Fundstück des Monats November 2024

Das Bild zeigt das zwischen dem Palais Epstein und dem Parlament stehende Denkmal der Republik und erinnert an die Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich am 12. November 1918. Dieser Tag war von 1919 bis 1934 auch der offizielle Staatsfeiertag. Auf drei Marmorblöcken sind Bronzeköpfe von Jakob Reumann, dem ersten demokratisch gewählten Bürgermeister Wiens, Victor Adler, dem Parteigründer der SPÖ und Ferdinand Hanusch, dem Staatssekretär für Soziales in der Ersten Republik angebracht. Das Denkmal wurde 1928 errichtet und gilt seit jeher als Erinnerungsort der Sozialdemokratie. Nach dem Bürgerkrieg im Februar 1934 wurde es mit Kruckenkreuzfahnen verhüllt und mit einem provisorisch angebrachten Bildnis von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß versehen, danach abgetragen, beschädigt und im Wiener Stadion eingelagert. Nach dem Krieg wurde es restauriert, an seinem ursprünglichen Ort aufgestellt und am 12. November 1948 wieder feierlich enthüllt. Nicht zufällig hatte die SPÖ ihren jährlichen Parteitag gerade auf dieses Datum gelegt. Anlässlich des 30. Jahrestages der Ausrufung der Republik wurden an allen Wiener Schulen Feiern abgehalten, nach der dritten Unterrichtsstunde war schulfrei. Das Foto zeigt Mitglieder der Sozialistischen Jugend mit brennenden Fackeln, einem Symbol für Freiheit in den Händen. Die „Arbeiter-Zeitung" schrieb aus diesem Anlass: "Ein Meer von roten Fahnen umsäumte das gleichfalls von roten Fahnen umhüllte Denkmal, an dem die Anwesenden entblößten Hauptes vorüberzogen." Bürgermeister Körner nahm in seiner Ansprache Bezug auf die alliierten Besatzungsmächte:" Wenn Österreich eines Tages wieder frei sein wird, wenn die letzten Nöte des Krieges überwunden sein werden, wenn uns das Licht der Zukunft wieder leuchten wird, dann werden wir zum Denkmal unserer Republik ziehen und alt und jung, Mann und Frau sollen von ganzem Herzen einstimmen können in den Ruf: Es lebe die Republik!"

Signatur: 10/220, 8 x 13 cm

„Der Kampf um Wald und Weide" ist eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte des ländlichen Grundeigentums in Österreich. Geschrieben wurde sie 1925 von Otto Bauer. Er schildert darin die Entwicklung des Zugangs zu Grund und Boden, die Geschichte der Allmenden und Gemeinschaftsgüter. Er fordert eine am Gemeinwohl orientierte Sozialisierung von Wäldern und Großbetrieben, die Erhaltung kleinbäuerlichen Eigentums und Wirtschaftens sowie die Ausweitung und Demokratisierung der Commons.

100 Jahre später gibt es weiterhin umkämpfte Wälder und Weiden, die Welt steckt tief in Klima- und Biodiversitätskrisen. Gegenentwürfe zu industrialisierter Landwirtschaft sind notwendiger denn je. Was lässt sich von Bauers Text für die heutige Agrar- und Bodenpolitik lernen? Welche Rolle können alte und neue Commons darin spielen?

Darüber diskutieren Lisa Francesca Rail (Kultur- und Sozialanthropologin, Universität Wien & Herausgeberin der Neuauflage), Ernst Langthaler (Wirtschafts- und Sozialhistoriker, Johannes-Kepler-Universität Linz & Institut für Geschichte des ländlichen Raumes) und Franziskus Forster (politischer Referent der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer*innen Vereinigung). Es moderiert Lisa Bolyos.

BISHERIGE FUNDSTÜCKE:


Fundstück des Monats September 2024

Peter Jankowitsch gehörte zu den engsten MitarbeiterInnen Bruno Kreiskys und versorgte als Chefdelegierter Österreichs bei den Vereinten Nationen den Bundeskanzler laufend mit außenpolitisch relevanten Informationen. Im Februar 1976 berichtete er dem Bundeskanzler vom „überraschenden Aufstieg des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Jimmy Carter“ und legte ihm dessen Wahlprogramm bei, in dem zu lesen war: „The time of discrimination is over. No poor, rural, weak or black person should ever have to bear the additional burden of being deprived of the opportunity of an education, a job or simple justice.“ Im gezeigten vorgedruckten Kuvert bat Carter um Spendenschecks für seine Präsidentschaftskampagne, die beigelegt und retourniert werden sollten. Er gewann am 2. November 1976 mit 50,1 Prozent der Stimmen und 297 Wahlmännerstimmen gegen den republikanischen Amtsinhaber Gerald Ford mit 48,0 Prozent und 240 Wahlmännerstimmen im Electoral College.

Fundstück des Monats August 2024

Zum einjährigen Jubiläum der Gründung einer Frauen-Ruderriege innerhalb des Wiener Regatta-Vereins erschien 1933 eine Reportage in der Illustrierten „Wiener Bilder“. Eine Teilnehmerin berichtete darin von ihrem „ernsten Training“ an der Alten Donau: „Wir lernten Steuerbord und Backbord unterscheiden, Riemenboot und Stullboot kennen, erhielten eine gründliche bootsbautechnische und auch maritime Ausbildung, wurden am Schwingbock über die richtige Bewegung der Riemenführung unterrichtet und dann mit Gott aufs nasse Element losgelassen.“

