schwaiger, die hat mich richtiggehend damals ang'himmelt, und wir haben auch ein bissel ein Techtelmechtel gehabt und, und sie hat mir nachher geschrieben, die ganzen Mädchen der Klasse haben sie halt furchtbar beneidet und waren halt eifersüchtig und was weiß Gott. Und, ich hab damals zusammen mit einigen politischen Kollegen, die alle älter waren, Brugger, Dietl und so weiter, eine Zeitschrift herausgegeben, die hat "Südtiroler Nachrichten" geheißen, und da ist die erste, das erste was die Brigitte Schwaiger veröffentlicht hat, von mir veröffentlicht worden. Und sie war immer so stolz drauf, sie hat mir geschrieben, wie sie gesehen hat, dass etwas von ihr abgedruckt worden ist, zum ersten mal ist etwas von ihr abgedruckt worden, mit ihrem Namen, und dann ist sie fast in Ohnmacht gefallen vor lauter Freude, net. Und deswegen hat mich auch ihr Tod ungeheuer erschüttert, net, weil, sie hat ein, ein schreckliches Leben hinter sich, und wenn man bedenkt, wenn man sie so als junges Mädchen kennen gelernt hat, mit vielen, mit wie vielen Hoffnungen und dann dieser Welt-, dieser Welterfolg oder, "Wie kam das Salz ins Meer" und so weiter, net, und, na ja. Und da ist eben auch die Verbindung dann, weil später, äh, hat die Schwaiger einmal gesagt, also wie sie schon geschieden war, hat sie ein Verhältnis mit dem Torberg gehabt glaub ich, und die Frau vom Torberg hat ein Verhältnis mit dem Bruno Kreisky gehabt, net, und so weiter. Das war für mich wieder so interessant, net, ich mein, weil ich mir gedacht hab, da kreuzen sich zwei Linien, die ich kenne, net. Und, weil, ich war in der Hinsicht, also moralische, ah, Vorbehalte oder Skrupel habe ich mein Leben lang nie gehabt, weil ich der Meinung bin, jeder soll das tun, was ihm richtig erscheint, er muss es auch selber verantworten. Aber deswegen komm ich auch jetzt in unserem Tohuwabohu, wo man vor lauter ..., die dritte Frau, fünf Kinder aus sechs Ehen und so weiter, nimmer mitkommt, aber sagen wir von der moralischen Seite komm ich gut mit und trag das auch, weil ich der Meinung bin, ah, ich war immer so ein Freigeist und hab mich deswegen eigentlich, ah, nur bestätigt fühlen können. Ja und, auf diesen Brief hin hab ich ihm dann ziemlich lang so eine Analyse geschrieben, net, und einige Tage später krieg ich schon die Antwort, ja, inzwischen war ich wirklich Doktor, net, lieber Herr Doktor Benedikter, und Sie haben mir mit Ihrer ausführlichen Darstellung der wirklichen Südtiroler Verhältnisse, und wirklich hat er einmal unterstrichen, kann ich mich sogar erinnern, eine große Freude gemacht. Ich kann mich noch gut an unsere Kontakte in Wien erinnern, und hat, ein paar nette Zeilen, net. Und ich hab natürlich eine große Freude gehabt und dann ist es zu diesem regelmäßigen Briefwechsel und auch zu einigen Treffen gekommen. Und, in der Zwischenzeit bin ich dann, ich hab ihn über den Mailänder Prozess und über die, die Sechserkommission, über die, die Neunzehnerkommission und so weiter, über diese Dinge halt unterrichtet und über die verschiedenen Strömungen in der SVP und so weiter. Hab dabei bis heute kein schlechtes Gewissen, weil ich niemand unrecht getan hab und niemand verpetzt hab und sagen wir, aus der kurzsichtigen Perspektive Südtiroler Politiker wär das ja damals fast eine Art Hochverrat gewesen. Wie kann man nur, net? Aber weil es sehr eine enge Gesellschaft war, äh, wie gesagt, sonst wär man nicht als Kommunist verleumdet worden und mit Kreuzzügen im ganzen Land bedacht worden, ähm. Denn wir haben da fast politisches Mittelalter erlebt, net. Vielleicht auch durch diese Kämpfe bedingt, durch die Abkapselungen, durch vieles andere mehr, net. Und, ..., dann bin ich ins Parlament gewählt worden, hab noch ein-, zweimal ein bissel Kontakt gehabt, und dann ist der Kontakt abgerissen. Aus welchen Gründen kann ich nicht sagen, äh, vielleicht hab ich da zu wenig Interesse gezeigt, oder, ich weiß es nicht, ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern wann das endet. Und dann krieg ich eines Tages eine Mitteilung, dass er auf Kur, und zwar durch einen Journalisten, der war stellvertretender Chefredakteur vom Express und hat [?Philipp] geheißen, net, ja, der [?Franz Xaver Philipp] , wir haben ihn immer "Seehundel" genannt, weil er so ein Gesicht gehabt hat, wie so ein, wie ein netter Seehund. Und der war auch viel da zu Gast mit dem [?Arnold Klima] und mit halt verschiedenen anderen Leuten, und dem Gatterer, mit dem ich sehr viel Kontakt gehabt hab. Und, ich wie überhaupt da ein sehr, wie soll ich denn sagen, hmhm, besucherfreundliches Haus gehabt, wo die Leute ein- und ausspaziert sind und das hat meiner Frau zwar einigen Kummer bereitet, net wahr, hat sie gesagt, "Gott, jeden Abend, und dauernd muss ich kochen" und so weiter. Aber sie hat auch gut mitgetan und das hat mir zum Beispiel ermöglicht, etwas was auch revolutionär war, was aber auf den Engel-Jánosi zurückgeht, net, auf das was er gesagt hab. Ich hab damals, obwohl ich ein, schon führende Parteiposition innegehabt hab und, ah, sagen wir so, als, [...] Dolomiten hat einmal glaub ich geschrieben "Polarstern am politischen Firmament in Südtirol", so als neuer Hoffnungsträger, net, ich meine kämpferisch, ah, ungezähmt, rebellisch, net, und so weiter. Und, ich hab, obwohl ich in der Partei schon fest verankert war, hab ich mit der gesamten Opposition gute Kontakte gehabt. Mit der gesamten, weil es einfach für mich wichtig war, und das hab ich bis zum Schluss auch so eingehalten, und halt es heute noch so ein, obwohl ich längst nicht mehr Mitglied der eigenen Partei bin und sie bis aufs Messer bekämpfe, net. Nicht unbedingt Personen, einige Personen, aber die Linie gefällt mir überhaupt nicht mehr, weil man viele Ideale, für die man gekämpft hat, aufgegeben hat, billig aufgegeben hat, weil nur mehr Seilschaften, Machtstreben, so auf "uns gehört das Land", diese Mentalität, die ich über alle Maßen hasse, im Vordergrund steht ... Und, aja, jetzt hab ich etwas ganz Wichtiges. etwas ganz Wichtiges vergessen. Ja, jetzt erzähl ich das zuerst weiter, und krieg einen Anruf, dass der Dr. Kreisky in Bad Wörishofen eine Kur macht, weil er schon ein bissel krank war. Und der [?Philipp] , der mir das erzählt hat, ich hab gesagt: "Mein Gott, ich tät den ja gern besuchen, aber das ist eine weite Fahrt und ich bin ein schlechter Autofahrer", ich bin’s mein Leben lang gewesen, hab dann die, die, äh, den Führerschein, wie ich Sechzig geworden bin, ruhen lassen ... [Schweitzer: wirklich?] Ja, ja, weil ich der Meinung bin, ich war immer so, entweder ganz oder nicht. Und dann hat er gesagt, "ja dann führ ich die ausse". Hat einen schönen Sportwagen gehabt und so weiter, net, und war voller Freude bei der Gelegenheit den Dr. Kreisky zu sehen. Und dann sind wir nach Bad Wörishofen gefahren und, da ist es sehr schön, hat er eine Kneippkur gemacht, schön Wasser getreten und so, hat er gesagt: "Herr Doktor, das tät Ihnen auch gut, Sie sind noch jung, aber das ist wirklich was Wunderbares und, und der Kneipp war Geistlicher, hat er gesagt, net, der hat erfasst, dass da eben die Heil-, die Heilquellen viel bewirken und vor allem einem alten Körper sehr gut tun." Und wir haben uns, zusammen Mittag gegessen und wunderbar unterhalten, und das war eigentlich der letzte Kontakt. Dann ist er gestorben, ich war in Rom, ich konnt’ nicht einmal aufs Begräbnis gehen. Aber ich glaub dass das nicht wichtig ist, weil er in meinem Denken ein ganzes Leben lang eine überragende Rolle gespielt hat. Und ich könnte wie gesagt tausend Jahre alt werden, ich würde nie vergessen, wie sehr er mich mit Vertrauen und Wohlwollen und väterlicher Freundschaft ausgezeichnet hat. Und nach ihm, ich war ein ganzes Leben lang mit dem Alois Mock sehr befreundet und bin es heute noch, obwohl es ihm ja schon so schlecht geht, dass man nur hoffen kann, dass er einmal von diesen Leiden erlöst wird, weil jedes Mal wenn ich ihn in den letzten Jahren in Innsbruck gesehen hab, wo er immer so Kuren gemacht hat -, ich hab zwei Tage lang gebraucht um mich davon zu erholen, so niedergedrückt war ich, weil ich mir gedacht hab, ich mein diesen Mann aus einem Guss, so ein fescher Mann, unkompliziert auch, net. Ich meine, wir haben zusammen in Seitenstetten studiert, er ein paar Jahre vor mir. Und wir waren wirklich das ganze Leben lang befreundet und er hat gewusst, dass ich also ganz im anderen Lager steh, weil ich hab ihm immer gesagt, also, für die ÖVP hab ich wenig übrig, schon wegen der Bünde, net. Und er war einige Mal da, hat im Haus Urlaub gemacht, die Anerkennung Kroatiens ist da drüben im anderen Zimmer, das leider Gottes, ja, im anderen Zimmer erfolgt, da hat er mit dem Vranitzky herumgestritten, dass die Fetzen geflogen sind. Und ich war, ich war, ich war damals im Parlament und der Tudjman ist nach Rom gekommen um mit ein paar Parlamentariern zu reden, sind eh nur wenige gekommen. Ich sowieso, weil ich am Thema sehr interessiert war und mir grad, ich kann mich an den Tag genau erinnern, damals ist Dubrovnik beschossen worden, und ich hab mir gedacht, diese herrliche Stadt, Weltkulturerbe, so eine Schande, net, und da streitet man sich noch über die Anerkennung. So ein altes Kulturvolk, geschichtlich und so weiter, net. Und sagen wir da hat der Vranitzky aus meiner Sicht nicht gerade die beste Rolle gespielt, weil er furchtbar taktiert hat und so weiter. Und es war insofern entscheidend, weil mit der Anerkennung durch Österreich und dem Vatikan hat auch Deutschland ... Der Genscher hat dem Mock gesagt, in dem Moment wo ihr die Vorreiter machts, am nächsten Tag, ... und mit Deutschland ist dann alles zusammen gefallen, also die Ablehnungsfront, net. Und, ich hab ihn auch überzeugt, in langen Gesprächen, da waren wir am Ritten gemeinsam, wir haben oben eine Wohnung gehabt und da waren die [?Dita - sie heißt Edith P. W.] und der Alois Mock, wie gesagt, drei Wochen glaube ich waren sie oben, und wir haben wunderbare Spaziergänge gemacht, und damals ist gerade die Obmannfrage aktuell geworden, und er wollte um keinen Preis der Welt kandidieren. Und ich hab gesagt "schau, du bist ÖAAB-Obmann, machst deine Sache gut, das ist der stärkste Flügel, du bist sozial eingestellt, du verstehst etwas auch von anderen Dingen, und bist ein durch und durch integrer Mensch. Und so einen Mann kann jede Partei nicht nur brauchen, sondern jede Partei muss bis Bethlehem gehen, damit sie so einen Mann kriegt", net. Und hab ihm zugeredet wie einem kranken ..., ich kann mich erinnern, wir waren, wir sind über diese wunderschönen Wiesen, mit dem herrlichen Blick auf den Schlern und auf den Rosengarten, spaziert, und dann hat er gesagt: "Meinst du wirklich ich soll das machen?", hab ich gesagt "ja, es ist meine ehrliche Überzeugung, und so eine Chance kommt einmal im Leben, und du wirst als Vollblutpolitiker das immer bereuen wenn du es nicht machst". Er hat es dann getan, hat mir tausend Mal, wenn irgendetwas schief gegangen ist in der Partei gesagt: "Du weißt schon, ich müsste eigentlich einen Zorn auf dich haben." Hab ich gesagt: "Na, brauchst keinen Zorn auf mich haben, weil du bist jetzt schon so lang im Amt, das hat keiner vor dir noch erlebt seit den Zeiten Raabs und Figls." Und er ist effektiv zehn Jahre lang im Amt gewesen und hat damit jeden Rekord gebrochen, net. Und, er hat immer gewusst also, dass ich ein Kreiskyianer bin durch und durch, und hat das absolut respektiert und, und, äh, das war auch etwas, was ich bis heute sehr zu schätzen weiß und was ihn auch aus diesem Mittelmaß herausragen lässt. Und leider Gottes ist dann die österreichische Politik so verkommen, so verkommen ((klopft auf den Tisch)) , dass ich mich oft wirklich scham, weil ich mir denk italienische, die haben, die österreichische Innenpolitik ist italienisch geworden, net. Und zwar, unappetitlich, unsauber, ah, ah, in vieler Hinsicht sogar schrecklich, net. Unter dem Schüssel hat man das Gefühl gehabt geht es wieder einmal aufwärts, aber leider Gottes war es nicht der Fall, wie man heute weiß und, na ja. Und ... wo bin ich jetzt hängen geblieben?

Schweitzer

Ihre, Ihre langjährige Freundschaft mit dem Alois Mock.

Benedikter

Aja, aber das spielt ja in dem Zusammenhang wenig Rolle, net, denn, denn, äh. Er hat den Dr. Kreisky auch sehr geschätzt, net, auch wenn er der politische Gegner war. Aber die Wertschätzung war sehr groß, weil er gesagt hat, er war ein Vordenker, net. Und, hmh, und das was ihn so einzigartig macht in der österreichischen Innenpolitik, das haben wir schon kurz besprochen, aber das was ihn weit über den europäischen Raum einzigartig macht, ist auch schon besprochen worden und gesagt worden. Aber etwas glaube ich muss man reflektierend heute feststellen, unter Kreisky hat das kleine Land eine weltpolitische Rolle gespielt, während es heute nicht mehr da ist, net. Nicht mehr da ist, net. Und das war eigentlich das was, ah, die Figur historisch absichert vor dem Vergessen, weil wir haben alle mit Leuten zu tun, die nur mehr ein Kurzzeitgedächtnis haben und sich nicht mehr erinnern was war früher, wo sind die Wurzeln von irgend etwas, sondern ein, ein elektronisches Medium überlagert das andere und dann kommt Internet und Twitter und Facebook und das alles dazu. Und am schönsten ist es ja wenn die Leute dann sagen, mein Gott, im übertragenen Sinn, was interessiert mich der Unsinn, den die gestern gesagt haben, net, na. Weil niemand ist imstande heute, oder kaum jemand, sagen wir so, das ist, jede Verallgemeinerung ist falsch, aber kaum jemand ist imstande zu etwas zu stehen, etwas zuzugeben, zu sagen, ich hab mich geirrt, was ihn nur bei der Bevölkerung sympathisch machen würde, was ihn nur sympathisch machen würde, net. Und zum Beispiel wie großartig ist Zwentendorf [?erledigt] ich mein, auch innenpolitisch, ich mein wie großartig, net, ich meine das waren doch Dinge die etwas mit dem Begriff titanisch zu tun gehabt haben, weil damals gegen die Atompolitik zu sein, das war ja schrecklich, net, ich meine in den Augen vieler Leute, gegen den Fortschritt, gegen die ... Wie weitsichtig war man und wie weitsichtig hat man nicht nur gedacht, sondern auch gehandelt, net. Und beim Bruno Kreisky fällt auch auf, dass er zwar natürlich strategisch und taktisch große, ein großes Talent und große Fähigkeiten gehabt hat, aber dass ihm Prinzipien letzten Endes viel wichtiger waren. Weil er ist ein paar Mal ein Risiko eingegangen, das nicht abschätzbar war. Und das machen eigentlich nur die großen Leute und nicht die halbherzigen Lumpen, um es so zu sagen, net. Ja.