Signatur: 1/863, 16 x 12 cm

Fundstück des Monats Juli 2024

1932 gewann die österreichische Nationalmannschaft den Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften, den Vorläufer der heutigen Europameisterschaft. Unter Kapitän Matthias Sindelar – hier ganz links auf dem Bild zu sehen – erlangte die Mannschaft den Status eines "Wunderteams". Sindelar wurde aufgrund seiner ausgefeilten Technik und eleganten Spielweise ohne Körperkontakt "der Papierene" genannt und genoss auch aufgrund seiner zahlreichen Werbeverträge enorme Popularität: Hier wird mit der Mannschaft für ein Mittel "gegen körperliche und geistige Übermüdung", abgegeben in Apotheken, geworben.
Am 7. Dezember 1932 trat Österreich in London gegen die englische Nationalmannschaft an, die bislang zu Hause ungeschlagen war – und für die kommenden 21 Jahre auch bleiben sollte. Die RAVAG (Radio-Verkehrs AG) übertrug das Spiel live auf den Wiener Heldenplatz. Interessanterweise brachte die 4:3 Niederlage Österreichs gegen England dem Team die größte Anerkennung ein. Auch die internationale Presse lobte das technisch hochstehende Spiel der Österreicher.
Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde die österreichische Nationalmannschaft aufgelöst. Sindelar wurde in die reichsdeutsche Nationalmannschaft einberufen, weigerte sich jedoch, für diese zu spielen. Mit einem "arisierten" Kaffeehaus versuchte er, sich ein zweites berufliches Standbein zu schaffen. Sindelar starb zu Beginn des Jahres 1939 unter ungeklärten Umständen. Bis heute wird an seinem Todestag eine Trauerfeier am Wiener Zentralfriedhof abgehalten.

Foto, 18 x 13 cm, Signatur 1/805

Fundstück des Monats Juni 2024

Die Anmerkung „Verschluss!“ am rechten oberen Rand eines versiegelten Kuverts bedeutete, dass der Akt damals geheimhaltungsbedürftige Tatsachen enthält. Derart gekennzeichnete Akten waren nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich und unterlagen bestimmten Sperrfristen. Heute handelt es sich um ein spannendes und leider grundsätzlich noch immer aktuelles Zeitdokument.
Das Gesprächsprotokoll des Wiener Diplomaten Hans Thalberg vom Juni 1974 betrifft ein Treffen von US-Präsident Richard Nixon mit US-Außenminister Henry Kissinger und Bundeskanzler Bruno Kreisky. In der gemeinsamen Diskussion der drei Staatsmänner ging es vorrangig um die Nahostpolitik der Bundesregierung. Kreisky war gerade von einer Fact-Finding-Mission der Sozialistischen Internationale im Nahen Osten zurückgekehrt. „Alle arabischen Führer befürworten einen Palästinenser-Staat,“ berichtete er, und weiter: „Die Palästinenser wollen nicht als Flüchtlinge, sondern als Palästinenser behandelt werden. Die Israelis begehen einen großen Fehler, wenn sie die Existenz eines palästinensischen Volkes leugnen.“ Am Ende des eineinhalbstündigen Gesprächs resummierte Nixon: „We do not want to embarrass the Soviet Union in the Mid-East; it so happens that the Soviet Union is entering the Mid-East but we are not pushing them in. We will provide for Israel´s security and for the security of the others. Step by step we will also do something for the Palestinians – if we can find out who they are.“
Im Juli 1979 organisierte Kreisky in Wien ein Treffen mit dem damaligen PLO-Chef Jassir Arafat und dem Präsidenten der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt, um über eine friedliche Lösung des Nahostproblems zu diskutieren. Kreisky war überzeugt davon, dass die Palästinenserfrage und die Siedlungspolitik Israels in den besetzten Gebieten ein schweres Hindernis für den Frieden seien. 1980 erkannte Österreich die PLO als erster westlicher Staat offiziell an.

Gesprächsprotokoll, 21 x 29 cm, X.3 Prominentenkorrespondenz, Box 43

Fundstück des Monats Mai 2024

Bei den Feierlichkeiten zum 1. Mai hat die Forderung nach gesetzlich geregelter Arbeitszeit eine lange Tradition: 1890 demonstrierten rund 100.000 Menschen in Wien die Einführung des 8-Stunden-Tages. 1919 beschloss der Nationalrat das Achtstundentagsgesetz und die 48-Stunden-Woche. 1969, also vor 55 Jahren, startete die SPÖ ein Volksbegehren zur Einführung der 40-Stunden-Woche, das von 889.659 Wahlberechtigten unterzeichnet wurde. Gewerkschaften und Wirtschaftskammer einigten sich daraufhin auf eine schrittweise Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit. Am 1. Jänner 1970 trat die 43-Stunden-Woche, ab 1972 die 42-Stunden Woche und ab 1975 die 40-Stunden-Woche in Kraft. Sie gilt bis heute, wobei auf kollektivvertraglicher Ebene ab 1985 für einige Branchen auch kürzere Wochenarbeitszeiten (z.B. 38 oder 38,5 Wochenstunden) vereinbart wurden. Mit der Arbeitszeitnovelle von 2018 wurde die zulässige Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden pro Woche ausgeweitet.

Wandzeitung aus dem Jahr 1969, 60x80cm, Signatur 100/251

Fundstück des Monats April 2024


Der persönliche Kontakt von PolitikerInnen mit der Bevölkerung ist ein Schlüsselinstrument der politischen Kommunikation einer Partei. Neben Medienpräsenz und Wahlkampfveranstaltungen spielen auch Betriebsbesuche in Wirtschaftsunternehmen eine wichtige Rolle. Die Abläufe dieser Besuche folgen meist bestimmten Ritualen: Händeschütteln der PolitikerIn mit leitenden Angestellten, anschließende Führung durch das Unternehmen, kurze, oftmals scherzhafte, jedenfalls aber interessierte Gespräche mit den ArbeiterInnen, die einzelne Arbeitsschritte vorführen und erklären, abschließend ein gemeinsamer Besuch der Betriebskantine. Hier sehen Sie den damals amtierenden Bundespräsidenten Adolf Schärf (SPÖ) bei einem Betriebsbesuch in der Schokoladenfabrik Manner im 16. Wiener Gemeindebezirk, bei dem er einen Schokoladeosterhasen überreicht bekommt. Bei der Bundespräsidentenwahl am 28. April 1963 trat Schärf gegen Altkanzler Julius Raab (ÖVP) und den von der kleinen Europäischen Föderalistischen Partei aufgestellten pensionierten Gendarmeriegeneral Josef Kimmel an. Schärf wurde bei seiner Wiederwahl mit 55,4% der Stimmen in seinem Amt bestätigt und war damit der erste Bundespräsident, der eine zweite Amtsperiode begann. Er starb im Februar 1965, wodurch eine vorgezogene Bundespräsidentenwahl notwendig wurde.

Foto, 13 x 18 cm, Signatur 10/1551

Fundstück des Monats März

Flugblatt des Staatssekretariats für allgemeine Frauenfragen aus dem Jahr 1982.

Mit welchen Fragen und Problemen sahen sich Frauen in ihrem Alltag konfroniert? Um das zu erfahren, richtete Johanna Dohnal 1980 direkt im Bundeskanzleramt, wo das Frauenstaatssekretariat angesiedelt war, eine Servicestelle ein. Dort konnten sich jeden Mittwoch Frauen im Falle persönlicher, beruflicher und familiärer Probleme hinwenden und beraten lassen. Meistens ging es um die Durchsetzung bestehender Rechte, Diskriminierungen im Berufsleben, Beseitigung veralteter Bestimmungen in Gesetzen, Veränderungen im Unterhaltsrecht usw. Die in der Frauen-Servicestelle vorgebrachten Wünsche, Fragen und Anregungen wurden gesammelt und flossen direkt in die Arbeit des Frauenstaatssekretariats ein. 1982 bekamen dann auch Frauen aus den Bundesländern die Möglichkeit, direkt und ohne lange Anreise mit Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal persönlich Kontakt aufzunehmen. Mit der mit der Aktion "Frauen-Service Stelle unterwegs" wurde der niederschwellige Zugang zur frauenspezifischer Beratung bundesweit gewährleistet.

Flugblatt, 21x21cm, Signatur VI Frauenstaatssekretariat/Frauenministerium, Box 12

Fundstück des Monats Februar 2024.

Mitgliedsbuch der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs


Vor 90 Jahren erschütterte Österreich ein blutiger Bürgerkrieg. 1933 hatte der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Parlament ausgeschaltet, oppositionelle Strukturen zerschlagen und damit eine Diktatur errichtet. Unter diesen Bedingungen kam es vom 12. bis zum 15. Februar 1934 in mehreren Städten zu Aufständen und gewaltsamen Auseinandersetzungen, die mehrere Hundert Tote forderten. Das Parteibuch der Wienerin Hermine Karlowitz veranschaulicht das endgültige Verbot der Sozialdemokratischen Partei: Der Mitgliedsbeitrag wurde üblicherweise monatlich von Vertrauensleuten über die Bezirkssektionen kassiert und in Form von kleinen Marken quittiert, die ins Mitgliedsbuch eingeklebt wurden. Die letzte Marke in Hermine Karlowitz‘ Buch stammt vom Februar 1934.

Parteibuch 8 x 12 cm, Signatur: 5/105

Fundstück des Monats Jänner 2024

Karikatur aus dem Jahr 1974.

Vor 50 Jahren sorgte der israelische Magier Uri Geller für großes Aufsehen, als er in einer Fernsehshow mittels angeblich übersinnlicher Kräfte Besteck verbog. TV- ZuschauerInnen glaubten plötzlich an Zauberei und berichteten, dass sich in ihren Schubladen Gabeln und Messer gekrümmt hätten. Die Karikatur nimmt auf die allgemeine Hysterie Bezug: SPÖ-Parteichef Bruno Kreisky und ÖVP-Obmann Karl Schleinzer halten erstaunt die verbogenen Parteiabzeichen in ihrer Hand.

Karikatur, 12x9cm, Signatur Zeitungsartikel, Karikaturen 1974

Fundstück des Monats Dezember 2023

Foto Bruno Kreiskys aus dem schwedischen Exil.

Anlässlich des tiefwinterlichen Wetters in Wien präsentieren wir diesen Monat ein Foto von Kreisky auf Skiern. Zustande kam dieses Foto während seinem Aufenthalt im schwedischen Exil. Dort trifft er auch erstmalig seinen lebenslangen Freund Willy Brandt. Auch in dieser Zeit ist Kreisky politisch aktiv und setzt sich für die Wiederherstellung eines eigenstaatlichen Österreichs ein – als Obmann des Klubs österreichischer Sozialisten in Schweden und als Obmann der überparteilichen österreichischen Vereinigung in Schweden (ÖVS). Während einer Veranstaltung organisiert von Parteifreunden in Kiruna im Norden Schwedens bleibt Kreisky auch Zeit für einen kurzen Skiurlaub in Lappland.

Auch wir werden uns eine Auszeit nehmen – das Kreisky Archiv ist vom 25. bis 29. Dezember geschlossen. Wir sind im neuen Jahr ab 2. Jänner wieder für Sie da.

Foto, 6x9cm, Signatur Fotoarchiv Box 4, M37/1657

Fundstück des Monats November 2023

Brief von Friedensreich Hundertwasser aus dem Jahr 1978


Am 5. November jährte sich die Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf zum 45. Mal. An diesem Tag im Jahr 1978 entschied sich die österreichische Bevölkerung mit einem sehr knappen Ergebnis dagegen. Bereits in den Jahren davor – als der Bau des AKWs in vollem Gange war – formierte sich eine breite Anti-Atomkraft-Bewegung und viele Bürger:innen äußerten ihre Ablehnung in Form von Briefen an Bundeskanzler Kreisky. Unter ihnen auch prominente Atomgegner:innen wie der Künstler Friedensreich Hundertwasser, der sich Zeit seines Lebens für den Naturschutz einsetzte. Der Ausgang der Volksabstimmung entsprach nicht den Erwartungen der SPÖ, die die friedliche Nutzung der Atomenergie befürwortete. Folgen waren jedoch nicht ein vermuteter Rücktritt Kreiskys, sondern ein noch im Dezember 1978 beschlossenes „Atomsperrgesetz“, welches den Weg für ein bis heute atomfreies Österreich bahnte.