Schweitzer

Jetzt lass ich Sie einmal kurz was trinken. Darf ich noch ein bissel nachfragen?

Benedikter

Ja, ich geh nur schnell raus. [Schweitzer: Ja freilich.] Sie wissen ja, ältere Männer. Ich komm sofort ...


((Pause, Schnaufen, Rascheln, Gemurmel im Hintergrund, die Uhr tickt))

Benedikter

Jetzt ist mir auch in der Zwischenzeit noch etwas eingefallen, was ich ganz vergessen hab zu erwähnen. Viel haben wir über sein Abkommen mit Saragat auch diskutiert bzw. auch uns, ah ... Ich hab ihm meine Meinung dazu geschrieben, wie es in der Partei beurteilt wird und warum diese frostige Aufnahme, dass die auch mit dem Umstand zu tun hat, dass der falsche Mann das Richtige gemacht hat, nämlich Querschüsse von der ÖVP, die damals ja, sehr mächtig war und die Partei hat sich damals ja so als Art Bruderpartei betrachtet. Und, ich war auch persönlich der Meinung, dass für die damalige Zeit diese internationale Verankerung ein riesiger Fortschritt war. Wir hätten zwar, hm, paketmäßig im Moment weniger gekriegt, aber die internationale Verankerung, äh, war etwas, was damals fast wichtiger war als einige autonome Zugeständnisse. Und diese Ablehnung durch eine Zweidrittelmehrheit, ich hab dagegen, also ich hab dafür gestimmt natürlich, die hat ihn sehr gekränkt, net. Und das Verhältnis zum Magnago war dann sehr frostig und, pff, ich war in der Parteileitung schon lang und, äh, hab gesagt, ich kann mich erinnern an eine Stellungnahme, wo ich gesagt hab, "Herr Parteiobmann es wär eigentlich wieder Zeit einmal nach Wien zu fahren um mit dem Bundeskanzler einen Meinungsaustausch zu führen und so weiter". Und er hat mich ganz giftig angegriffen und hat gesagt, [ahmt mit hoher quietschender Stimme Magnago nach] "ja na warum soll denn i zum Dr. Kreisky fahren und so weiter, wenn der Kreisky was wissen will, dann soll er nach Innsbruck kemmen, und so weiter". Und ich bin gestiegen wie eine Rakete, kann ich mich erinnern. Und immer wenn ich innerlich sehr erregt und zornig bin, bin ich ganz leise, ganz so, dass man mich kaum versteht, weil ich sonst eine recht laute Stimme und recht lebendig argumentiere. Hab ich gesagt: "Herr Parteiobmann, seien Sie mir nicht böse wenn ich Ihnen sage zwischen dem Landeshauptmann von Südtirol, der ja ein kleines Land, aber kein verborgenes Eck in Europa, verwaltet und dem Bundeskanzler der Republik Österreich ist doch ein kleiner Unterschied". Erstens weil wir Österreich immer wieder brauchen und Österreich uns in schwierigsten Zeiten nicht nur die Stange gehalten hat, sondern große Opfer für uns gebracht hat, große wirtschaftliche, auf große wirtschaftliche Vorteile verzichtet hat, weil die Italiener ja immer ihr Veto eingelegt haben dann und so weiter. Und, ohne die, an das kann ich mich noch wortwörtlich erinnern, ich hab gesagt "ohne die Funktion des Landeshauptmanns, noch dazu unter Ihrer Ägide, irgendwie abwerten zu wollen, muss man ein bissel die Einwohnerzahl berücksichtigen." Ich hab gesagt "wir haben 450.000 Einwohner, Italiener mitgezählt, und in Deutschland würde man sagen, ja, eine mittelgroße deutsche Stadt." Er war so beleidigt, so beleidigt, dass er drei oder vier Wochen kein Wort mehr mit mir geredet hat, sondern mir nur mehr Zetteln geschrieben hat. ((Lacht))

Schweitzer

Also Sie haben ja jetzt selber einige Aspekte angesprochen, wo sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist, wie sehr Sie Kreisky, also wie sehr Kreisky Sie geschätzt hat als Beobachter für die Südtirol-Themen. So quasi als unabhängiger Beobachter. War das damals bei dieser ersten Einladung ins Bundeskanzleramt, na Außenministerium, auch schon klar? Hat er Sie da auch schon über Südtirol gefragt?

Benedikter

Na, na, eigentlich nicht. Da wollte er sich ein Bild von mir verschaffen, was ist das für ein Mensch. Und das macht ihn ja nachträglich eigentlich so groß, dass er sich als ... Er war einerseits ungeheuer fortschrittlich im Denken, aber dem Wesen nach war er ein konservativer Mensch, net. Eher aus dem Habitus und dem Wesen. Und dass er sich so für junge Menschen interessiert hat macht ihn ja auch menschlich groß. Er hat ein Gespür gehabt und hat einem das Gefühl gegeben man ist ein gleichwertiger Partner, der man natürlich nicht war, net. Aber er hat einen so behandelt, dass man sich als solcher gefühlt hat. Und später wie ich dann selber in der Politik mitführend tätig war und im Parlament, und alle Leute mehr oder minder, ich war auch in europäischen Gremien und man hat fast alles was sie in Europa und vor allem im deutschen Sprachraum Rang und Namen gehabt hat kennen gelernt, teils oberflächlich, teils gut. Erst dann ist mir so richtig bewusst geworden, wie sehr er diese Art der Menschenführung, ah, beherrscht hat. Und erst dann hab ich verstanden, was überhaupt das bedeutet hat, dass man da herausgefischt wird aus einer anonymen Masse, mit so viel Auszeichnung und Vertrauen bedacht wird und gleichzeitig auch immer das Gefühl gehabt hat, er betrachtet einen als irgendwie als Partner im übertragenen Sinn. Natürlich war man nicht ebenbürtig, aber als Partner. Er hat einen das Gefühl gegeben, man sei wichtig, net, auch wenn man es vielleicht gar net war, net ich meine. Und ... Das ist eigentlich das, was mir immer geblieben ist, und nach dem Motto, dass ein Mensch nur wirklich tot ist, wenn man ihn vergisst, ist er noch sehr lebendig für mich, wirklich, sehr, sehr lebendig. Denn er war für mich menschlich überzeugend, großartig sogar, er war politisch groß und überzeugend und alles zusammen hat eine Mischung ergeben, die letzten Endes ihn aus den Reihen der Politiker, die vorübergehend eine Rolle spielen, aber dann schnell vergessen werden, und hie und da vergisst man sogar die Namen, net, aber er war da wirklich ein ((klopft auf den Tisch)) ein Koloss, ein Titan, mit seiner einfachen aber raffinierten Art zu denken: Immer auf das Wesentliche konzentriert, net. Immer darauf konzentriert, äh, in die Tiefe des Problems zu gehen. Etwas hab ich vergessen zu erwähnen, was vielleicht wichtig ist, weil's auch für unsere Innenpolitik wichtig war. Ich war, wie ich zurückgekommen bin natürlich einsam und verlassen mit meiner, mit meiner Haltung, ich hab zwar da Karriere gemacht und alles, aber diese sozialdemokratische Einstellung, die war so, dass man praktisch nur verfolgt worden ist, net. Und wenn ich net bei der Basis gut angekommen wäre, dann hätt ich in der Partei nie, nie, nie Karriere gemacht, nie, hätte nicht die geringste Chance gehabt. Ich bin nur durch die Basis so verwurzelt gewesen, dass ich die Partei ab einem bestimmten Moment überhaupt nimmer gebraucht hab, und die Partei auf mich auch net hat verzichten können, weil ich war der erste, der eine Jugendorganisation aufgebaut hat und die rebellisch, die war rebellisch, die hat die Landesregierung fast jeden Tag kritisiert und die hat die Partei kritisiert nach Herzenslust und so weiter. Und das hat ihm natürlich auch gefallen, aber ich hab dann versucht da ein bissel für die sozialdemokratische Idee zu werben. Hab einen jungen Arzt, der an mir auch einen Narren gefressen hat, der hat Dr. Jenny geheißen [Schweitzer: Ich hab mir’s eh fast gedacht.] und hat mich täglich, wirklich täglich, seine Frau ist ja Wienerin und die Evi ist eine großartige Frau, die ich wirklich über alle Maßen mag, und sie ist, ah, sie war wirklich eine bezaubernde, charmante Gastgeberin in der Sparkassenstraße in Bozen, und sie haben mich jeden Tag zum Kaffee eingeladen [???] Wirklich jeden Tag. Über große Zeiträume, ich glaub das ist über zwei, drei Jahre gegangen, jeden Tag. Und da sind wir gesessen und der Jenny war auch ein, ein Feuerkopf und voller Ideen und witzig und geistreich und alles. Und ich hab ihm halt da erzählt und viel erzählt, und da hat er dann halt gesagt, "ja er ist eigentlich ganz auf dieser Linie und also, wenn Du, da tu ich voll mit und so weiter". Und wir sind dann, ich hab mich mit dem Dr. Kreisky in Verbindung gesetzt, und wir haben schon so einen kleinen Kreis gehabt, und er hat uns dann über den Generalsekretär der Partei, wie hat denn der g’heißen?, ähm, später, na Moment, wie hat denn der geheißen, Zentralsekretär, wie hat der geheißen, später ist er Minister worden? Der Kontakt ist über einen gewissen Dr. Damian gelaufen. [Schweitzer: Ja der Heinz Damian.] Der Heinz Damian. Und, wie hat denn der geheißen, das war ganz ein mächtiger Mann, mir fallt der Name nicht mehr ein, aber das lässt sich ja leicht feststellen. [Schweitzer: Ich bin da leider auch nicht so gut bewandert.] Na, na, aber das lässt sich leicht feststellen, weil, weil, er hat damals wirklich eine herausragende Rolle als Zentralsekretär gespielt. Und da sind wir eingeladen worden, auch beim Kreisky gut aufgenommen worden. Es war mein Geburtstag am 27. Jänner. Ich hab das Privileg und das Glück am gleichen Tag mit Mozart den Geburtstag feiern zu können. Und nachdem ich ihn auch sonst über alles liebe und ich glaub, in Südtirol hat sicher niemand so ein Mozartplatten- und –CD-Archiv wie ich. Aber überhaupt, ich hab ein paar, ich glaub also net nur hunderte sondern eher schon in Richtung tausend und mehr, net. Und, weil mich einfach diese Welt immer fasziniert hat. Und, ah, da hat man den Don Giovanni gegeben, und da haben wir seine Loge wieder benützen können, und alle haben natürlich einen riesen Eindruck gehabt. Und dann haben wir so einen sozialdemokratischen Zirkel aufgebaut. Ich bin dann leider Gottes fahnenflüchtig geworden, nicht fahnenflüchtig im Sinne der Sozialdemokratie, sondern fahnenflüchtig weil ich im Zwiespalt war, ich hätte meine Karriere total über den Haufen werfen müssen. Und als junger Mensch, der sich das alles hat aus eigener Kraft erarbeiten müssen, hab ich mich natürlich für die Weiterführung der Karriere entschieden, net. Und, ah, man tut manches, was man später hinterfragt, ob, mein Gott, ich bin der Meinung, es war vielleicht doch die richtige Entscheidung, weil ich meinen Grundsätzen einigermaßen treu geblieben bin, aber zugleich auch wichtige Entscheidungen hab beeinflussen können, und das ist eigentlich das Wesentliche, net. Weil damals ist das Paket ausgehandelt worden und vieles andere mehr. Und zum Beispiel mit meiner Stimme gegen die eigene Partei und gegen die eigene Parteiführung hab ich für die Abtreibung gestimmt. Waren drei Stimmen Mehrheit, meine war also irgendwo mitentscheidend, das war die knappste, eine der knappsten Abstimmungen, die das Parlament jemals erlebt hat. Und ich bin, ah, auch da der Meinung gewesen, und das war wirklich etwas ungeheuer Revolutionäres, net, ich meine in Südtirol ist man ja fast gelyncht worden, net, ich mein. Aber ich bin der Meinung und das hab ich auch vertreten, dass eigentlich bei diesen Gewissensfragen einer Frau, Männer nur ein ganz beschränktes Mitspracherecht haben sollten, net. Denn die ganzen psychischen Qualen, die Gefühle nachher, die kann ein Mann weder nachvollziehen noch verstehen, noch teilen uns so weiter. Und es ist immer schlimm wenn vorwiegend Männerparlamente über Angelegenheiten ... Ich hab das auch einmal gesagt, ich hab gesagt, mein Gott, meinen beiden Kollegen damals, Riz und Mitterdorfer, fff, über soziale Probleme und später der Ebner, über soziale Probleme geredet haben, und dann hab ich gesagt: "Ihr wollts über soziale Probleme reden, ihr die ihr mit goldenen Löffeln auf die Welt gekommen seids. Alles ist euch geschenkt worden, net. Reichtum und Macht und alles hat man gekriegt." Ich hab gesagt "das Gleiche", und mein Zynismus ist berüchtigt gewesen, und meine Frau hat gesagt, also niemand ist es in Südtirol jemals gelungen wie dir, sich freiwillig so viele Feinde zu machen, net. Weil mit zynischen Bemerkungen hab ich hie und da natürlich die überempfindlichen "Subtilchen" so getroffen, dass man eine, wirklich einen Gegner auf Lebenszeit gehabt hat. Und ich hab es eigentlich gar nicht so aufgefasst, weil ich mir gedacht hab, so, das muss man schon aushalten, net. Und dann hab ich gesagt: "Ihr machts es so wie die Pfarrer, die über die Probleme der Familie predigen, net, von denen sie ja viel verstehen." Wenn sie ein Verhältnis mit der Häuserin haben, dann verstehe ich noch, dass sie etwas davon verstehen, geht in Ordnung. Aber wenn das nicht der Fall ist, net, wenn das nicht der Fall ist, dann ist es schlimm.

Schweitzer

Es ist ein treffender Vergleich.

Benedikter

Ja, na, es ist so, es ist so, davon bin ich heute noch überzeugt. Wobei ich der Meinung bin, dass es niemand gibt, der die Kirche so ruiniert wie die eigene Kirche. Es ist eine verhängnisvolle Entwicklung, dass man einfach nicht imstande ist notwendige Reformen durchzuführen, die nichts an der Substanz ändern würden, aber viel am Weltbild, an den Wirkungsmöglichkeiten und so weiter [Schweitzer: Und dem Zuspruch, ja, ja sicher.] Ja. Weil ich bin der Meinung, man braucht nicht dem Zeitgeist nachzugeben, aber den großen Entwicklungen, die gesellschaftlich bedingt sind, denen muss ich irgendwann, wenn ich seh, ich hab keinen Nachwuchs mehr, ich kann, die Pfarrer sind uralt, Nachwuchs fehlt. Also es ist nur eine Frage der Zeit bis diese Organ ..., bis die Kirche als Organisation ausstirbt, net. Die Kirche wird weiterhin bestehen, aber die Organisation besteht nimmer. Und wenn Sie bedenken, dass heute hunderte Kirchen schon zweckentfremdet sind und, und, ja zu irgendwelche, sogar für Bälle benützt werden. Es blutet einen ja das Herz, ich bin also eher ein Freigeist und nicht besonders, also berühmter Tauf ..., einer der berühmten Taufscheinkatholiken, aber es blutet mir trotzdem das Herz, weil ich an die, weil ich trotz der ganzen Verirrungen und historischen Schandtaten der Kirche auch an die unendlich großen Verdienste denke, net. Überhaupt, mein Gott, ich hab Missionare gekannt im Laufe des Lebens, die für mich die großen stillen Helden waren, die sich wirklich für andere Menschen aufgeopfert haben, net, Missionsschwestern und so weiter, net. Das sind die großartigen Dinge, an denen man sich eigentlich aufbaut. Ja und ...

Schweitzer

Sie haben gerade ...

Benedikter

Das war’s eigentlich. Gibt’s noch ein paar Fragen?

Schweitzer

Sie haben das gerade angesprochen, die Diskussionen mit dem Egmont Jenny. [Benedikter: Ja.] Es hat ja dann doch ein paar Jahre später diese Gründung der Arbeitnehmerfraktion innerhalb der SVP gegeben, das war einige Jahre später. Das war natürlich auch in Reaktion auf den Jenny. Wär das fünf Jahr, zehn Jahr früher nicht möglich gewesen?