Brief, 21 x 29 cm, Signatur X.3 Prominentenkorrespondenz, Box 23, Mappe Hundertwasser

Fundstück des Monats September 2023

SPÖ-Wandzeitung aus dem Jahr 1983.


Vor 50 Jahren, am 28. September 1973, überfielen palästinensische Terroristen einen Zug mit jüdischen Auswander:innen aus der Sowjetunion am Grenzbahnhof Marchegg. Sie forderten die Schließung des Transitlagers Schönau, das von der Jewish Agency verwaltet wurde, um sowjetischen Jüd:innen die Weiterreise nach Israel zu ermöglichen. Bruno Kreisky verhandelte mit den Geiselnehmern, erreichte die Freilassung der Geiseln und ließ die Terroristen nach Libyen ausfliegen. Dafür sagte er die Schließung des Lagers zu. Das hatte heftige Kritik jüdischer Organisationen und von Seite Israels zur Folge. Ministerpräsidentin Golda Meir flog unmittelbar darauf zu einer Unterredung nach Wien, nach ihrer Rückkehr dazu befragt, antwortete sie mit dem berühmten Sager: "Nicht einmal ein Glas Wasser hat er mir angeboten"— eine Behauptung, der Kreisky immer widersprochen hat. Im Archiv verwahren wir vier Boxen, die die innen- und außenpolitische Diskussion in Folge des Terroranschlags dokumentieren.

Botschaftsbericht, 21x16cm, Signatur VI.8 Box 22/Schönau 1

Fundstück des Monats Juli 2023

SPÖ-Wandzeitung aus dem Jahr 1983.


Wandzeitungen sind eine eigene Form politischer Kommunikation. Die kleinformatigen (59x84cm) Plakate werden in der Stadt oft an Wartehäuschen, am Land oft in Schaukästen montiert. In der Regel erscheinen monatlich neue Motive. Neben politischen Inhalten werden regelmäßig auch "weiche" Inhalte transportiert: ein Klassiker ist dabei, dass eine Partei oder Politiker:innen einfach einen schönen Sommer wünschen.

Den wünscht Ihnen auch das Team des Kreisky-Archivs!

Bitte beachten Sie unsere Schließzeiten:
3. bis 7. Juli
17. Juli bis 21. Juli
31. Juli bis 15. August.

SPÖ-Wandzeitung Nr.416 vom Juli 1983, 59x84cm, Signatur 100/416

Fundstück des Monats Juni 2023


Als Fundstück des Monats präsentieren wir Ihnen ein Flugblatt des "Aktionskomittees zur Abschaffung des § 144" aus dem Jahr 1973.

Das Flugblatt, das heuer 50 Jahre alt ist, verweist auf eine der heftigsten innenpolitischen Auseinandersetzungen der Zweiten Republik, jene um die Fristenregelung. Das Kreisky-Archiv hat den nahenden 50-jährigen Jahrestag der Einführung des straffreien Schwangerschaftsabbruch in Österreich zum Anlass genommen, Geschichten über die Zeit zu sammeln, als Abtreibung ein Verbrechen war. Wir haben in den Archiven der Wiener Strafgerichte gegraben, haben Zeitzeuginnen interviewt und Gesetzestexte zusammengestellt. Damit das Wissen über die Nöte, die Dramen und Katastrophen, die das Abtreibungsverbot verursachte, nicht verloren geht, haben wir dazu einen neuen Erinnerungsort geschaffen. Das „Sanatorium Auersperg", das früher an der 2er-Linie existierte, steht für einen der größten Abtreibungsprozesse der Republik. Diese und andere Geschichten von weniger spektakulären, aber ebenso tragischen Fällen finden Sie auf: www.erinnerungsort.at/erinnerungsorte/vor-der-fristenregelung.html. Auch die Interviews mit Zeitzeuginnen, die Sie dort finden, führen vor Augen, unter welchem Menetekel das Leben von Menschen stand, die Angst vor einer Schwangerschaft haben mussten. Aus Furcht vor Strafverfolgung und aus Scham wurden das Wissen und die Erfahrungen rund um Praktiken und Schwierigkeiten der Abtreibung vor 1975 selten erzählt und schon gar nicht aufgeschrieben. Wir wollen dieses Wissen — gegen das Verschweigen und Vergessen — weiter sammeln und aufbewahren. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wenn Sie dazu beitragen möchten.

Flugblatt, 20x14cm, Signatur 7/217

BISHERIGE FUNDSTÜCKE:

Fundstück des Monats Mai 2023


1972 wurde von der UNO erstmals ein Umweltgipfel in Stockholm abgehalten, das Thema Umweltschutz wurde auch politisch relevant und manifestierte sich unter anderem im wachsenden Widerstand gegen Großbauprojekte. Im Wiener Sternwartepark sollte ein Universitätsinstitut errichtet werden. Die regierende SPÖ war auf Seiten der Verbauungsinteressenten, allerdings wandte sich eine Bürgerinitiative von AnrainerInnen gegen das Bauprojekt und wurde dabei von der auflagenstarken Kronen Zeitung unterstützt. „Bäume gehen vor Bauten, das ist die neue Formel, die im Rathaus beherzigt werden sollte“, schrieb ihr Herausgeber Hans Dichand. Bürgermeister Felix Slavik veranlasste eine Volksbefragung, an der ein Drittel der wahlberechtigten WienerInnen teilnahm. Sie sprachen sich mit einer Mehrheit von 57,4% gegen die Verbauung des Sternwarteparks aus. Slavik trat daraufhin zurück, sein Nachfolger wurde Leopold Gratz.