Benedikter

Na, na. Es wär nicht möglich gewesen weil, ich konnte es nicht tun, weil ich schon zu fest verankert war, auch freundschaftlich. Ich war Teil dieser Brugger-, Dietlgruppe, net, die interne Opposition war. Und ich hätte ohne Gesichtsverlust und ohne, ähh, auch Verlust von Glaubwürdigkeit und Ansehen da nicht aussteigen können. Da hätten schon ganz besondere Gründe da sein müssen.

Schweitzer

Na, ich hab jetzt eher gedacht so eine Gründung von so einer Fraktion innerhalb der SVP. [Benedikter: Ja. Aber die, die ...] Weil Fraktionen de facto, die hat’s ja gegeben.

Benedikter

Die hat’s, die, die war damals, die ist damals, auch beim Jenny, ich hab den Jenny noch unterstützt weil ich dem Dr. Magnago, zu dem ich ein gutes Vertrauensverhältnis gehabt hab trotz der Opposition, ahh, g’sagt hab, da ist ein junger Arzt und sehr gscheit und lebendig und so weiter und sehr sozial eingestellt und so weiter, und der sollte kandidieren. Und der war allergisch, net, allergisch. Und ich hab ihn [net oder vielleicht netta als Tiroler Dialektausdruck?] dann überzeugen können, dann hat er zuerst für den Bozener Gemeinderat kandidiert und später dann mit mir zusammen auch fürs Parlament, wo er nicht durchgekommen ist, aber wo er einen Achtungserfolg gehabt hat. Und dann haben sich unsere Wege eigentlich geschieden, und zwar weil er nicht verstanden hat, warum ich den letzten Schritt, warum ich den letzten Hupfer nicht mach über den Graben, und ich gesagt hab ((klopft auf den Tisch)) "schau das kannst einfach nicht von mir verlangen", net. Und ... Mich hat dann auch ein bissel, unabhängig von gemeinsamen Ansichten, ein bissel sein Fanatismus gestört, der natürlich psychologisch erklärbar ist, weil wenn man ins Eck gedrängt wird, dann reagiert wahrscheinlich jeder so, net. Und wir haben dann lang miteinander keinen Kontakt mehr gehabt, ähm. Und erst in den letzten Jahren vor dem Tod haben wir und wieder angenähert und befreund ..., neu befreundet. Und ich hab ihn oben noch einmal mit meiner Frau, oberhalb von Meran hat der ja so eine nette Villa gehabt, besucht, und war erstaunt, dass er immer noch diese, diesen kämpferischen Elan hat und hab ihm auch da Komplimente gemacht. Und er hat halt gesagt, "ja mein Gott [?...]" , vorher war die Buchvorstellung, wo er Verschiedenes ein bissel anders dargestellt als es in Wirklichkeit war. Und das hab ich ihm, zum Beispiel Wienreise und wie die zustande gekommen ist und so weiter, aber mein Gott, das spielt auch gar keine Rolle, ich mein, mein Gott, man weiß ja, wenn man eine Biographie verfasst, dann blendet man manches aus und manches ... Es würde wahrscheinlich jedem gleich gehen. Vor allem wenn man nicht mehr die notwendigen Unterlagen hat und so weiter, weil was man schwarz auf weiß besitzt, net, das geht ja. Aber so zum Beispiel kann ich, obwohl ich mich an alles gut erinnern kann, zeitlich überhaupt nichts mehr einordnen. Da ist auch eine Schwäche von mir, ich kann zeitlich überhaupt nicht ... Wenn meine Frau, meine Frau sagt, vor zwei Jahren wo, vor eineinhalb Jahren waren wir da und da, dann sag ich das könnt, wenn du sagen würdest vor zehn Jahren, ich kann das nicht, also das ist effektiv ein echtes Defizit, ein Manko. Ich kann mich an Namenstage, Geburtstage, an solche Dinge überhaupt nicht erinnern, hab sogar bei den eigenen Kindern oft Schwierigkeiten, net. Und die zeitliche Einordnung von irgendwelchen wichtigen oder weniger wichtigen Dingen, die fällt mir ungeheuer schwer, net. Genauso hab ich, ah, kein visuelles Gedächtnis, ah, was dazu einmal geführt hat, dass mich am Walterplatz jemand getroffen hat, und ich hab mir gedacht den kenn ich wahnsinnig gut, also, aber mir ist einfach der Name nicht mehr eingefallen, den kenn ich so gut, was ... Dann hab ich mir gedacht, ich muss aus der Not halt eine Tugend machen, net, und hab gesagt, wie es halt daheim geht und was der macht und der macht. Und ich bin einfach immer herumgekreist, ich bin einfach nicht draufgekommen, ah, ich hab gewusst, er ist in den Parteigremien, er ist unserem, in unserer Fraktion, in dieser Oppositionsfraktion, die damals kurz bei der, nach der Annahme des Paketes und vor der Annahme, sehr, sehr stark war. Und dann hab ich gesagt, "und wie geht’s dem Bürgermeister?" Und der hat mich so angeschaut, hat gesagt, "der bin ja i!" Dann hab ich gewusst, der Bürgermeister von Naturns, net. Und dann hab ich gesagt, "ja deshalb frag ich dich ja." Schnell reagiert, schlagfertig und so weiter, also, "und deshalb frag ich dich ja auch, net, was macht der Bürgermeister, net, das bist ja du natürlich." Aber es war eine offen gestanden sehr peinliche Situation, die ich nur, wo ich nur schnell das trockene Ufer erreicht hab, aber wo ich effektiv ins Wasser gefallen bin. Und, ah, beim Jenny war das Handicap, das entscheidende Handicap eigentlich das, dass er ein Purist war, ein, ah, wie soll ich denn sagen, ein Mensch, der immer die hundert Prozent erreichen wollte. Und ich hab gesagt, "schau", und da war unsere entscheidende Trennlinie, weil ich war in der Richtung einerseits idealistisch, das glaube ich kann ich für mich behaupten, sonst wär ich nicht diesen Weg gegangen, weil es wär sonst viel einfacher und billiger gewesen, aber ich hab gewusst, dass man immer Kompromisse schließen muss, immer Zugeständnisse machen muss, dass die andere Meinung auch etwas zählt, und dass man, äh, kein Abonnement mit dem Heiligen Geist hat, weder politisch noch ideologisch. Und er war ein Hundertprozentiger, also sehr gscheit, sehr im Gespräch auch überzeugend. Voller Ideen, ich hab gesagt, "dein großes Manko ist, dass du so viele Ideen hast, dass du selten eine verwirklichen kannst, weil eine Idee die andere ablöst, und es immer nur um Ideen geht, aber selten wie machen wir das konkret, net". Da war er eben zu wenig pragmatisch und ich bin der Meinung in der Politik muss man die Fähigkeit haben einerseits kompromissfähig zu sein, dialogfähig mit allen, mit allen. Und das macht ja grad den Bruno Kreisky so stark, dass er sogar mit ideologischen Gegnern im Prinzip, nicht nur dialogfähig war, sondern sie, äh, aus, äh, aus dem Keller herausgeholt hat, net. Und natürlich wenn er, äh, das dann erlebt hätte, was die FPÖ mit ihrem Star Haider erlebt hat, dann, und nach Haider ist es ja noch schlimmer worden, net ich meine, dann würd’ er natürlich nicht grad glücklich gewesen sein. Wobei man beim Haider, auch da hab ich mich völlig, ah, in die Gegenrichtung bewegt, ich hab ihn relativ gut gekannt, geschätzt nicht, aber ich hab ihn immer von den noch lebenden Menschen als einzigen wirklichen Vollblutpolitiker bezeichnet ((klopft auf den Tisch)) und hab ihn auch so erlebt. Das war wie der Strauss ein Mann, der einfach den Sinn für, für, für das Volk gehabt hat. Wie beeindrucke ich das Volk, wie mach ich es mir's gefügig, wie komm ich gut an, ein begnadeter Oppositionspolitiker, weil das soll jemand ihm einmal nachmachen. Und die Antwort, die ich den vielen Kritikern gegeben hab, net, die gesagt haben, "du, du mit deiner Vergangenheit schwärmst für den Haider?" Hab ich gesagt, "nein ich schwärm überhaupt nicht, ich mag ihn auch nicht, mir imponiert er nur. Das ist ein großer Unterschied." Weil ich hab ihn immer, ich hab ihn in Gesprächen auch so erlebt, dass ich, äh, das Gefühl gehabt hab, so ein bissel Goebbels ist schon dabei, net, also muss ich wirklich sagen. Aber er war charmant und er war einfach, wie soll ich denn sagen, ein begnadetes Naturtalent, net. Weil von sieben Prozent zur stärksten Partei Österreichs zu werden, das soll ihm jemand einmal nachmachen. Natürlich ist die Stärke ist immer und überall, ob familiär oder, oder in der kleineren oder größeren Gesellschaft, durch die Schwäche anderer Faktoren bedingt, net, das ich klar. Weil ich mein, oft ist es so, dass man das Gefühl hat man hat selber nichts Großartiges zustande gebracht und hat trotzdem Erfolg, aber der Erfolg ist net echt und abklopfbar und glaubwürdig, weil der Gegner so schwach war, dass ich eben davon profitiert habe im übertragenen Sinn.

Schweitzer

Also Sie, Sie. Na vielleicht vorweg genommen, wenn es Ihnen zu anstrengend wird, dann [Benedikter: Nein.] dann schmeißen Sie mich einfach raus. Weil ich bin einfach neugierig und werd jetzt einfach weiter fragen. [Benedikter: ((Lacht)) Nein, überhaupt nicht, net.] Aber dann sagen Sie es wirklich. [Benedikter: Na, Sie haben das Gefühl, einen alten Mann den überfordert das] Na, überhaupt nicht [Benedikter: aber das ist bei mir nicht der Fall.] Ich glaub ich werd früher müd werden als Sie, weil es sind dann doch so viele Eindrücke, aber ich wollt es nur einmal deponieren.

Benedikter

Geistig, geistig würde ich sagen, würde ich, ah, heute noch mit jedem jungen Menschen konkurrieren können. Und ich arbeit sehr viel, schreib, hab x Bücher geschrieben, und schreib fast jeden Tag irgendwelche Hintergrundberichte zu Krisenstaaten, Ägypten, Ägypten, Libyen, Syrien, Türkei und was weiß Gott. Und also hab einen freiwilligen Stundentag, oder Wochentag, der mindestens 60 Arbeitsstunden umfasst, ich arbeite oft bis 2 oder bis Mitternacht, net. Aber natürlich weiß ich, dass ich deswegen a nicht mehr jung bin, sondern alt, oder älter geworden bin, und dass man das Alter nicht nur mit seinen Nachteilen sondern auch mit einigen kleinen Vorteilen würdig zu erleben versuchen muss. Und Alter bedeutet eigentlich nichts Anderes als dass man gewisse körperliche Verschleißerscheinungen annimmt und sagt, das gehört dazu, weil irgendwann einmal muss ich einmal krank werden und irgend einmal muss ich auch sterben, und das ist das einzige Recht im Leben. Und ich hab überhaupt keine Angst davor, überhaupt nicht, und hab mich viel mit diesem Thema schon wie ich Student war befasst, und hab die erste Arbeit überhaupt über das Thema der Dichtung "der Tod", also der Tod in der Literatur, verfasst. Und deswegen, sagen wir, ist es für mich normal, wenn man hie und da schlechte Tage erlebt, wenn man wetterfühlig ist, wenn man die Migräne spürt, wenn man durch das viele Sitzen trotz, mich rettet der Hund, weil ich mit dem täglich zwei große Wanderungen mach, jeweils eine Stunde, und das tut mir gut und da hat man auch dann das Gefühl, ich bin in der Natur und die Natur ist schön und die Natur ist ewig, und wir sind so winzige, winzige kleine Mücken. Aber sagen wir geistig ermüden tu ich eigentlich bis jetzt Gott sei Dank, man kann, in drei Jahren kann ich dement sein, in drei Jahren kann ich mein, ah wie mein Freund Alois Mock, tief von Parkinson und Demenz gezeichnet sein, das kann man nie verhindern. Nur würd’ ich einen anderen Weg gehen, sagen wir, net.

Schweitzer

Ich wollt jetzt auf den Jenny noch einmal zurückkommen. Hat es in dem Zusammenhang Diskussionen oder Briefkontakte mit Kreisky gegeben? Weil ich denk ...

Benedikter

Er hat sicherlich glaub ich [?...], aber davon weiß ich nichts.

Schweitzer

Also Sie persönlich haben in dem Kontext keinen Briefkontakt gehabt? [Benedikter: Na, na.] Er hat auch nie gesagt schade, dass Sie jetzt nicht in die Partei vom Jenny gegangen sind, oder so was? [Benedikter: Na, na.] Gar nicht.

Benedikter

Er hat eigentlich sich zu diesem Thema überhaupt nicht geäußert, überhaupt nicht geäußert. Und das hab ich auch großartig gefunden, denn wahrscheinlich hat er mein Dilemma, oder mein, ah, meine Vorbehalte, tzz, jetzt denk ich dauernd nach wie der Zentralsekretär geheißen hat, Z, Zarzer, oder na ...

Schweitzer

Da Zechtl, na? Zechtl.

Benedikter

Zechtl, ja, Zechtl glaub ich, ja Zechtl. Ich glaub das war ... [Schweitzer: Der hat nämlich auch sehr viel mit Südtirol ...] Ja Zechtl, glaub ich hat der geheißen. [Schweitzer: Also ich kenn ihn nur aus den Unterlagen, die wir im Archiv haben.] Ja, irgendwie ein "Z" hat eine Rolle gespielt. [Schweitzer: Rudolf Zechtl, glaube ich.] Rudolf Zechtl, ja. Und na, das Thema ist sagen wir nie angeschnitten worden und hat eigentlich, und dafür war ich dankbar, dafür war ich dankbar und bin auch heute noch dankbar, weil ich sonst ein bissel in Erklärungsnot geraten wäre und ihm, die verschiedenen Aspekte, die er ja nicht gekannt hat und nicht kennen konnte, hätte erklären müssen. Und immer wenn man zwischen Vernunft und Herz hin- und hergerissen wird ist es etwas, wie soll ich denn sagen, schwierig. Und, mein Gott, ich bin einmal gefragt worden in einem Interview, hm, ja ob man manches im Leben anders machen würde. Dann hab ich gesagt, natürlich würde man manches anders machen, und wer das Gegenteil sagt, es gibt ja sehr viele, die sagen, ich würde nichts ändern und alles, was ich getan hab trag ich voll mit. Wie gesagt, der gehört halt zur großen Schar der Esel, die bekanntlich eine sehr verbreitete Tierart in der Spezies Mensch darstellt, denn das bedeutet, dass er unbelehrbar ist und dass er eigensinnig ist und erstarrt, innerlich erstarrt. Und ich hab mich eigentlich ein bissel anders orientiert, wer hindert mich daran jeden Tag ein bissel klüger zu werden, net. Und das war so, net, ich bin grad wegen dieser Vergangenheit, grad Kreisky und Sozialdemokratie und so weiter, in der Partei oft sehr scheel und mit Misstrauen betrachtet worden. Ich war nur bei der Bevölkerung sehr gut abgesichert und auch sagen wir durch einige Freunde, Brugger und so weiter, die, ah, ihre schützende Hand über mich gehalten haben. Aber 1968 war, war die Aufstellung für den Landtag, net, und da war ich net nur gesetzt, sondern also, man hat gesagt nach Magnago und Alfons Benedikter komm ich sicherlich an zweiter, dritter Stelle durch, net. Weil ich so viel Vertrauen in der Bevölkerung genossen hab. Und dann haben Besprechungen stattgefunden, von denen ich heute genau weiß, wer dabei war und wo sie stattgefunden haben, wo man wirklich, wo das einzige Thema war, wie kann man mich verhindern. Und da war auch der Magnago dabei und all diese Leute, net. Und wie ich dann das Buch über ihn geschrieben hab war ich ja viel mit ihm beisammen, hab ich gesagt: "Das war nicht grad ein sehr rühmliches Kapitel, net". Dann hat der gesagt: [Wieder mit anderer, hoher Stimme] "Ja wir haben alle Angst gehabt, net, da ist es ums Paket gegangen und Sie waren halt ein Gegner von dem Paket. Und das wollten wir um jeden Preis verhindern, das war ja nicht persönlich, net". Spielt ja auch gar keine Rolle mehr. Und da hat man mich mit einer Stimme, es war noch das normale Wahlsystem, also dafür - dagegen, Geheimabstimmung, mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt. Und dann haben mich meine vielen Freunde dazu gedrängt, haben gesagt, gründen wir eine eigene Partei. Und Sie werden lachen, das ist eine der wenigen Dinge, die ich heute bereu, dass ich es nicht getan hab. Eine der wenigen Dinge. Ich hab damals gesagt "na, es ist die Zeit noch net reif, inmitten von so großen Kämpfen um Autonomie und so weiter. Es würde auch nicht verstanden werden, und da braucht's eine gewisse Einigkeit und was weiß Gott." Aber heute denk ich mir, in Südtirol wär wahrscheinlich vieles, vieles anders gelaufen, net. Und große Chancen kriegt man einmal im Leben. Vielleicht wär's auch ein Flop worden, net, weil die Leute effektiv so auf Einheit eingeschworen waren, das weiß ich nicht, aber wir haben so eine starke Gruppe gehabt, also die hätte schon einiges bewirkt. Und wär auch, sagen wir, hätte sicher bei Landtagswahlen relativ gut abgeschnitten. Net die Welt neu erfunden und net das Rad erfunden, aber, aber es wär eine relativ starke Gruppe gewesen. Und wenn man eine gute Politik gemacht hätt wär vielleicht, hätte man ein bissel europäische Verhältnisse nach Südtirol bringen können, net, oder diese Verhältnisse erzwingen können, net.

Schweitzer

Sie sagen Sie waren einer von den Gegnern des Pakets? [Benedikter: Ja, ja.] Was waren Ihre Argumente dagegen, oder was war ...?

Benedikter

Meine Überzeugung war, dass man erstens noch mehr hätte herausholen können, das war das Erste. Und zwar weil sich abzeichnet hat, dass Italien nach UNO - Kreisky Briefwechsel auch und so weiter, net, durch die UNO-Befassung einerseits und durch die Anschläge andererseits zu einem Faktor geworden ist, an dem Italien nicht mehr vorbeigekommen ist. Es war ein kleines europäisches Problem, net. Für Italien sehr unangenehm, eine Staat, der sehr auf das Prestige bedacht war, das noch eine ganz andere Rolle gespielt hat als jetzt, wo man wirklich in jeder Hinsicht am Boden ist, und, wirtschaftlich und moralisch und in jeder Hinsicht. Ich meine und wenn der Steinbrück sagt "zwei Clowns", dann macht, dann drückt er sich ganz sanft aus, er darf es nur nicht in Gegenwart des italienischen Staatspräsidenten bei seinem Besuch sagen. Sagen wir da merkt man, dass der Mann eben furchtbar gscheit ist, aber zu schnell denkt und zu schnell redet. Was schad ist, net. Sonst ist ja Clown noch eine Auszeichnung für die Leute, net, ich mein, muss man sagen. Das sind halbkriminelle Pornodarsteller oder, oder ich weiß nicht, was man sonst sagen soll. Und ... der zweite Grund war meine Überzeugung, dass letzten Endes die europäische Entwicklung, die schon weit fortgeschritten war, auch Italien dazu zwingen wird, zu ihrer wichtigsten Minderheit, noch dazu strategisch so günstig gelegen, Passland, Brücke zur deutschen, nehmen wir Österreich mit, zur deutschen Kultur, net, und zum deutschen Sprachraum, wirtschaftlich und in jeder Hinsicht. Das waren die Dinge. Und dann natürlich auch eine Reihe von Detailproblemen, zum Beispiel dass es eine Bestimmung gegeben hat, wonach jeder Landeshaushalt auch die Zustimmung der Mehrheit der italienischen Abgeordneten finden muss, und sonst wird er und so weiter von Rom überprüft und was weiß Gott. Und diese so genannte Haushaltsgarantie, die als große Gefahr für uns erschienen ist, die ist nie, hat nie eine Rolle gespielt, hat nie eine Rolle gespielt. Und wir haben uns in diesem Punkt, der mir besonders wichtig war, weil er praktisch die Autonomie, die man uns mit der rechten Hand gegeben hätte, mit der linken wieder beschnitten hätte, net. Aber ich hab mich da gigantisch geirrt und das war nicht nur nie ein Problem sondern ist von den Italienern überhaupt nie genützt oder benützt worden oder gegen uns als Waffe eingesetzt worden. Und wenn Sie mich fragen, ob ich heute, aus heutiger Sicht, für das Paket stimmen würde, würde ich sagen ja. Nicht restlos überzeugt aber zu 80 % überzeugt für das Paket stimmen, während ich damals zu 80 %, weil ich hab natürlich schon gesehen, was man uns anbietet und dass manches absolut Substanz war. Aber ich hab, ah, die Paketlösung energisch bekämpft mit unzähligen Versammlungen in ganz Südtirol. Und war also wirklich bei dieser knappen Entscheidung eine Gefahr. [Schweitzer: Offenbar, ja.] Und, und, ah, aber ich hab auch keine Scheu zu sagen, also das würd ich heute völlig anders machen, net. Aber wie die Milva so schön singt: "Hinterher weiß man mehr".

Schweitzer

Für mich ist das ja immer so schwierig weil man sich irgendwie so diese Stimmung in Südtirol in den Sechzigerjahren sehr schwer vorstellen kann.

Benedikter

Es war eine bleierne Zeit. Wenn Sie sich das Land vorstellen, also das Land war sehr arm. Grad zum Beispiel Vintschgau, Teile des Pustertales und so weiter, bettelarm. In den Gebirgsdörfern sagen wir, ich kann nur, ich kann nur die Sicht, heute eine bissel erweitert, meines Heimatdorfes wiedergeben. Bettelarm, abgeschlossen, kulturell ein bissel von der europäischen Entwicklung her gesehen zurückgeblieben. Und über dem Land war wirklich eine Bleikappe, net, die alles erdrückt hat. Dei Kirche war ungeheuer mächtig, hat sich in alle politischen Dinge eingemischt, net. Zum Beispiel gibt's einen Brief, wo der Bischof von Brixen schreibt an den Magnago, dass man den Jenny unter allen Umständen verhindern muss, und wenn nicht der Kreisky dann mit einem Brief an den Magnago schnell interveniert hätte, wär es auch so gekommen. Und es war wirklich eine bleierne Zeit. Denn 1961 waren die Anschläge, und die, die erste große Welle ist wirklich von großen Idealisten getragen worden, wirklich von großen Idealisten. Ich hab sie zum Teil gekannt und kann nur sagen, also wirklich ehrenwerte Patrioten. Dilettantisch, denn der Mao hat ja gesagt, "hätte man mein Buch gelesen, meine Fibel, mein rotes Büchlein gelesen, dann wüsste man, dass die eine Zelle nichts über die andere wissen kann." Und da war nur eine große Zelle und jeder hat dann, sie haben ein paar Leute gefoltert und mit den Geständnissen, die erpresst worden sind, ist der ganze, der ganze BAS aufgeflogen. Und später ist ja auch ein bissel so a rechtsradikale Sauce dazugekommen, die alles verfälscht hat. Und dann haben die Geheimdienste auch mitgespielt, nicht zuletzt der tschechische und so weiter, der da die Brennergrenze destabilisieren wollte um die NATO dadurch ein bissel in Verlegenheit zu bringen und so weiter und so weiter. Und ... dann sind die Leute alle eingesperrt worden dann hat es den Mailänder Prozess gegeben, ich war mit dem, der Dietl war ja auch angeklagt, net, und die Partei war praktisch fast am Verbotenwerden. In einer Situation, wo man jeden Tag damit gerechnet hat, dass sie vom berüchtigten Innenminister Scelba verboten wird. Und ich bin selbst auf der Schwarzen Liste gewesen, weil ich sehr oft nach Tirol zur Frau Dr. Stadelmayer gefahren bin, und auch nach Wien und auch nach Bonn und hie und da mit einem Koffer Geld hereingefahren bin. Und wie sie das dann irgendwie, ich weiß nicht durch wen, mitgekriegt haben, bin ich auf die Schwarze Liste gesetzt worden und ab dann waren meine Möglichkeiten da etwas hin ... ((kurzes Stocken)) Ich hab Kurierdienste dann gespielt, weil einen Brief, mein Gott, den kann man verstecken und da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Den kann man aufgeben und draußen dann abholen bei einem Postfach X, net, das ist kein Problem gewesen. Und auf die Art und Weise hat, ist Politik damals betrieben worden, weil man immer Angst davor gehabt hat, offiziell es wird alles abgehört, man weiß net ob gewisse Leute aus den eigenen Reihen als Spitzel arbeiten. Es war eine schreckliche Zeit, das können Sie mir glauben. Und ich kann mich erinnern, ich bin am Brenner regelmäßig wie ein Schwerverbrecher aus dem Zug rausgeholt worden, wirklich, und dann hat man, ich werd es nie vergessen, dann hat man den Koffer, so einen alten Koffer hab ich gehabt, wo eh net viel drinnen war, dann hat man den vor meinen Augen lachend ausgeleert, alles auf den Boden geworfen und hat dann gesagt, so jetzt kann ich alles wieder aufklauben. Daweil ist der Zug weggefahren, ich hab dann stundenlang am Brenner auf den nächsten Zug warten müssen. Hab hie und da, war ich mit Leuten verabredet, ich hab nicht gewusst, wo steckt denn der Mensch, net, Telefon, die modernen Kommunikationsmöglichkeiten hat’s ja nicht gegeben. Und ich hab dann die Südtiroler Nachrichten, die wir damals gehabt haben, wo eben noch Jenny und Dietl und ich ein Herz und eine Seele waren und wo ich unter vier verschiedenen Pseudonyms, neben dem echten Namen hab ich auch vier verschiedene Pseudonyms zeitweilig benützt, weil ich 80 % geschrieben hab von der ganzen Zeitung, die vierzehntägig erschienen ist, und wenn man das im Alleingang machen muss, ist es eine unendliche Arbeit, eine unendliche Arbeit. Und da hab ich einen Leitartikel geschrieben und hab ihn betitelt "Alltag am Brenner". Und hab geschrieben, ich war in so vielen osteuropäischen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang, aber so viel Demütigung und solche unmenschlichen Methoden wie am Brenner hab ich nirgendwo erlebt. Und hab das Glück gehabt, dass das dann von deutschen großen Zeitungen wie der Frankfurter auszugsweise nachgedruckt worden ist. Und Sie werden es glauben oder nicht, in dem Moment bin ich anständig behandelt worden, net. Weil wie gesagt ein Staat auf sein Prestige bedacht ist, und ein Mann, der dann von großen Zeitungen also genannt wird und sein geistiges Produkt übernommen wird, hat ganz einen anderen Stellenwert. Aber es waren schlimme, ganz schlimme, schwierige Zeiten, ja.

Schweitzer

Und gleichzeitig ist das ja auch die Zeit, wo es in der Südtiroler Volkspartei sehr große Differenzen gegeben hat. Also gerade ... Oder auch, na, vielleicht fang ma einmal mit diesen Differenzen an. Welche Themen werden, oder was wird jetzt eigentlich bei der UNO gefordert? Wo Kreisky ja immer gesagt hat, Selbstbestimmungsrecht ist nicht realisierbar [Benedikter: Hat er auch recht behalten und so weiter] Und trotzdem die Forderung, immer da war ganz, ganz stark.