Zeitungsausschnitt, 20x27cm. Signatur: Karikaturen 1973

Fundstück des Monats April 2023


Im Vordergrund ist der der damalige SPÖ-Parteivorsitzende Bruno Pittermann zu sehen, rechts dahinter Bruno Kreisky, damals noch Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten im Bundeskanzleramt. Nachdem die ÖVP bei den Nationalratswahlen 1966 die absolute Mehrheit errungen hatte, verzichtete Pittermann am SPÖ-Parteitag 1967 auf den Parteivorsitz und empfahl Hans Czettel als seinen Nachfolger. Erstmals in der Parteigeschichte kam es zu einer Kampfabstimmung. Czettel galt zunächst als Favorit und wurde von der Wiener SPÖ und großen Teilen der Gewerkschaft befürwortet. Mit Unterstützung der Bundesländer konnte sich jedoch Kreisky mit 69,8 Prozent der Stimmen als Parteivorsitzender durchsetzen und bemühte sich in der Folge, die innerparteilichen Gräben rasch zuzuschütten.

Foto, 13x18 cm, Signatur: Kreisky Fotoalbum Nr. 12

Fundstück des Monats März 2023


Am 25.02.2023 wurde in Anwesenheit von Landeshauptmann Peter Kaiser und Bruno Kreisky langjähriger Mitarbeiterin Margit Schmidt eine Gedenktafel in Jadersdorf, Gemeinde Gitschtal in Kärnten enthüllt.

Nach dem Verbot aller sozialistischen Organisationen 1934 wurde Kreisky als Mitbegründer der „Revolutionären Sozialistischen Jugend“ verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. 1936 wurde er als Jusstudent von allen Hochschulen ausgeschlossen und unter der Auflage, Wien zu verlassen, enthaftet. Da sein Vater geschäftlich mit einer kleinen Textilfabrik in Jadersdorf zu tun hatte, verschaffte er seinem Sohn dort Unterkunft und Arbeit. In seiner Biographie schreibt Kreisky dazu: „In Jadersdorf habe ich gelernt, wie man Textilmaschinen bedient. Ich bin also, wenn man so will, ein angelernter Hilfsarbeiter der Textilfabrik – leben hätte ich davon allerdings nicht können.“ Das Gebäude der Textilfabrik existiert noch und wird heute als Ferienhaus geführt.

Fundstück des Monats Feber 2023


Zum 100jährigen Firmenjubiläum der deutschen Porzellanmanufaktur Rosenthal gestaltete der bayrische Architekt und Karikaturist Ernst Maria Lang eine zwölfteilige Tellerserie, in der er Zitate berühmter ZeitgenossInnen präsentierte. Anlässlich des Opernballs am 10. Februar 1972 hatte Bruno Kreisky in einem Fernsehinterview mit Heinz Fischer-Karwin gesagt: „Es ist eine Rache der Geschichte, dass die einst jungen Revolutionäre nun auf ihre alten Tage befrackt und mit Orden behangen auf Bälle gehen müssen, um dort zu repräsentieren.“
Diese Teller waren an der Rückseite mit einem Wandhaken versehen und wurden in einer limitierten Auflage von jeweils 5.000 Stück produziert.

Porzellanteller, d 27cm, Signatur: T.28

Freundlich formulierte Empfehlungsschreiben ("letters of recommendation") erleichterten Reisenden die Kontaktaufnahme mit Personen und zuständigen Behörden im Ausland. Das gezeigte Dokument legte der an der Columbia Universität lehrende Historiker Fritz Stern seinem Brief an Bundeskanzler Kreisky bei: „Ich schreibe Ihnen heute in der Hoffnung, dass es Ihnen möglich sein würde, mich in der Zeit zwischen dem 15. Und dem 19. Juni zu empfangen. Von Beruf aus Historiker arbeite ich jetzt – unterstützt von der Ford Foundation – an einem Buch über das heutige Europa. Eine Unterredung mit Ihnen wäre für mich von grösstem Wert.“ Kreisky interessierte sich für ein Gespräch mit dem US-Historiker deutsch-jüdischer Herkunft (Notiz am Briefrand: "Ja, geeigneter Termin, 1 bis 2 Std.") und lud ihn nach Bad Wörishofen ein, wo er sich im Juni 1978 auf Kur befand.

Fitz Stern wurde 1926 in Breslau geboren und musste mit seinen Eltern 1938 in die USA flüchten. Seine Erinnerungen erschienen 1986 unter dem Titel "Fünf Deutschland und ein Leben."

Brief 29 x 42 cm, Signatur X.3 Prominentenkorrespondenz Box 58

BISHERIGE FUNDSTÜCKE:

Fundstück des Monats Dezember 2022


Im Zuge des „ersten Ölpreisschocks“ 1974 setzte die Regierung Kreisky verschiedene Maßnahmen, um Kosten für Energieimporte zu senken. Anfang 1975 wurden an drei Millionen Haushalte Postwurfsendungen mit Bestellkupons für ein „Energiesparbuch“ zugestellt: „In dieser Gratis-Broschüre geben Ihnen Fachleute genaue Anweisungen, wo in Ihrem Haushalt Energieverschwendungen stattfinden und wie Sie diese vermeiden können. Und dabei viel Geld sparen.“ Empfohlen wurde Privathaushalten das Absenken der Raumtemperatur auf 21 Grad, die Wartung von Heizanlagen, das Abdichten von Fenstern und Türen sowie das regelmäßige Abtauen der Tiefkühltruhe.

Postwurfsendung, 29 x 42 cm, Signatur VI.1 Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitik, Box 140, Mappe Energie-Sparbuch

Fundstück des Monats November 2022


Im November 1980 platzte ein Gastspiel des Wiener Burgtheaters in Moskau in letzter Sekunde, da die Sowjetunion dem gebürtig tschechischen Ensemblemitglied und Charta-77 Unterzeichner Pavel Landovsky überraschend und entgegen vorheriger Vereinbarungen kein Visum erteilte. Burgtheaterdirektor Achim Benning stellte gegenüber dem sowjetischen Botschafter klar, dass eine Umbesetzung Landovskys nicht in Frage komme: „Wenn diese Entscheidung aufrechterhalten bleibt und die früher getroffenen Vereinbarungen nicht eingehalten werden können, sieht sich die Direktion des Burgtheaters nicht in der Lage, das Staatsgastspiel in der vorgesehenen Weise durchzuführen“.
Der Fall war auch deshalb diplomatisch heikel, weil Unterrichtsminister Sinowatz zeitgleich einen Staatsbesuch in Moskau absolvieren sollte. Am 11. November wurde bekannt, dass Landovsky ohne sein Wissen seitens der CSSR ausgebürgert worden war, er verfügte somit über keinen gültigen Reisepass. Daraufhin sagte sowohl das Burgtheater sein Gastspiel als auch Sinowatz seinen Staatsbesuch in Moskau ab.
Nach zähen Verhandlungen mit den sowjetischen Kulturbehörden gastierte das Burgtheater schließlich 1982 mit Maxim Gorkis „Die Sommergäste“ in Moskau und Leningrad.