Benedikter

Hat er auch recht behalten, wobei man da glaub ich unterscheiden muss, und das hat er sehr wohl gewusst und hat daraus auch, äh, ich möcht nicht sagen aus der Not eine Tugend gemacht, sondern aus einer grundsätzlichen Forderung, die eben nie bestritten werden kann, eine Volksgruppe hat das Recht laut UNO-Beschlüssen, UNO-Deklarationen usw., da braucht man gar net drüber reden, deswegen ... Aber, eins ist die graue Theorie, die anerkannt wird, und das andere ist eben, dass ohne Einvernehmen des jeweiligen Staates, und man hat es mit einem Nationalstaat zu tun, gestern, vorgestern und auch heute, nie etwas geschehen kann. Weil uns würde nichts nützen wenn der Landtag einen Beschluss fassen würde und so weiter. Sie würden zwar nicht Panzer auffahren lassen aber sie würden sagen, na, wir lassen euch nicht. Ich meine, und was könnten wir tun? Dasselbe ist ja in, in Spanien jetzt der Fall, Baskenland, Katalanien und so weiter, net, ich meine. Wenn die Bestimmung ist, dass darüber in ganz Spanien abgestimmt werden muss, ((lacht)) da können Sie sich vorstellen, dass ... Es gibt Ausnahmen, eis gibt die friedliche Trennung, Tschechien - Slowakei, es gibt auch andere. Aber meist ist es so, dass nur mit Gewalt etwas erreichbar ist, denn zum Beispiel auch das sterbende Jugoslawien hätte die Leute nie, die Völker nie entlassen, wenn sie sich nicht gewehrt hätten, net, und das will man ja auch nicht. Und ich bin der Meinung, dass wir jetzt eine relativ gute Gesamtlage erreicht haben. Das Land ist nicht nur durch die Autonomie sondern auch durch eigene Anstrengungen wohlhabend geworden, steht im Ranking der EU-Regionen an erster Stelle, net, das letzte Mal, also ist wirklich. Und aus den armen, wirklich bettelarmen Gegenden sind blühende Täler geworden, gerade das Gadertal, wo die meisten fünf, die meisten Michelin-Lokale weltweit in dieser Konzentration vorhanden sind. Wir haben einen Fremdenverkehr aufgebaut, der also wirklich schon jetzt langsam an die Grenzen stößt, weil das Land eben klein ist und man dem Fremdenverkehr bei all den wirtschaftlichen Vorteilen zum Teil auch sehr viel geopfert hat. Und sagen wir, die letzte Landesregierung unter Durnwalder hat grad urbanistisch und umweltschutzmäßig also, eine verheerende Politik betrieben. Ich hab mit ihm ja halbe Tage, ganze Nächte herumgestritten, net. Weil ich ihn eigentlich gekürt hab, net, und ein Jahr lang dran gearbeitet hab um ihn zum Landeshauptmann zu machen, weil er war Kandidat des Bauernbundes, aber der Bauernbund, den er sehr massiv und gut in der Hand gehabt hat, war nur ein Segment, und die anderen Segmente haben alle gesagt, na der, also Gott behüt uns. Und er selber hat, wie ich ihm zum ersten Mal gesagt hab, du wärst eigentlich von den Fähigkeiten her gesehen der einzige Mann der in Frage kommt, hat er gesagt "schau, du kannst gut organisieren, das weiß ich, du kannst unmögliche Dinge machen, das weiß ich, aber mich wirst nie durchbringen, weil ich zu sehr den Stempel trag". Dann hab ich gesagt "na, da muss man nur sagen, dass du sehr sozial eingestellt bist", und das ist er auch, weil er auch aus einer Bauernfamilie eines Bergdorfes stammt und auch von Natur aus ein recht sozialer Mensch ist. ... Ich hab ein Jahr dann, ich glaub 20, 30 Besprechungen gehabt mit dem Arbeitnehmerflügel, mit der Jugend, mit den Frauen mit allen möglichen. Und dann waren die Dinge eigentlich ziemlich klar, und ich hab ihm die ersten Dinger geschrieben und den ersten Haushaltsentwurf gemacht von der ersten bis zur letzten Zeile. Aber das was mich sagen wir immer an ihm gestört hat und was ich dann gleich auch bekämpft hab und zwar nicht verbal sondern schriftlich in Interviews, war dieser Machthunger und dieser Machttrieb und diese, diese - ich allein, also ich bin der Landesfürst. Das war so ein Bruch zu Magnago, der alle Landesräte machen hat lassen, was sie wollen haben, weil er gesagt hat, er ist für den Bereich zuständig, ich bin Primus inter pares, net, und mehr braucht es nicht. Und er hat alles allein gemacht, alle Presskonferenzen im Alleingang über die Themen anderer gesprochen. Und ich hab dann bald einmal, bin bald einmal auf Distanz gegangen, das persönliche Verhältnis ist nie entscheidend beeinträchtigt worden, wir haben uns eigentlich bis heute persönlich recht gut verstanden, haben auch immer Kontakte gehabt. Und, aber das politische Verhältnis war nicht nur stark getrübt, sondern also da war eine große Wasserscheide, da war ... Ich hab hie und da gesagt also eine Meer, uns trennt nicht nur ein Meer sondern ein Kontinent. Denn er hat, er ist ein Pragmatiker, ein großer Macher, ein Mann der in der Bevölkerung verankert ist, der populär ist, der ein wunderbares Gedächtnis hat und es auch abrufen kann, immer ein bissel polternd und nie feinsinnig, aber, aber auf der Ebene hat er, sagen wir, eine imposante Leistung erbracht, die ich auch immer geschätzt hab, die ich auch immer in meinen Artikeln oder in meinen Interviews zum Tragen gebracht hab. Seine großen Mankos, ich hab ihm gleich einmal, wie ich erkannt hab ... Mir hat der Dr. Magnago, das muss ich Ihnen noch erzählen, er war schon nicht, also nicht mehr Landeshauptmann, weil sonst wär er ja net zum Zug gekommen, aber noch Parteiobmann, der hat mir am Tag wie ich ihn im Parteiausschuss vorschlagen wollte und auch getan hab, har er mich angerufen und hat gesagt, wir waren damals schon per du, hat er gesagt, "Hans ich muss mit dir reden", ja was er eigentlich, ich mein ich hab schon was geahnt, net. Dann hat er gesagt "schau, du machst ganz einen großen Fehler. Das ist ein Machtmensch, der nur an seine Macht denkt und wie er der Gesellschaft und der Partei den Willen aufzwingen kann. Und die eigene Mutter", hat er gesagt, "hat’s ja in einem Interview gesagt." Und das war auch so, hat ein sehr freimütiges Interview gegeben. Eine großartige Frau, die so über ihren Sohn [?zu reden hat], hat gesagt sehr intelligent, sehr Ding, aber er will halt [?] schaffen, alles selber schaffen. Und ich überheblich, wie ich halt damals ein bissel war, ähm, hab gesagt "schau Silvius, ich verstehe ja, dass du mit deinem Nachfolger, mit einem starken Nachfolger, deine psychologischen Schwierigkeiten hast. "Na," hat er gesagt, "du verstehst mich net, das ist überhaupt keine Schwierigkeit, aber ich hab Angst davor was kommt und halt." Und da hab ich gesagt, "am liebsten hättest du, weil du so große Spuren hinterlassen hast," durch seine Gestalt, durch seine Art aufzutreten, durch seine Ehrlichkeit und so, "am liebsten hättest du überhaupt keinen Nachfolger", hab ich gesagt. Dann hat er gesagt, "ja, du wirst schon das Deine erleben, denk dran und ..." Ich bin dann in die Partei marschiert, da war der Parteiausschuss, der eben die Wahl getroffen hat, hab mich zu Wort gemeldet, hab ihn vorgeschlagen, er ist dann mit großer Mehrheit akzeptiert worden. Und dann bald einmal später, nachdem ich relativ viele Dinge für ihn getan hab, aus Überzeugung auch, hab ich gemerkt, der macht eigentlich genau das Gegenteil von dem ... Zum Beispiel ich hab in dieser Ding, ich hab gesagt Umweltschutz hat keine Lobby. Die Wirtschaft ist stark, und wenn man dem Umweltschutz in wichtigen, bei wichtigen Entscheidungen, net im Alltag, net wenn es um einen Hausbau geht, aber bei grundsätzlich wichtigen Entscheidungen, nicht den Vorrang einräumt, dann wird der Umweltschutz immer verlieren. Nur verlieren wir jedes Mal ein Stück Zukunft, net. Weil alles andere kann man reparieren und kann Beschlüsse in eine andere Richtung, aber wenn etwas zubetoniert worden ist, das kann man nicht mehr gut machen. Und er hat genau das Gegenteil gemacht und meine schlimmsten Befürchtungen da eigentlich, der hat sich auch so wirklich wie ein Diktator erwiesen. Und zu seiner großen Überraschung hat mich einmal ein Wochenblatt angerufen, die [?FF] , und hat gesagt, also Zeit wäre es einmal ein Interview zu machen, das getraut sich niemand. Dann hab ich gesagt das Problem, das Problem hab ich nie in meinem Leben gehabt, also da hab ich keine Schwierigkeiten, sagt's ma was ihr wissen wollt's. Und dann hab ich gesagt "ein demokratisch gewählter Diktator", wortwörtlich, net das hab ich noch, also Gott sei Dank ist es nicht weggeschmissen, sonst kriegert man es jederzeit. [Schweitzer: Eben, denk ich mir, ja.] Demokratisch gewählter Diktator, der aber zugleich viel Vertrauen in de Bevölkerung genießt, weil er [???] sehr tatkräftig ist und entscheidungsfreudig und so weiter, ich hab’s schön austariert. Die Landesräte existieren praktisch nicht, es fehlt nur noch, wörtlich, dass man den spanischen Hofknicks übt und einführt. Und das war natürlich die Sensation. Und ich hab mir gedacht jetzt wird es Hageln, also jetzt wird die Landesregierung Stellung nehmen und es wird die Partei Stellung nehmen und was weiß Gott. Niemand hat Stellung genommen, niemand, keine einziger, nicht einmal, die Landesräte haben mich angerufen und haben gesagt "Gott sei Dank, danke Hans und so weiter". Und ich hab an Zorn gekriegt und hab gesagt "du feiger Mensch, du brauchst nur einmal Dein Tatzel einmal anders, net in die Höh halten, sondern sagen, ich bin net einverstanden, dann würde sich schon viel ändern". Net, ich mein, ändern tut man die kleine Welt net mit einem kritischen Artikel sondern mit Entscheidungen. Und ich hab ihm auch gesagt vor einem Jahr noch, da haben wir einmal lang diskutiert auch kürzlich erst wieder hab ich gesagt "schau, abtreten muss man auf dem Höhepunkt. Und den hast du versäumt, du hast angekündigt aber die Droge gemacht, von der kannst du net lassen." Und anstatt dass alle Leute dann sagen schad um ihn, wir hätten ihn noch gebraucht, kommt dann die Zeit wo sie sagen endlich geht er, es ist höchste Zeit und so weiter. Und so ist es auch gekommen, ich mein. Und ich hab gesagt "in der Erinnerung wird net ein Landeshauptmann bleiben, der das Land auch im positiven Sinn verändert hat und viel dazu beigetragen hat aus Südtirol ein modernes, zukunftsträchtiges Land zu machen, sondern Du wirst in der Erinnerung als Zementlandeshauptmann eingehen." Da war er auch sehr verstört, dann hat er gesagt "warum"? Hab ich gesagt "ja weil früher waren wir unter meinem Cousin, waren wir wirklich weltweit führend auf dem Gebiet des Umweltschutzes". Ich kann mich erinnern ich war da einmal auf einer Konferenz in Helsinki, wo eine große Umweltschutztagung der Vereinten Nationen stattgefunden hat. Und da war der stellvertretende UNO-Generalsekretär und der hat wortwörtlich gesagt also, Südtirol ist ein Modell dafür. Als erstes hat man die ganzen Propagandatafeln weggetan, als zweites das strengste Umweltschutzgesetz in ganz Europa verwirklicht und auch eingehalten. Und ich war mächtig stolz drauf. Und ich kann mich deshalb so gut daran erinnern, weil ich den Koffer net gekriegt hab. Ich bin in Helsinki dagestanden und hab keinen Koffer gehabt, der ist in Stockholm, in Stockholm offenbar bei einer Zwischenlandung verloren gegangen. Und ich war im Sommerhemd und so weiter, und Sie können sich ... Ich könnt einen Roman schreiben, was ich da erlebt hab. Und das Lustigste war, ich war, fast bis Mitternacht hab ich gewartet, dass mein Koffer kommt, ganz, war praktisch niemand mehr da, und dann ist jemand kommen, hat mich halt gefragt, warum ich immer noch da stehe. Dann hab ich gesagt, ja ich wäre eigentlich Mitglied da, das ist vierzig Kilometer außerhalb von Helsinki auf einer wunderschönen Insel. Und ich war da Delegationsmitglied, also italienisches Mitglied der italienischen Delegation und ich hab keinen Koffer, ich hab nichts anzuziehen, ich hab gar nichts. Dann ist man gekommen und hat mir so einen Beutel überreicht, da war ein Zahnpasta und das und das und dann ein Pyjama und da war ein Ärmel oder ein Fuß so groß, dass ich in meiner kleinen Gesamtheit Platz drinnen gehabt hätt. Das war für einen Hünen, wahrscheinlich für einen Wikinger von zwei Meter bestimmt und so weiter, und ich meiner ganzen Not hab ich noch lachen müssen, net aber, na ja. Es ist eine lange Geschichte und dadurch bin ich auch nie, ich hab auch eine Lapplandreise gebucht gehabt im Anschluss bin ich nach Lappland gekommen, es war gruslig. Aber wie gesagt, damals, da war ich wirklich stolz darauf, und heute werden wir so als abschreckendes Beispiel, mit den ganzen Großprojekten, die ... Ich sag, ich hab immer vertreten, ein kleines Land, das viel zu bieten hat und das auch auf verschiedenen Ebenen gute Leistungen bringt, sollte nicht groß tun. Und genau das ist geschehen, net, wir haben einen eigenen Flughafen gebraucht, der natürlich überhaupt keinen Sinn hat außer dass er ein Millionengrab ist jedes Jahr, dass er überhaupt keine Existenzberechtigung hat. Schlimm weil Innsbruck in der Nähe ist, weil Verona in der Nähe ist, zwei Regionalflughäfen, die durch unsere Präsenz und durch unsere finanzielle Beteiligung auch aufgewertet worden wären. Man hätt zum Beispiel, war ein alter Vorschlag von mir, der nie verwirklicht worden ist, einen Shuttledienst einrichten können. Aber, wie gesagt, da war man einfach nicht imstande, weil ich weiß alles, ich kann alles, ich mach alles richtig, und wenn ich etwas falsch gemacht hab, dann war es trotzdem richtig. Weil ich hab gesagt, "das, was deine ..." Grad heute hat mich der Parteiobmann angerufen, dann hab ich gesagt "schau, du weißt für dich tu ich alles, weil du ein anständiger Mensch bist", er war ja in letzter Zeit sehr oft bei mir, "weil du ein anständiger Mensch bist", der Theiner, "und weil du sozial eingestellt bist und weil du sauber bist und weil du eine ehrliche Haut bist und weil du viel Idealismus hast." Aber ich hab ihm auch ganz klar gesagt, also er ist ein Kompromisskandidat und sagen wir, er kann nicht von sich sagen, dass er überragende Fähigkeiten hat, aber das weiß er schon selbst. Und vor allem ist er schnell verzagt und auch hie und da überfordert. Aber ein guter Mann, nicht zuletzt weil er so sauber ist. Und zwar integer durch und durch und das macht ihn mir so sympathisch, net. Aber ich hab ihm auch gleich gesagt, gleich beim ersten Gespräch voriges Jahr im, ja vor ungefähr einem Jahr. Da hat er mich zum ersten Mal aufgesucht, hat gesagt, er brauchert ein paar gute Tipps und so weiter. Hab ich gesagt "dir gerne, der Partei wünsch ich Pest, Cholera, Typhus, alles auf den Hals, und für die Partei tu ich ganz sicher nichts." Und heute hab ich ihm wieder das Gleiche gesagt, gerne für dich, aber damit es noch einmal gesagt wird, ich habs dir hundertmal gesagt, nicht für die Partei. Weil die Partei hat es versäumt sich zu erneuern, hat es versäumt, äh, mit Kritik zu leben und die Kritik positiv aufzunehmen, mit einer Opposition zurechtzukommen. Und das sind alles Fehler gegen, Sünden gegen den Heiligen Geist, weil ob etwas in der Tagespolitik so oder anders gemacht wird, das ist im Prinzip völlig gleichgültig, das ist im Moment ein Thema über das man sich aufregt oder nicht aufregt, aber zwei Tage später ist es völlig gleichgültig. Aber wenn es um große Themen geht dann ist es schlimm. Und man hat da, ah, eine reine Machtpolitik verfolgt und, ah, wirklich, das was ich am meisten hasse und was ich am meisten kritisiere, nie die Fähigkeit gehabt auf unseren Landeshauptmann bezogen und er war ja der starke Mann auch in der Partei, nie die Fähigkeit gehabt auch nur ein einziges Mal, ein einziges Mal also, zu sagen, ich hab etwas falsch beurteilt oder ich hab eine Entwicklung falsch eingeschätzt, oder es tut mir leid, dass das so und so verlaufen ist, ich hab den besten Willen gehabt, aber man hat keinen Zauberstab alles richtig zu machen. Ich hab gesagt "unsere Bevölkerung wär so dankbar gewesen und wär so aufgeschlossen gewesen, weil sie verzeiht jedem Sünder alles. Aber wenn nur Trotz und nur Rechthaberei." Ich hab auch einmal geschrieben, ich hab geschrieben, ah, Impotenz und Präpotenz sind ja bekanntlich zwei Seiten einer Medaille, net. Und das gesessen, das ist gesessen. Und es ist wirklich so, was kost's denn schon zu sagen man macht selber ..., schon in der Familie macht man so viele Fehler und man macht so viele Fehler bei Kindern und macht so viele Fehler in seinem privaten Wirken, in seinem politischen Wirken. Warum nicht einmal zu sagen, so, das ist eben falsch gelaufen, aber ich hab mich ehrlich bemüht und ich bin eben kein Übermensch und ich mach nicht alles richtig. Und dann sagen die Leut, das ist einer von uns, net. Und einer der Gründe, warum ich in der Bevölkerung immer so gut verhaftet war und von der Partei nicht abhängig war, war diese Eigenschaft. Weil ich gesagt hab, die Politiker sind nicht vom Heiligen Geist inspiriert, wie manche meinen, und sie haben kein Abonnement mit ihm und sie sind nicht von Gott berufen worden um eine Heilslehre zu verkünden. Das sind ganz normale Menschen, hab ich gesagt. Ein Spiegelbild der Bevölkerung, 80 % gleich wie die Bevölkerung, 10 % besser, 10 % schlechter, so einfach ist das. Und ich hab auch immer die Meinung vertreten, gerade eine Volkspartei dürfte sich solche Dinge nicht leisten. Wenn sie anders heißt, wenn sie Elitepartei heißen würde oder "Selbst ernannte [?Gadaffi] Schutzpartei" oder was weiß Gott, dann wäre es wieder was Anderes, aber ...

Schweitzer

Aber was hätte es denn damals für Alternativen gegeben zu Durnwalder?

Benedikter

Na, Durnwalder ist für mich, um das auch zu sagen, bis heute trotzdem der richtige Mann gewesen. Der richtige Mann gewesen, weil er vor allem gegenüber Rom eine ganz klare harte Haltung, äh, sagen wir, da ist ihm dieses Diktatorische und dieses [Schweitzer: Poltern] dieses Poltern sehr zugute gekommen. Die haben einen riesen Respekt vor ihm gehabt und er hat da auf Grund der autonomen Zugeständnisse und auf Grund dieser internationalen Verankerung, die wir Österreich verdanken, und dem Pariser Vertrag, hat er sehr auftrumpfen können. Er war, er hat auch die Leute gut einwickeln können, wenn sie ihm einen Besuch in Südtirol gemacht haben.

Schweitzer

Ich war am Freitag bei ihm.

Benedikter

Ja, ja, er kann’s gut. Er persönlich hat er einen rauen Charme, er hat einen rauen Charme. Zu Kreisky wird er allerdings nicht viel sagen können, weil da null Kontakt war, also.

Schweitzer

Ich hab mir nur gedacht [?merkwürdig in dem Fall.]

Benedikter

Na, na, das war gut, das war sogar sehr gut. Weil dann können Sie sich ja ein Bild von ihm verschaffen. Weil ich bin nach wie vor der Meinung, ich bin auch diesbezüglich oft gefragt worden, ob ich bereue, dass ich ihn vorgeschlagen habe und für ihn so viel gearbeitet habe, hab ich gesagt nicht im Mindesten. Er war damals der beste Kandidat mit Abstand und er würde es auch heute sein, wenn er die Eigenschaft hätte bestimmte Positionen kritisch zu überdenken, etwas demokratischer zu denken. Weil ich, ich hab ihm auch einmal gesagt: "Luis" hab ich ihm gesagt, ich kann mich noch gut erinnern, meine Frau war entsetzt, dass ich es in der Nettigkeit gesagt hab, dann hab ich gesagt, na, ich hab’s ja eh nicht gesagt, net, ich mein ich polter nicht. Ich hab gesagt "Luis schau, du hast große Spuren hinterlassen positive und negative. Du weißt ja, dass ich ein paar Mal geschrieben hab, wo viel Licht ist, ist auch starker Schatten. Du warst in der Hinsicht immer fair, dass du gesagt hast, ich sei der einzige, der alles offen sagt und schreibt und dokumentiert, bei dir weiß ich wie ich dran bin, bei dir weiß ich, dass du es ehrlich meinst, wenn du mich lobst und meinst es ehrlich, wenn du mich kritisierst. Während andere drehen sich um, tun mir schön und kritisieren dann, net, und lästern über mich." Dann hab ich gesagt "na, das ist für mich nie ein Problem gewesen, auch wenn du der Meinung warst und wahrscheinlich bist", da war eine große Gruppe Journalisten und alle möglichen Leut. Und da hab ich halt verschiedene Dinge kritisiert und er hat das offenbar überhaupt nicht, wie sagt man in Österreich so schön, goutiert. Goutiert, net, ein Ausdruck den ich überhaupt net mag. Und dann hat er gesagt "ja mein Gott, der Hans ist halt geistig der überheblichste Mensch, den es in Südtirol gibt, net." Dann hab ich gesagt "ja, das wird schon so sein, ich meine. Aber a: von welcher Kanzel kommt die Predigt und zweitens, du hast die Macht und ich hab halt ein paar andere Eigenschaften, dass ich ein bissel weiter über den Alltag hinaus zu denken vermag. Und du weißt darüber hinaus, dass die Feder mächtiger ist als das Schwert." Und so sind wir verblieben, net. Und, äh, es ist schad, weil er wirklich ein starker Landeshauptmann war, und ich trauere ihm auch in irgendeiner Weise nach, net, weil ich der Meinung bin gegenüber Rom kann uns nie jemand so gut vertreten wie er es imstande war, net. Durch diese Mischung Härte und Charme - ich wickel die Italiener so wunderbar ein, die haben ja von ihm geschwärmt und so weiter. Er hat sicherlich ein paar tausend Stimmen nur von Italienern gekriegt, die kein anderer mehr kriegt. Und es ist schad, dass er sich so im Weg gestanden ist. Und man merkt auch, ... dass für Machtmenschen, für Praktiker, für Macher die Macht wirklich eine Droge ist, net, wirklich eine Droge. Und die Droge die hat eine Verführungs- und Abhängigkeitskunst unter Anführungszeichen, die auch erschreckende Ausmaße annehmen kann. Und ich hab einmal geschrieben, das hat er mir gegenüber net in den falschen Schlund gekriegt, aber er hat gesagt "du hast mir halt wahnsinnig geschadet". Dann hab ich gesagt "na, das wollte ich ganz bestimmt nicht, denn sonst hätt ich es ja überall sagen können". Aber ich bin halt der Meinung, dass man zu seinen Aussagen stehen soll, und das kann man nur durch eigene Artikel oder durch Interviews, weil dann alles schwarz auf weiß nachzulesen ist. Kann man nicht sagen, nein das hab ich nicht so gemeint, oder das ist verfälscht worden. Hab ich nie in meinem Leben gesagt, nie. Weil ich die Art hasse, wenn die Leute so tapfer sind und dann sagen, na, da bin ich, das ist aus dem Zusammenhang gerissen worden und das hab ich nie so gemeint und da bin ich missverstanden worden und so weiter. Ich hab geschrieben das Land wird ihm sicherlich in mancher Hinsicht nachtrauern aber gleichzeitig wird es cirka zehn Jahre lang brauchen, sich demokratisch zu erholen. Und so ist es ja auch. Weil ich hab Zeiten erlebt, wo man, äh, wo er [???] und die Leute haben sich dann nimmer getraut die Hand zu heben und dagegen zu stimmen, die Beschlüsse in der Landesregierung alle praktisch einstimmig. Die, die ... Und ich hab ihm gesagt "ich tu die Feigheit deiner Landesräte viel mehr kritisieren als deine Macht und deine Stärke und deine totalitäre Geisteshaltung. Weil die kann mitunter auch gutes bewirken." Dann hat er zu mir immer gesagt "ja Hans, ich red ja mit allen, ich red, ich bin kein schlechter Demokrat. Wie kannst denn du das behaupten, ich red ja mit allen". Sag ich "ja, reden tust schon mit allen, aber zuerst tust du allein entscheiden und dann tust mit anderen Leuten, mit deinen Mitarbeitern darüber reden, wenn vollendete Tatsachen geschaffen worden sind". Und das ist schlecht, ich meine, weil die Demokratie baut bekanntlich, die ist nicht die umgekehrte, auf den Kopf gestellte Pyramide. Und das ist, überhaupt, mein Gott ... Nehmen wir den Berlusconi, da ist es ganz gleich, wobei der Berlusconi, ah, schlecht abschneiden würde bei einem direkten Vergleich, weil der Durnwalder hat viel auch gut gemacht und viel in Bewegung gebracht und hat seine Pranke hinterlassen. Und ich bin persönlich ein bissel traurig, dass er jetzt einen eher schlechten Abgang hat. Bin ich traurig, weil den hat er nicht verdient. Ich hab ihm zu seinem 70. Geburtstag einen Artikel geschrieben, wo ich versucht hab alles sehr ausgewogen darzustellen. Wie gesagt, wo viel Licht ist starker Schatten, er ist zwar ein Machiavelli, aber bekanntlich hat der Fürst Machiavelli auch viele guten Eigenschaften gehabt und er ist ebenso entscheidungsfreudig und hat Gefühl für bestimmte Situationen. Und aber halt große Defizite, Umweltschutz, große Defizite bei anderen ... Hab geschrieben, dass er persönlich sehr sozial eingestellt ist, dass das die Leute gar nicht wissen, und effektiv ist er es auch, weil wenn jemand, sagen wir, in Not ist oder so oder Hilfe braucht, dann ist er eher da als der zuständige Landesrat. Nur um das auch zu sagen. Und ...

Schweitzer

Ich denk mir halt in gewisser Weise, also wenn man sich jetzt diese Leute anschaut aus den Sechzigerjahren, also da gab’s einen Brugger, es gab einen Dietl, es gab einen Magnago, also es gab viele starke Persönlichkeiten, die wahrscheinlich oder möglicherweise nicht so machtbesessen waren. Aber trotzdem, in der Generation von Durnwalder gab es keine Äquivalente.

Benedikter

Weil er auch keine hat aufkommen lassen.

Schweitzer

Weil er keine zugelassen hat.

Benedikter

Also er hat keinen aufkommen lassen und hat sich, und das war auch einer meiner großen Kritikpunkte, wenn es möglich war schwache Landesräte geholt, damit sein Stern umso heller erstrahlt. Starke Leute dulden [Schweitzer: das ist bekannt] keine starke Umgebung sondern eher so Leute die froh sind, dass sie den Job gekriegt haben mit der guten Bezahlung und mit den Privilegien, die damit zusammenhängen. Denn ich weiß einmal, grad, da sind wir drüben gesessen, haben einen wunderbaren Fisch gegessen, und dann sagt er mir "du Hans, hast du irgendeinen guten Vorschlag für einen Umweltlandesrat, weil mir fallt einfach niemand ein". Dann hab ich gesagt "erstens, wenn ich dir einen vorschlag, dann machst du ihn eh net dazu, weil du ganz genau weißt, dass ich ... Zweitens nenn ich dir noch keinen Namen sondern umreiß das Feld." Da war er noch mit seiner ersten Frau verheiratet, und die hat gesagt, er lasst sich von niemand mehr was sagen, also völlig verstockt, rund um ihn nur Schmeichler und Speichellecker und Höflinge, ich hab es auch so bezeichnet: Speichellecker, Schmeichler, Höflinge, war auch wieder wortwörtlich in einem Interview. Und bin auch damit richtig gefahren. "Und der einzige von dem er sich hie und da noch ein bissel beeinflussen lasst bist du." Dann hab ich gesagt "Gerda mach dir keine Illusionen. Vor mir hat er einen bestimmten Respekt und eine bestimmt Achtung und er weiß, dass ich ein unabhängiger Kopf bin und dass ich das sag, wovon ich überzeugt bin, er schätzt die Ehrlichkeit, aber beeinflussen, also da mach ich mir nicht die geringste Illusion". Und dann um zurückzukommen, dann hab ich gesagt "schau," hab ich gesagt, "du hast bis jetzt seit du im Amt bist eine extrem wirtschaftsfreundliche Politik betreiben. Die Wirtschaft ist gefördert worden, man hat ihnen die Milliarden, obszön gesagt, hinten hineingesteckt. Und das was auf der Strecke bleibt ist die Umwelt, und eigentlich müsste ich dich daran erinnern, dass du einmal Obmann und starker Mann des Bauernbundes warst und weißt, dass die Grünflächen und das bebaubare Land und alles was mit dem Begriff Paradies zu tun hat, nicht vermehrbar sind. Da kann ich nicht sagen so, ich beschließ jetzt, dass diese Flächen multipliziert oder hoch 3 gerechnet werden. Das ist nicht der Fall". Ich hab gesagt "wenn eine Alm verbaut wird und so weiter, dann ist sie verbaut und sie wird nie wieder das sein, was sie einmal war. Und deswegen brauchert’s da einen Fanatiker", hab ich gesagt. Und dann hat der gefragt "wen?" Dann hab ich gesagt "ja, den Hubert Frasnelli" und der Hubert Frasnelli war der Intimfeind von mir, wirklich, also ein Mann, der so, also es war bekannt, dass wir, also. Wenn der einen den Namen des anderen gehört hat, hat er sich bekreuzigt und hat gesagt muss man das halt passieren, da läuft es schief. Und da hat er gesagt "und du schlagst mir den Hubert Frasnelli vor!" sag ich "ja, und zwar aus Überzeugung, weil auch wenn ich ihn nicht leiden mag und auch wenn ich ihn für einen miesen Charakter halt und für einen großen Opportunisten, er kann kämpfen, er ist fleißig und vor allem ist er ein Fanatiker. Und für dieses Amt und nur für dieses Amt braucht es einen Fanatiker, da braucht es einen [???] der für die Umwelt mit gezogenem Schwert in die Schlacht geht, weil er sowieso es schwer hat." Da hat er gesagt "a, dann mach ich überhaupt keinen dazu." Dann hab ich gesagt "ja, ja, das ist die logische Konsequenz". Ich hab ja gewusst, net, ich mein, er hat gesagt "du bist ja bocknarrisch worden" und ich will gar nicht wiedergeben, wie das aufgenommen worden ist. Und, und ich bin ja überzeugt, wenn er klug gewesen wäre hätt er ihn dazu gemacht, weil wenn man net fähig ist auch bestimmte positive Seiten der ärgsten Gegner anzuerkennen, ist man eigentlich irgendwo kleinkariert, und hat ein Weltbild, klein oder groß, das durch Vorhänge oder durch Wände beeinträchtigt wird. Und das sind eben seine, seine Grenzen und seine Handicaps. Und, na ja, ich mein das ist halt so, ich meine, wenn ich daran denk, der Wallnöver war gleich wie der, gleich wie der Durnwalder, net. Ganz unterschiedlich vom Magnago, der ein großer Demokrat war, wirklich ein großer Demokrat und in der Hinsicht und auch in anderer Hinsicht trauere ich ihm immer noch nach, obwohl ich die meiste Zeit in Opposition war, aber ich trauere ihm immer noch nach, weil das so ein Mann war mit festen Grundsätzen, aber geistig doch so elastisch ... Zum Beispiel wenn man, ich weiß verschiedene Leut haben mit manchen Landesräten bei irgendeiner Sache Schwierigkeiten gehabt, hab ich gesagt "geh zum Magnago". Haben sie gesagt "das nutzt dir gar nichts, der lasst sich da nicht beeinflussen". Hab ich gesagt "ja, der hat so einen Gerechtigkeitssinn, geh zu ihm und schildere ihm den Fall wie er wirklich war, mit den Unterlagen die da ...". Und er hat oft dann wirklich, net oft, das ist übertrieben, aber nicht selten zum Beispiel gegen Alfons Benedikter entschieden, der fuchsteufelswild war und der gesagt hat "ich mach dir nichts mehr und so weiter". Weil er ein starker Parteiobmann aber ein schwacher Landeshauptmann, weil, weil er so mit der Bürokratie eigentlich nicht viel auf dem Hut gehabt hat. Er war im Repräsentieren so als fleischgewordene Tragödie Südtirols und so weiter, war er großartig. Aber, wie gesagt, absolut glaubwürdig und absolut ehrlich und fest in seinen Grundsätzen und mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet, für Umwelt immens aufgeschlossen. Der Alfons Benedikter hätt sich ja nie durchsetzen können, wenn ihn der Magnago nicht, weil gegen ihn war ja, ist die ganze Lobby vorgegangen. Nur war er, der Alfons, zum Unterschied von mir, ist er so ein Bock ein bissel, net so, geistig ungeheuer gscheit, also geistig ungeheuer entwickelt, gscheit, ein lebendes Archiv und der beste Autonomiepolitiker den es sicherlich überhaupt gegeben hat in der Nachkriegsgeschichte. Aber sonst verkrampft und [Schweitzer: verbissen], ja und ein schwieriger, schwieriger Mensch, net. Und, es war so nett einmal, ich war in Rom und er ist wie oft runtergefahren, und wir stoßen ohne dass wir Kontakt gehabt haben, zusammen. Beide waren sehr verblüfft, dass sie praktisch ums Eck zsammrennen, und er fangt sofort wortwörtlich so an: "Gehörst du auch zu jenen Verrätern, die des und des und so weiter befürworten?" Dann sag ich "ja natürlich, ich gehör absolut zu jenen Verrätern, die das und das befürworten, und ich gib dir ganz eine einfache Erklärung, weil ich davon überzeugt bin. Und was mir weniger gefällt Alfons, ist dass du Gegner in einer Sachfrage als Verräter bezeichnest, das find ich nicht nur übertrieben, sondern auch wenig hilfreich für die gemeinsame Sache. Und das zweite, wir sind ja eng verwandt, und eigentlich müsste man sagen: griaß di, wia gehts, guat dass ma uns sehen und so weiter." Er hat sich umgedreht und ist weggegangen, ja. Und ich hab das, wie er dann gestorben ist, bin ich von der Familie, ich hab zu ihm so recht ein gutes Verhältnis gehabt, net ein enges, aber ... Mein Gott, wir waren grund-, grundverschieden, grundverschieden, net. Und er hat oft gesagt "wenn wir da zusammengewirkt hätten dann hätten wir eigentlich das Land erobern können". Dann hab ich gesagt "schau, wenn du nicht so stur gewesen wärst die ganze Zeit, hätten wir zusammenwirken können, aber das war nicht möglich". Weil wenn man immer Recht haben will, und wenn der eigene Kopf durch alle Wände geht, sogar durch Wände, die gar nicht existieren, dann sträubt sich in mir alles. Weil ich bin ein Mensch, dialektisch geprägt, kritisch geprägt, aufgeschlossen, ich weiß meine Vorzüge richtig einzuschätzen aber gleich, die gleich großen Mängel, Defizite, Unzulänglichkeiten und so weiter. Und hab deswegen immer ein sehr, gut ausgependeltes Selbstbewusstsein gehabt, weil ich gewusst hab das kann ich und das kann ich nicht, [WiKi TimeCode 02:44:09-0] oder ich meine, das kann ich gut und das kann ich weniger gut. Und bin ich von der Familie aufgefordert worden also in, für ein Buch einen Artikel zu schreiben, wo ich meine persönlichen Erinnerungen ..., und da hab ich das einegeschrieben, ganz genau hab ich das einegeschrieben, aber zugleich gesagt mein Gott, er war halt der große Pionier für den Umweltschutz und er war der große Mann für die Autonomie und so weiter, und dadurch ist alles ausgependelt worden, net. Aber das hab ich getan, weil ich hab mich verpflichtet gefühlt um zu sagen, warum ist ein so hoch intelligenter Mensch so ein Sturkopf, net, so ein, ein, wie ein trotziges Kind, ich meine, der nicht imstande ist eine andere Meinung gelten zu lassen, wenn sie sich von seiner unterscheidet.

Schweitzer

Aber war er das immer schon oder ist er das durch diese Kämpfe ...