Die Szenenfotos dieser Inszenierung sind noch bis 7. November in der Ausstellung "Christine de Grancy - Sturm und Spiel. Theaterphotographie" im Österreichischen Theatermuseum zu sehen.

Brief, 21x 29 cm, Signatur V.1.Kunst, Box 1, Mappe Burgtheater

Fundstück des Monats Oktober 2022


Nachdem der amtierende Bundespräsident Theodor Körner am 4. Jänner 1957 im Amt verstorben war, traten lediglich zwei Kandidaten zur Wahl an: Die Wahlkampfstrategie der SPÖ setzte auf den „bewährten Staatsmann“ Dr. Adolf Schärf und appellierte an das das „Gleichgewicht der Kräfte“ innerhalb der Regierung: dem „schwarzen“ Bundeskanzler Julius Raab müsse ein „roter“ Bundespräsident gegenüberstehen. Die ÖVP und FPÖ schickten als gemeinsamen aufgestellten Gegenkandidaten den Arzt Dr. Wolfgang Denk ins Rennen.
Das Foto zeigt einen Höhepunkt des Wahlkampfes am 1. Mai 1957, an dem die Kundgebungsteilnehmerinnen am Wiener Rathausplatz mit rot-weiß-roten Herzen und einem Portrait von Adolf Schärf aufmarschierten. Vier Tage später gewann Schärf die Bundespräsidentenwahl mit 51,1% der abgegebenen Stimmen.

Foto, 13 x 18 cm, Signatur Fotobestand RI, 4.099

Fundstück des Monats September 2022


Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen: Wir suchen Interviewpartnerinnen und -partner zum Schwangerschaftsabbruch vor 1975.

Textausschnitt aus AUF Nr. 1, 1974: Abtreibung – ein Erfahrungsbericht, S. 34.

Dieser Bericht einer jungen Wienerin aus dem Jahr die 1974 hat Seltenheitswert: Erfahrungen mit Abtreibungen wurden aus Furcht oder Scham kaum weitergegeben, selten erzählt und schon gar nicht aufgeschrieben. Bis 1. Jänner 1975 riskierten Menschen, die Abtreibungen durchführen ließen oder durchführten, die eigene Gesundheit und mitunter hohe Gefängnisstrafen. Das Wissen um die Praktiken, die sozialen Netzwerke, die Schwierigkeiten, die tragischen Lebenssituationen, die das Abtreibungsverbot mit sich brachte, wird aber bald verloren oder vergessen sein.

Das soll ein Interviewprojekt, das wir anlässlich des 50. Jahrestages der Einführung der Fristenregelung durchführen wollen, verhindern. Wir möchten Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die bereit sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen, um ein Interview bitten: Es geht darum, diese Erfahrungen für nachfolgende Generationen zu bewahren und das Wissen darüber weiterzugeben, wie sich das Abtreibungsverbot auf das Leben von vielen Menschen, auf ihre Perspektiven, ihre Handlungsräume und Lebenschancen auswirken konnte und auswirkte.

Unsere Bitte:

Wir sind auf der Suche nach Interviewpartnerinnen und -partnern für unser Forschungsprojekt. Wenn Sie Ihre Erinnerungen und Ihr Wissen zum Thema Schwangerschaftsabbruch als verbotene Praxis mit uns teilen wollen, bitten wir Sie um Kontaktaufnahme. Die Interviews werden nur zu Dokumentationszwecken aufgezeichnet, selbstverständlich werden Namen und persönliche Angaben anonymisiert. Sie können Ihr Interview auch gern für jegliche Einsichtnahme sperren lassen.

Sollten Sie zu einem Interview bereit sein oder noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte an:

Mag. Maria Steiner
Kreisky Archiv
Rechte Wienzeile 97
1050 Wien
Tel.: 01 5457535/30
steiner@kreisky.org

Über eine Kontaktaufnahme Ihrerseits würden uns sehr freuen. Wir sind bei unserem Versuch, Wissen darüber zu bewahren, was es bedeutet, wenn Abtreibung verboten ist, auf Ihre Hilfe angewiesen.

Fundstück des Monats August 2022


Ein zentrales Thema Nationalratswahlkampf 1983 war die von der SPÖ geplante Kapitalertragssteuer auf Sparbücher. Das Wahlkampfteam der ÖVP verschickte die abgebildete Postkarte, die auf Kreiskys Urlaubsdomizil Mallorca Bezug nahm: „Wähle am 24. April die Volkspartei, dann bleibt dein Sparbuch steuerfrei.“ Eine Ansichtskarte landete bei Gustl Bauer, dem Wirt des gleichnamigen, heute noch existierenden Gasthauses im ersten Bezirk. Dieser zeigte sie seinem Stammgast, dem Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der die Postkarte mit dem Kommentar „Falls der Kanzler diese Frechheit noch nicht kennt“ an Kreisky weiterleitete.

Die Warnung vor der „Sparbüchlsteuer“ zeigte die erwünschte Wirkung: Die SPÖ verlor die absolute Mehrheit, Kreisky trat als Kanzler zurück.

Postkarte, 15 x 10 cm, Signatur: Prominenten-Korrespondenz Box 66, Mappe Helmut Zilk

Fundstück des Monats Juli 2022


Message control für das Bundeskanzleramt: Nachdem Österreich die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) als erster westlicher Staat in Europa diplomatisch anerkannt hatte, bekam Bundeskanzler Kreisky im Ausland extrem schlechte Presse: „Eichmann-Jäger Simon Wiesenthal: Die erschreckende Arroganz des Kanzlers Kreisky“ titelte etwa die bundesdeutsche Boulevardzeitung „Bild am Sonntag“ am 23. März 1980. Westeuropäische Politiker und österreichische Bürger seien entsetzt über die diplomatische Anerkennung der PLO, der damalige Oppositionschef Alois Mock sah in ihr eine gefährliche Belastung der österreichischen Neutralität. Der Herausgeber des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ Rudolf Augstein beriet indes Kreisky, wie dieser am besten auf die Angriffe reagieren solle: „mein rat: lassen sie die hunde bellen, die karawane zieht weiter.“

Fax, 60 x 21 cm, Signatur: Prominenten-Korrespondenz Box 57, Mappe Axel Springer

Fundstück des Monats Juni 2022



Bruno Kreisky reiste als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten im Juni 1953 zur Krönung Elisabeths II nach London. Dazu schrieb er in seinen Memoiren: „Die ganze Stadt stand im Zeichen der Krönung. Aber ich habe weder früher noch später ein so einfach und zugleich so perfekt organisiertes Fest erlebt. Von Gründlichkeit kann bei den Engländern eigentlich keine Rede sein, wenn es um Organisationsfragen geht. Sie improvisieren, und damals führten sie eine eindrucksvolle Probe dieser Fähigkeit vor. Ein Beispiel: In der Pall Mall, Baum Nr. 14, hatte sich die Delegation soundso einzufinden, Beim Baum Nr. 15 stand die Delegation soundso. Statt großer Schilder und Pfeile und komplizierter Lagepläne, wie andere das getan hätten, haben sie einfach die Bäume in der Allee als Platzierungspunkte benutzt.“ Kompliziert waren laut den Erinnerungen Kreiskys nur die Kleidungsvorschriften, die für jeden Auftritt erlassen worden waren: „Wer auf dem Kontinent hatte schon ein graues Jackett, einen Cut und noch dazu einen passenden Zylinder?“

Signatur VII.2.BMAA (1959-1966), Box 16

Fundstück des Monats Mai 2022


In den frühen 1930er Jahren waren nur ca. 15% der Wiener Wohnungen mit einem Badezimmer ausgestattet. Die kommunal errichteten Volks- und Brausebäder, im Volksmund „Tröpferlbäder“ genannt, boten deshalb für die meisten WienerInnen die einzige Gelegenheit, sich ausgiebig zu duschen oder zu baden. Die Bezeichnung stammt vom spärlichen Wasserfluss: Die Wasserreservoirs befanden sich meist im Dachgeschoss und waren bei regem Andrang rasch überbeansprucht, wodurch das Wasser nur noch spärlich aus den Brausen floss. Gebadet wurde meistens einmal wöchentlich, der Gegenwert für „ein Wannenbad zum ermässigtem Preise“ entsprach damals etwa jenem von einem Kilo Weißbrot.

Heute befinden sich an dieser Stelle der Rennweger Kaserne Dienststellen des Innenministeriums.

Eintrittskarte (11 x 7cm), Signatur 10/1428

Fundstück des Monats April 2022


Am 19. September 1978 ging eine an „Highly Respected Prime Minister of Austria, Parliament Vienna“ adressierte Drucksache im Bundeskanzleramt ein, versehen mit dem handschriftlichen Vermerk „Please do not bend or crush. If not delivered please return to M. Martschenko“. In dem Kuvert befand sich eine illustrierte Landkarte der Ukraine, in deren linken oberen Ecke ein Hinweis auf den Absender:
„© Copyright 1971 by Michael Martschenko, 27 Westfield Rd. Leicester Le3HT, England. Illustrated map of the Ukraine, Price $ 4,00.“ Da sich nichts weiter in dem Kuvert befand, ließ es der im Bundeskanzleramt zuständige Beamte mit dem Vermerk „Kanzlei: Betr.: Ukraine“ in der allgemeinen Korrespondenz ablegen.
Ob Herr Martschenko seine Landkarten grundsätzlich an alle Staatsoberhäupter schickte oder ob er dies im Zusammenhang mit Bruno Kreiskys Moskau-Reise tat, lässt sich nicht mehr klären. Offenbar war aber einer seiner Nachfahren laut dem englischen Handelsregister Mitglied der „Association of Ukrainians in Great Britain“.

Landkarte, 100x68cm, Signatur: Länderboxen VII.1. UdSSR, Box 4

Fundstück des Monats März 2022




Der unter dem Spitznamen „Happy Pepi“ bekannte Josef Staribacher – am Bild 1975 auf dem Fahrrad im Kaufhaus Stafa auf der Wiener Mariahilferstraße zu sehen – wäre heuer 101 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass wird am Freitag, dem 25. März, um 11 Uhr eine Straße nahe der Marx Halle im dritten Wiener Gemeindebezirk (Ecke Karl Farkas Gasse) nach ihm benannt. Wenn Sie an dieser Veranstaltung teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte bis spätestens Freitag, 18. März 2022 unter hajo@wiener-bildungsakademie.at an. Es gelten die tagesaktuellen COVID-19 Präventionsmaßnahmen.

Die politischen Tagebücher Josef Staribachers bestehen aus 20.000 maschinschriftlichen Manuskriptseiten, die das Kreisky-Archiv verwaltet und in einer Online-Edition digital zur Verfügung stellt. Unter dem link staribacher.acdh.oeaw.ac.at/index.html können Sie nach bestimmten Tagen, Ereignissen, Personen und Orten suchen.