Benedikter

Na, immer, immer gewesen, das ist in seinem Wesen drinnen. Das ist in seinem Wesen, mein Gott, wir sind, die Benedikter sind ja alle eine Sippe und da ist die, pff, der tolerante Flügel, da ist zum Beispiel meine Schwester, die im Kloster war, Leiterin von, von der, von einem großen Mädcheninstitut, wo sie auch unterrichtet hat, und die ist genau so wie ich, tolerant und aufgeschlossen, bescheiden in der Art und Weise, also net, das unterscheidet sie natürlich von meiner intellektuellen Überheblichkeit, net, die ich effektiv hab, das muss ich zugeben, und ein bissel kokettier ich damit und ein bissel bin ich traurig, dass ich sie halt hab, net, ich meine. Dass man das Gefühl hat man weiß ein bissel mehr und mein weiß ein bissel manche Dinge besser, aber ich mach nichts draus, ich geh damit net spazieren, ich halt keine Selbstbeschauungsvorträge und so weiter, absolut nicht. Die ist zum Beispiel so gewickelt und die anderen, die andere Linie, ist stur. Der Vater von ihm war Bürgermeister in Schlanders und ein Diktator, Diktator. Der hat gesagt, da ist es um eine Brücke gegangen über irgendeinen Bach oder was weiß Gott, und die wollten sie halt net, und da hat er gesagt "ob da a Bach ist oder net, oder, die Brücke wird gebaut" hat er gesagt und mit der Faust auf den Tisch gehaut, net, also ob da a Bach ist oder net, sie würde trotzdem gebaut, net. Also so ähnlich hab ich es halt in Erinnerung, net, ich meine. Und halt so, so dieser Dorfkaiser, dieser Gemeindekaiser, Gemeindezar. Und ich war unfreiwillig, weil sie, mit Verbindungen in Bozen über, in Bozen ... Und sie haben Gemeindekrise drinnen gehabt gleich nach der Wiedergründung, weil während der Zeit des Faschismus war die Gemeinde aufgelöst und ist zum Ahrntal geschlagen worden. Und da haben sie einen Bürgermeister gewählt und der war auch so eine Art Dorfkaiser, net, und hat halt net recht schöne Dinge aufgeführt nebenbei. Und dann haben sie, obwohl er ein mächtiger Mann war, weil er Vorsitzender vom KVW [Katholischer Verband der Werktätigen] , und der war damals eine Großmacht, im Pustertal war, haben sie ihn mit einer Zweidrittelmehrheit abgewählt. Dann war einmal ein langes Interregnum, net, und dann plötzlich, ich bin, Prettau ist ja das Dorf das von Bozen am weitesten entfernt ist, Großvenediger, also, Hohe Tauern, Goldgräbergebiet und so weiter, wunderschön nebenbei. Und da ist, da hab ich meinen kranken Onkel besucht, und natürlich meine über alles geliebte Mutter und meine Schwester, mit der ich so ein gutes Verhältnis gehabt hab, jetzt ist sie leider Gottes, hört fast nichts mehr, ist dement, und ich leid unendlich. Ein ganzes Leben lang hab ich mit ihr nie die kleinste Meinungsverschiedenheit gehabt. [Schweitzer: Wirklich?] Nie, nie. Und das war wie gesagt zwischen Geschwistern wirklich eine große Liebe, weil sie für mich Ersatzmutter war, weil meine Mutter hat erst im Alter dann etwas Zeit gehabt und hat Gott sei Dank ein schönes Alter gehabt, ein schönes Alter erlebt, net. Und ... da komm ich plötzlich in die Stube, sechs, sieben Leut, und haben gesagt, sie müssen mit mir reden. Dann hab ich gesagt "ja worüber halt ja" - "Du musst uns den Bürgermeister machen". Da hab ich gesagt "ihr seids ja bocknarrisch, ich bin in Bozen. Ich bin in Bozen und hab so viele Aufgaben und bin parteipolitisch und Ding". - "Ja, aber du kennst die ganzen Landesräte so gut, bist mit ihnen per du, mit ihnen befreundet, und du kannst für unsere Gemeinde viel Geld holen". Deswegen haben sie mich eigentlich, eigentlich wollen. Hab ich gesagt "ja das kann ich schon aber ich mag nicht". Und meine Mutter, der ich praktisch nie einen Wunsch hab abschlagen können, hat gesagt "Na Hansel, tu es ihnen halt und schau, und wenn sie schon kommen und was weiß Gott net". Und dann hab ich gesagt "nein schau, ich kann das einfach net, weil, weil ich würd mich zeitlich übernehmen und dann diese riesen Distanz und bei jedem Wetter, weil am Wochenende miassat ich dann immer einefahrn, und bei jedem Wetter, und i hab Familie, oder ich möcht eine Familie", ich war damals schon verbandelt und wollt heiraten und Kinder kriegen und, ah, im Sinne von Planung, Programmierung, wo immer alles falsch läuft, aber. Und dann haben sie, die Prettauer, die, da war früher ein großes Kupferbergwerk drinnen, das zweitgrößte von der ganzen Monarchie, und da waren viele lutherische Bergknappen, net, ja. Und das ist interessant, dass man heute noch in Prettau ganz genau weiß das ist der Nachkomme von einem Lutherischen, aufgeschlossen, vif, lebendig und so weiter oder die einheimische Bevölkerung, verschlafen ein bissel, träge ein bissel, modrig und so weiter, aber gutmütig und so, und das andere waren halt die "Rafer", die wegen jeder Kleinigkeit gleich im übertragenen Sinn zum Messer gegriffen haben. Und der langen Rede kurzer Sinn, sie haben ganz vif, ohne mir ein Wort zu sagen, ohne mich zu benachrichtigen, Vorwahlen abgehalten, und haben mich so durchgewählt, [Schweitzer: Dass Sie nimmer na sagen haben können.] Ich hab nimmer na sagen können, weil das war so ein überwältigender Vertrauensbeweis. Dann, ich konnte einfach nicht mehr na sagen und hab es gemacht. Und eines meiner Erlebnisse muss ich auch noch schnell anbringen, weil es im Rahmen dieses Gespräches eigentlich gut zu den anderen Themen passt, war, dass das Kupferbergwerk gerade damals aufgelassen worden ist, weil das Kupfer hat keinen Preis mehr gehabt, aus Chile ist ganz billiges gekommen. Und obwohl, mit einem Schlag sind über 50 Leute arbeitslos geworden, das war eine riesen Tragödie, net. Und dann spaziert eines Tages ein feiner Herr, ein fein gekleideter Herr bei mir drinnen in die Amtsstube und sagt, er möchte mit mir reden, hab ich gesagt, gerne, worum geht es? Ja er sei Schweizer Unternehmer und er möchte eine große Investition tätigen. Und ich hab mir gedacht, ja Gott sei Dank, net, dann kriegen die Leute wieder Arbeit, indem er einen großen Schilift durch das Röttal in Richtung Dreiherrnspitze baut. Das schönste Tal überhaupt, net. Ich hab ihn so angeschaut und hab gesagt "da san sie zum falschen Mann, am falschen Tag, zum falschen Zeitpunkt und mit der falschen Idee gekommen. Denn lieber würd ich mir einen Arm abhacken als dafür eine Genehmigung auszustellen." Dann hat der gesagt, "ja aber das kann man doch nicht machen, und das sorgt für so und so viele Arbeitsplätze," und was weiß Gott, net. Ich hab dann, obwohl ich eine riesen Mehrheit gehabt hab, einen harten Stand gekriegt, weil die Leute im Gemeinderat gesagt haben, ja und das kann man doch nicht ablehnen, und die Arbeitsplätze, und hin und her und so weiter. Und ich hab gesagt "na, da führt kein Weg vorbei, ihr könnts mich ja abwählen", das hat niemand getan, aber ich hab eine zuverlässige Mehrheit im Kern immer gehabt, net, fast zwei Drittel und meist mehr. Aber da sind ein paar halt abgesplittert, aber es hat gereicht. Der Mann ist dann bankrott gegangen. und jetzt würden wir, auf dieser Ruine sitzen geblieben, wären wir auf dieser Ruine, auf dieser Bauruine sitzen geblieben, die Landschaft wär endgültig verschandelt worden und so weiter. Und ich glaub, dass sich in Grundsatzfragen eine gestimmte Konsequenz einfach auszahlt, net. Und wenn man, man macht im Leben sowieso eine ganze Menge Fehler, net und, aber das sind die einzigen Dinge, die einem vielleicht eine gewisse Berechtigung geben in den Spiegel zu schauen und zu denken, eigentlich ist doch das Meiste gut gegangen, net. Und das ist ein schönes Gefühl.

Schweitzer

So wenig werden es schon nicht sein.

Benedikter

Na, doch, doch, mein Gott, es ist so, es ist so ... Net dass man arg viel falsch gemacht hätte, es sind die ungenützten Gelegenheiten, das was man heut zum Beispiel leid tut, dass man gewisse Leute so wenig, man hat auch nicht die Zeit gehabt, aber dass man gewisse Leute so wenig betreut hat. Dass man gewisse, äh, Ideen nicht weiter verfolgt hat, weil man eben von zu vielen Dingen zugeschüttet worden ist und so. Das ist mehr, die ungenützten Gelegenheiten, net.

Schweitzer

Ja aber alleine kann man auch nicht alles machen.

Benedikter

Ja, ja, aber, wenn man geistig überheblich ist denkt man, man kann es. Aber ich bin, weil ich auf meinen Cousin oder auf den Durnwalder zu sprechen gekommen bin, ich hab immer genau das Gegenteil gemacht. Ich hab zum Beispiel als erster Landesjugendreferent vor jeder Entscheidung alle Mitarbeiter informiert, aber bevor sie getroffen war, bevor sie getroffen worden ist. Und aus dem Grund sind wir eben so mächtig geworden, net, heute ist die Jugend ja net amal a, wie soll ich denn sagen, ich sag Papiertiger. Wir waren damals wirklich so einflussreich durch die Kritik an der eigenen Partei, an der eigenen Landesregierung, waren wir eben auch ein Faktor, an dem niemand hat vorbeikönnen hat. Weil ein Journalist hat dann fürs Fernsehen, hat er gesagt "Herr Dr. Benedikter, was machen Sie eigentlich mit so viel Macht?" Dann hab ich gesagt "indem ich sie nicht gebrauche, net, ich brauch keine Macht, net. Wenn Ideen gut sind setzen sie sich durch und wenn Ideen nicht gut sind, dann sind sie eh flüchtige Dinge die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten". Und warum hab ich über so vieles geredet, auch um zu erklären wie sehr mich ein Mann wie Bruno Kreisky oder ein Professor wie Engel-Jánosi oder eine Peter Brugger und auch der Alois Mock, mit dem ich auch ein ganz ein anderes Verhältnis gehabt hab, weil wir auch befreundet waren und, und sagen wir das Politische nicht im Vordergrund gestanden hat, obwohl wir auch politisch gut zusammengearbeitet haben, sondern das Private im Vordergrund war. Wie sehr mich solche Leute beeinflusst haben, net. Und davon zehre ich heute noch und ich hab zum Beispiel etwas getan, eines der wenigen Dinge auf die ich wirklich stolz bin, ... Als Landesjugendreferent hab ich immer bei den Veranstaltungen gesagt, also, es war abends, und es ist alles neu gegründet worden, alles in Gärung und alles im Aufbruch und so weiter, riesen Aufbruchstimmung, und ich bin ein, und waren damals, die Versammlungen noch sehr, sehr gut besucht worden, über, ich hab den Ruf gehabt gut, der beste Redner des Landes zu sein, und ob ich es war weiß ich net, selber kann man sich ja diese Dinge nicht zuschreiben. Aber, auf jeden Fall sind ziemlich viele Leute zu den Versammlungen gekommen, junge, auch hie und da ältere, die mit der Jugend selber nichts mehr zu tun gehabt haben. Und ich bin einegekommen und hab gesagt "Guten Morgen". Da haben sie mich so angeschaut und haben gedacht, der verwechselt irgendwas, net. "Guten Morgen", hab ich noch einmal gesagt, und da haben sie sich gedacht, der spinnt, net. Dann hab ich gesagt "Guten Morgen, wachts endlich auf. Wir müssen im Land eine Revolution hervorrufen, weil des und des und des und des net gut geht. Die Jugend braucht ein Mitspracherecht und sie muss ein Mitentscheidungsrecht haben. Und wir sind die Zukunft." Und so weiter, und da haben sie auch Forderungen gebracht und das war ein riesen Jubel und so weiter. Und das war so der Einstieg, so ganz anders als man es gewohnt war, net. Und da hab ich auch gesagt, kann ich mich erinnern, wie alle schon gerechnet haben, dass ich halt kandidier, und ich war von der Unterstützung der Jugend auch gar nicht mehr abhängig, sondern längst darüber hinaus autonom. Hab ich bei den Versammlungen in der Jugend, aber nicht nur in der Jugend, immer gesagt "ich werd, wenn ich gewählt werden sollte, maximal 20 Jahre das Mandat ausüben, nicht mehr". Geglaubt hat’s mir niemand, niemand. Und wie hab ich’s begründet? Ich hab gesagt "normal ist es bei uns so, dass jemand entweder im Amt stirbt und tot aus dem Saal getragen werden muss, oder am Amt so hängt und nicht mehr loslassen kann, und die Leute dann sagen - endlich. Anstatt dass sie sagen würden - schad um ihn." Geglaubt wie gesagt kein Mensch, nicht einmal die engste Umgebung, die haben gedacht jetzt redet er groß und dann wird er es machen wie alle anderer, net. Dann ist der Moment gekommen, ich war 20 Jahre im Amt, und meine Frau hat auch nichts gewusst. Und jeder hat mit der Wiederkandidatur gerechnet, ich bin auch von den Parteigremien vorgeschlagen worden, die "Dolomiten", die mir gar nicht gut gesinnt waren, um es vorsichtig zu formulieren ...

Schweitzer

Ich wollt gerade sagen, das geht nicht wirklich gut zusammen Dolomiten uns Sie ...

Benedikter

Die hat geschrieben, wie kann man nur, net. Und ich hab gesagt ich kandidiere nicht mehr. Und die Dolomiten hat dann einen großen Artikel gebracht, ja Überraschung und so weiter, Benedikter kandidiert nicht mehr. Und hat geschrieben, ich hab das Mandat sicher in der Tasche bekommen, wie kann man eigentlich nur so doof sein auf so viel Macht und Geld und Privilegien und so weiter zu verzichten. Meine Frau, der ich nichts gesagt hab, net, weil ich gewusst hab wie sie reagieren wird, die hat auch gesagt "a bissel deppert ist ja guat, aber net unbedingt, und die wirst den Schritt bereuen, Du wirst sehen" und so weiter. Und ich bin heute froh, dass ich ihn gemacht hab, ich hab den Schritt nie bereut. Ich hab ihn dazu genützt tausend andere Dinge zu entdecken und es war das Klügste, was ich jemals getan hat, weil die Leute heute noch sagen, hie und da begegnet man ja so alten Mitkämpfern und die da sagen, na schad, die tät's brauchen und so weiter. Das tut gut, das tut gut. [Schweitzer: Ja das glaub ich, auf jeden Fall] Weil man auch merkt, dass es ehrlich gemeint ist und ich bin aus der, ich hab mit dem Mandat alle Ämter zurückgelegt, alle ohne Ausnahme. Der Durnwalder hat mich dann getroffen und hat gesagt "bist übergeschnappt, net?" War auch wieder am Walterplatz, net. "Bist übergeschnappt, was willst jetzt. Brauchst nur zu sagen, ich kann dich zum Chefredakteur der Zeitung X machen, ich kann dich zum Chef der RAI machen, also von unserer RAI da, ich kann dir die Europäische Akademie den Vorsitz anbieten". Ich hab ihn so ang’schaut und hab gesagt "wenn ich freiwillig auf ein Parlamentsmandat, das ich in der Tasche gehabt hätte, verzichte, meinst du wirklich, dass ich mich dann in Abhängigkeiten eines anderen Amtes von deines Gunsten begeb?" Und hab nichts angenommen. Und bin auch in der Hinsicht der weiße Rabe, weil alle versorgt werden wollen. Ich hab, sogar wie, auch bei vielen anderen Gelegenheiten, in Prettau war eine Gemeindekrise und da hat er mich angerufen und gesagt "Hans, das kannst machen, weil das ist wirklich mit keinem Vorteil sondern lei mit Ärger verbunden". Hab ich gesagt "na, auch das nehm ich nicht an". Hat er gesagt "es ist ja dein Heimatdorf", ja, aber es ist etwas, was ich, wo die Leute sagen würden, das hat er jetzt wollen oder angenommen um noch eine Rolle zu spielen und so weiter und das hab ich nicht notwendig, net. Und in der Hinsicht muss ich wirklich sagen [Schweitzer: Konsequent], da bin ich froh, dass ich so gehandelt hab, net.

Schweitzer

Na, es ist eher sehr bewundernswert eigentlich. [Benedikter: Na, bewundernswert net] Ja irgendwo schon, wenn jemand so konsequent ...

Benedikter

Es ist so, ich hab gewusst, was zum Beispiel meine engste Umgebung, auch die Familie, nicht gewusst hat, dass ich so unendlich viele Interessen hab, und einmal frei sein wollte auch, frei, dass ich einmal ein bissel mich in der Welt bewegen kann. Ich bin früher schon viel herumgefahren, dann hab ich es nach eigenem Ermessen tun können und nicht nach dem Parlamentskalender, und kenn eigentlich die Welt recht gut und, ah. Sagen wir, ich hab die Zeit gut genützt und freu mich, dass ich wenigstens diese Entscheidung richtig getroffen hab, ich sag wenigstens, net, weil man wie gesagt auch sehr vieles, na ja, falschen Leuten vertraut, viel für Leute eingesetzt, deren Undank im Verhältnis gigantisch war, viele menschliche Enttäuschungen erlebt, die gehören offenbar dazu zum Leben, net. Ja, die gehören zum Leben dazu. Mir hat einer, der mir seine wirkliche Existenz verdankt, net, gesagt "Dankbarkeit hat in der Politik nichts zu suchen". Dann hab ich gesagt, "ja normaler Weise, ich erwart ja gar keine Dankbarkeit, aber normaler Weise, wenn Du schon das offen aussprichst, ist es so, dass Menschen in der Politik tätig sind. Und Menschen sollten eigentlich die Kardinalstugenden etwas pflegen, net, und net sie auf den Kopf stellen sozusagen".

Schweitzer

Ja, beziehungsweise man kann selber entscheiden ob Dankbarkeit in der Politik wieder eine Rolle spielen soll.

Benedikter

Ja, mir hat jemand einmal gesagt, zu den wenigen Ausnahmen gehört, um jemand, der für einen viel getan hat, dankbar sein zu können, da braucht es einen starken Charakter. Weil alle anderen müssen so tun als ob sie das selbst gemacht hätten, net, ja, ja.

Schweitzer

Ja ich find ja eigentlich, dass das jetzt ein schönes Schlusswort für heute war. Herr Dr. Benedikter, wir haben ... [Benedikter: Ma, wissen Sie, dass wir ...] is es halb Sieben [Benedikter: es ist fast halb sieben]. Wahnsinn, ja. Ah, es war total spannend, äh, ich hätt ja vielleicht sogar den, den kleinen Anschlag an Sie, ob ich vielleicht net noch einmal wiederkommen dürfte? [Benedikter: Gern, gern.] Wenn ich wieder einmal in Südtirol bin, dass ich mich früh genug meld, und ob ich nicht noch einmal vorbeikommen könnte [Benedikter: Aber mit Freuden], dass wir das Gespräch weiterführen könnten. Weil es waren jetzt doch ein paar Sachen, wo ich mir denk, da würde ich gern noch ein bissel nachhaken ...

Benedikter

Ja, mir fallt da sicherlich noch eine ganze Menge ein, ja das ist ganz klar. Weil ich hab zwar ein relativ gutes Gedächtnis, aber natürlich merkt man, dass im fortgeschrittenen Alter, so müsste man sagen, äh, das Gehirn nur mehr jene Dinge speichert, die es im Moment notwendig gebraucht. Wenn ich zum Beispiel eine politische Hintergrundanalyse über irgendeinen Staat schreibe, wo nicht der Ist-Zustand entscheidend ist, sondern nur die Frage, wie wird sich dieses Land entwickeln, die Politik, die Innenpolitik, die Parteienpolitik uns so weiter, net. Wo es also um, äh, das Herausarbeiten einerseits von Strategie und Taktik auf Personen bezogen geht, andererseits um Hypothesen, die wahrscheinlich sind, aber nicht unbedingt zutreffen müssen, weil man liegt, manche Dinge beurteilt man falsch, und dann liegt man halt in einem Punkt daneben. Und auch wenn man so Intarsienarbeit betreibt mit Dominosteinen uns so weiter, und ein lückenloses Bild sich herausstellt auf Grund der vielen Steine, die man zusammenfügt, braucht man nur einen Stein falsch setzen, und das ganze Bild kann falsch sein. Und da merk ich zum Beispiel ganz klar, dass man im Moment wo man, wo man über diese Dinge schreibt, da weiß man alles, jeden Namen, jeden Zusammenhang, alles weiß man. Eine Woche später hat man die Hälfte vergessen, kann sich an bestimmte Namen nicht mehr erinnern, weil schon andere Eindrücke wieder. Und Dinge, die für einen nicht mehr wichtig sind, werden von der Gehirnhälfte, die zuständig ist, die man zwar trainieren kann, aber die automatisch im Alter abbaut, net. Und wenn man, ah, der Grillparzer hat’s ja so schön gesagt, im Traum ein Leben, wir spielen alle, nur wer dies weiß, ist klug. Und ich weiß, dass das ein ganz ein normaler Prozess ist mit dem man einfach leben muss, und deswegen fallen einem Namen nicht ein hie und da und man kann gewisse Dinge, die hab ich nie können, zeitlich nicht genau festzurren und einordnen. Aber Sie sind immer willkommen [Schweitzer: Sehr schön] sollt ich noch leben, net ich mein. [Schweitzer: Ja das wollen wir ja doch hoffen.] Ja man weiß es nicht. Auch das ist ein großes Fragezeichen, weil mein Gott. Wenn ich vor etwas nicht Angst gehabt hab in meinem Leben, dann ist es vor dem Tod. [Schweitzer: Ja, das haben Sie gesagt.] Ja, überhaupt nicht, überhaupt nicht. Ich hab Angst vor Schmerzen, vor Siechtum, hab auch schon verfügt, dass ich jeden, wenn ich danach aufwachen sollte, verfluche, der net den Stecker herauszieht, weil ich möcht einen würdigen Tod haben, das ist das Einzige ... Man kann über die Geburt, ob ich leben will, ob ich geboren werden will, kann man nicht entscheiden. Aber der Tod im Sinne von Rilke, dass jeder seinen eigenen, und ich sag, würdigen Tod haben soll, und dass das das letzte Grundrecht ist, deswegen war ich immer auch auf der Ebene für die, nicht nur für die passive Sterbehilfe, sondern wenn es klar ersichtlich wird durch Verfügungen, durch Willensbekundungen, auch für die aktive. Weil ich möcht zum Beispiel nie so dahinvegetieren, net, nie. [Schweitzer: Das versteh ich gut, ja.] Und da hab ich keine Angst, net, aber es kann sein, morgen fliegt man über eine Stiege und ist tot, übermorgen geht man zum Arzt und er sagt man hat Krebs in einem fortgeschrittenen, ist auch nichts dabei, ich hab auch da keine Angst, net. Vor Schmerzen ja, absolut, und ich wäre der erste, obwohl ich nicht sehr schmerzempfindlich bin, aber ich wäre der erste, der dem Arzt sagen würde "Sie verschreiben mir ein gutes Opiat und sonst kündige ich Dir alle Freundschaft der Welt", weil ich kenn ein paar gut. Und ich bin auch der Meinung, dass, wenn Leute sagen, ich bin 73 jetzt gewesen, wenn Leute sagen, ja wir wünschen dir ein langes Leben, sag ich "bitte wünschts mir nicht, wünschts mir ein paar gute Jahre." Das ist, die Qualität ist entscheidend, ein paar gute Jahre mit denen bin ich zufrieden. Ich würd sofort einen Teufelspakt schließen, sofort, fünf, drei bis fünf gute Jahre und dann soll es zu ende sein, net.

Schweitzer

Ja, aber da komm ich definitiv noch vorher noch vorbei.

Benedikter

Ich hoff’s, ich hoff’s, net, ich hoff’s.

Schweitzer

Na, es war wirklich sehr, sehr spannend, vielen herzlichen Dank.

Benedikter

Na, dafür brauchen Sie nichts zu danken.

Schweitzer

Doch, Sie haben sich jetzt drei Stunden für mich Zeit, über drei Stunden, genommen.

Benedikter

Das waren gute Stunden [Schweitzer: Ja das freut mich.] es war ein nettes Gespräch [Schweitzer: Das freut mich sehr.] und ich hab mein ganzes Herz ausschütten können, net, ich meine, man redet ja über diese Dinge selten, net. Ich meine, das hat auch ein bissel mit Vertrauen zu tun. Sie haben mir so nett geschrieben, net, na wirklich [Schweitzer: Das freut mich] na wirklich. Ich mein, ich hab den Brief, normalerweise schmeiß ich ja jeden Brief gleich weg.

Schweitzer

Sie werden wahrscheinlich viele kriegen, ja?

Benedikter

Immer noch, sagen wir, der Vorteil von mir ist, dass ich, obwohl ich schon lang von der aktiven Politik Abschied genommen habe, immer noch sehr präsent bin. Durch Stellungnahmen, durch Ideen, ich dräng mich net vor, ich sag viele Interviews ab und so weiter, mach mich sehr rar, mach mich sehr kostbar, weil ich weiß, dass man dann noch einigermaßen begehrt ist, net. Weil wenn man da so das Gefühl erzeugt, ja der will sich da noch ein bissel wichtig machen, der will noch dabei sein und so weiter, schrecklich, net. Ich mein, das hat man auch net notwendig, net. Weil das haben die Wichtigtuer notwendig, und die Wichtigtuer, habe ich einmal gesagt, tun nie etwas Wichtiges. Und Leute, die ein bissel in sich ruhen, die können alle Fehler der Welt haben, aber sie wissen wenigstens, dass sie einen winzigen Faktor irgendwo darstellen und das ist auch ein schönes Gefühl. Aber wie gesagt, Sie haben so nett geschrieben, dass ich mich gefreut hab, dass Sie gekommen sind. Ich wollt Sie anrufen, Sie sind mir zuvorgekommen, und das freut mich auch, net.

Schweitzer

Wir haben das glaube ich sehr gut geschafft.

Benedikter

Ja, und Sie haben gut hergefunden [Schweitzer: Ja, das war wunderbar] Sie sehen ja, dieser Turm da, das ist ein Wehrturm, net. Weil die Leute haben gesagt, was soll denn so ein Turm da, dann hab ich gesagt, ja das ist wenn ich mich endgültig von der Welt zurückziehe, dann mauere ich mich in diesen Turm ein und denk über vieles nach, auch über die eigenen Dummheiten und Unzulänglichkeiten. Ja aber der muss doch gestrichen werden, sag ich na, genau verwittert wie eine Almhütte, dann ist es so eine dunkle, so zum strahlend weißen Haus, ich meine, ist halt ein guter Gegensatz, net.

Schweitzer

Ja aber vielleicht sind Sie ja auch irgendwann in absehbarer Zeit in Wien. [Benedikter: Sehr selten] Da wär es natürlich auch fein, wenn Sie einmal bei uns im Archiv vorbeikommen. [Benedikter: Also wenn ich in Wien bin ...] Also wenn Sie in Wien sind, dann melden Sie sich, [Benedikter: Gerne, gerne] dann zeig ich Ihnen einmal das Vorwärts-Haus und das Kreisky-Archiv, das würd mich, da würd ich mich freuen drüber. [Benedikter: Doch, doch.] Aber [Benedikter: Das Angebot nimm ich gern an, weil ich ...] vielleicht haben Sie ja die Gelegenheit.

Benedikter

Nein es ist ja so, Wien ist ja nicht allzu weit und die Verkehrsverbindungen sind jetzt sehr gut, also von Innsbruck in fünf Stunden ist man in Wien. Ich hab noch, von meinen Zeiten, wie ich ein junger Tupf war und nach Seitenstetten kommen bin, haben wir noch eine ganze Nacht gebraucht und umsteigen müssen, in St. Valentin hat die sowjetische Besatzungszone, hat man über die Brücke rübergehen. Ich hab die erste Schokolade von einem weißrussischen Soldaten, da haben sie einen Deserteur gesucht mit aufgepflanztem Bajonett, ich war so ein kleines Bürbel, bin auf der Holzbank, weil da hat’s nur mehr die Holzbänke gegeben in St. Valentin. Und Niederösterreich und ein Teil von Wien, der sowjetisch besetzt war, dem ist es auch schrecklich, wirtschaftlich schrecklich gegangen. Damals hat man die österreichische Bundeshymne umgedichet, "Land der Erbsen, Land der Bohnen, Land der vier alliierten Zonen, Heimat bist du Österreich", ja, ja wirklich. Und der hat mir, da haben sie einen Deserteur gesucht, überall unter den Holzbänken herumgestochert, und dann ist der Soldat gekommen, hat gesehen wahrscheinlich, dass ich Angst hab oder irgendetwas, und hat mir über den Kopf gestreichelt, er war so ein blonder, großer Hüne, net, und hat mir ein Stück Schokolade gegeben. Und das war die erste Schokolade meines Lebens. Ich hab gar nicht gewusst was das ist, es war nur unbeschreiblich gut. Und ich kann mich erinnern, dann viel später noch, zwei Jahre später noch, hat mich einmal der spätere Abt von Seitenstetten gefragt, der war damals Konviktsleiter, wir haben so eine kleine, soviel Platz gehabt, net. ich mein ich war klein, aber wenn man die Arme ausgestreckt hat, dann hat man sofort einen [???] einegekriegt, weil ... Und der hat gesagt "Hans magst du ein Schnitzel?" Dann hab ich gefragt, was ist ein Schnitzel, ich hab es nicht gekannt, nicht. Und wie ich nach Seitenstetten gekommen bin, ich war bei den Sängerknaben, dadurch hab ich nichts zahlen müssen, ich hätt es mir sonst auch nicht leisten können. Dann waren zwei Dinge für mich so eindrucksvoll. Erstens wenn die, da war so die Hautevolee von Wien und so, und die haben gesagt, morgen kommt mich wieder mein Vati besuchen oder und so weiter. Hab ich mir gedacht, was ist eigentlich ein Vati, ich hab nie einen gekannt. Und das zweite was mich auch so beeindruckt hat, ich bin nach Seitenstetten gekommen aus dem hintersten Loch der Welt, hab die Professoren, hab so vorstehende Zähne gehabt, ein Hiatel auf, ganz alte Kleider natürlich und so weiter und war die Spottfigur für die ersten vier Monate, net. Und nach den ersten vier Monaten habe ich mich emanzipiert gehabt [Schweitzer: Da haben Sie sich durchgesetzt] und hab nciht nur durchgesetzt, sondern hab gezeigt, also wo der Bartel den Most holt, net. Weil ich da meine Ironie und meinen Sarkasmus und meinen Zynismus schon gut eingesetzt hab. Aber ich hab am Anfang die Professoren alle mit Du angeredet, die haben wirklich gemeint ich komm aus einer anderen Welt. Mein Spitzname war Gletscherfloh, net, und so weiter. Ich könnt ... Die Chinesen damals, die, wir waren 35 Tage unterwegs, kreuz und quer durch ganz China, die haben immer bei den Trinksprüchen gesagt "Mögen Sie ein interessantes Leben haben". Und ich hab mir gedacht, das ist eigentlich wunderbar, und hab’s dann einmal nachgelesen, warum sie das sagen. Sie sagen glücklich, das ist ein Zustand, nicht mehr, aber wer ein interessantes Leben hat, der hat wirklich Glück gehabt auch, der hat wirklich. Und das kann ich sagen, ein interessantes Leben hab ich gehabt, net, ich meine. Ich könnt drei Bücher darüber schreiben, bin auch schon aufgefordert worden, mach’s bewusst nicht, weil ich es peinlich finde sich selber da so wichtig zu nehmen und das zu erzählen und das zu erzählen, meist gerät man dann auch ein bissel in Versuchung, dass man, ah, manches ein bissel mit unfreiwillig oder freiwillig mit Kosmetik vermischt, oder manche Spuren zu verwischen versucht, und das tu ich mir nicht an, ganz sicher nicht, net. Weil das sind so Akte der kleinen Eitelkeit, die im Prinzip keinen Sinn haben. Es ist entscheidend was andere über einen denken, nicht wie man sich selber fühlt. So.

[Ende]



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