Foto, 21x14 cm, Copyright Walter Henisch jun., Fotoarchiv „Die Frau“

Fundstück des Monats Februar 2022


Johanna Dohnal (links neben ihr der damalige Bundesminister für Unterricht und Kunst Rudolf Scholten) hatte ein Talent dafür, Frauen verschiedener Herkunft, Generationen und Berufen anzusprechen und Netzwerke zu schaffen. Das Bild zeigt sie am 17.6.1991 bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema: „Was wünschen sich Künstlerinnen von der Politik?“ im Wiener Museum für angewandte Kunst.

Bei dieser Gelegenheit möchten wir Sie auf die Fotoausstellung und Lichtinstallation von Ulrike Wieser und Susanne Kompast mit dem Titel „Johanna Dohnal im Portrait von Frauen 2022“ hinweisen, die am 1. März um 18:00 Uhr im KUBUS EXPORT – der Transparente Raum eröffnet wird.

Foto, 21x14 cm, Signatur: Johanna Dohnal Archiv, Fotosammlung 1991

Fundstück des Monats Jänner 2022


Exlibris bezeichnen Stempel oder eingeklebte Grafiken in Büchern, die zur Kennzeichnung des Eigentümers oder der Eigentümerin dienen. Bei dem Motiv unseres heutigen Fundstücks handelt es sich um das Bibliotheks-Exlibris der Vorwärts K. G., das neben einem Bücherregal eine quadratisch untergliederte Glasfront zeigt, in der sich das Vorwärts-Gebäude spiegelt. Das Haus wurde 1911 von Hubert Gessner im Auftrag der SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) errichtet und zählt heute zu den bekanntesten Wahrzeichen des „Roten Wien“. In der Ersten Republik beherbergte es neben der Parteizentrale und dem Vorwärts-Verlag auch die Redaktion der „Arbeiter-Zeitung“ und eine nach damals modernsten Kriterien ausgestattete Druckerei. Dazu gehörte neben Speisesälen, Sanitärräumen, Lasten- und Personalaufzügen usw. auch eine Werkbücherei, in der die Angestellten Bücher entlehnen konnten.
Das Vorwärts-Gebäude, in dem sich das Kreisky-Archiv befindet, steht heute unter Denkmalschutz.
Mehr Informationen zur Geschichte des Hauses finden Sie auf unserer online-Plattform

https://www.erinnerungsort.at/erinnerungsorte/politik-presse-partei.html]

Exlibris, 7x10 cm, Signatur: 10/1437

Fundstück des Monats Dezember 2021


Spendenaufruf der Wiener SPÖ Sektion Hernals.

Im Jahr 1947 waren Nahrungsmittel noch immer rationiert, das System der Bezugscheine ("Marken") sollte zumindest die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleisten. Im gezeigten Aufruf erbat Franz Olah, später Innenminister und Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes als Obmann der Wiener SPÖ Sektion Hernals von seinen GenossInnen die Spende einer Brotmarke, einem Stück Zucker und einer Fettmarke. Mit diesen Lebensmittelspenden wurden Kekse gebacken und die Parteimitglieder organisierten eine Weihnachtsjause für bedürftige Kinder.

Flugzettel, 13x8 cm, Signatur: Fotoalbum Kreisky Nr. 89 (Hernals)

Fundstück des Monats November 2021


Einladung zur Konferenz „Die Krisen der Demokratie in den 1920er und 1930er Jahren“ vom 3.-5. November 2021 im Wiener Volkskundemuseum.

Die Konferenz ist der dritte und letzte Teil einer Konferenzserie, die vom 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs ihren Ausgangspunkt nahm und einen Bogen vom Ende der Monarchie über die Republiksgründung bis zur Entstehung autoritärer Systeme im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs spannt. Programm siehe "Veranstaltungen"

Fundstück des Monats Oktober 2021


Bruno Kreisky wollte stets über Neuigkeiten in der Welt informiert sein. Er telefonierte leidenschaftlich gern, seine private Telefonnummer war im öffentlichen Telefonbuch Wiens verzeichnet. Oft riefen noch spätabends BürgerInnen bei ihm zuhause an, um ihm von ihren Sorgen und Problemen zu berichten. Der legendäre Telefonapparat aus seinem Wohnzimmer in der Armbrustergasse 15 – mit Wählscheibe im Standfuß und extralangem Kabel – galt lange als verschollen, bis er über den Nachlass seines Sohnes Peter im Jahr 2020 ins Archiv kam.

Telefonapparat, 10 x 21 cm, Depositum Peter Kreisky, Signatur G 172

Fundstück des Monats September 2021


Laut der Bildagentur Paul Popper Ltd. hatte der am Foto gezeigte Mr. Eric Jewell aus London das Schlangestehen an öffentlichen Bushaltestellen mit seinen Kindern derartig satt, dass er ein neuartiges Gefährt für seine fünfköpfige Familie konstruierte: Er montierte seitlich an ein Tandem einen Beiwagen und erweiterte es zusätzlich um einen Sattel, Haltegriffen sowie ein weiteres halbiertes Fahrrad mit fixer Lenkstange. Mit dem "quinticycle" sei die gesamte Familie glücklich.

Die 1934 vom tschechische Fotojournalisten Paul Popper gegründete Bildagentur, bekannt unter dem Namen Popperfoto, bot Zeitungsredaktionen aktuelle Fotos vom internationalen Zeitgeschehen an und lieferte dazu auch Bildtexte. Das gezeigte Foto wurde vom Vorwärts-Verlag angekauft und unter den Schlagwörtern „England, Exzentrik“ abgelegt.

Foto, 15 x 20 cm, Signatur 10/1432

Fundstück des Monats August 2021


Nach dem Einmarsch der Sowjets im Dezember 1979 in Afghanistan verlagerten sich die politischen Spannungen zwischen der Sowjetunion und den USA auch auf die Ebene der größten internationalen Sportveranstaltung: Am 12. April 1980 beschloss das Nationale Olympische Komitee der USA, den Olympischen Sommerspielen in Moskau fernzubleiben. In der Folge schlossen sich 60 Länder dem Boykott an. Österreich entschied nach enger Absprache mit den Botschaftern der beiden ebenfalls neutralen Staaten Schweden und Schweiz, sich nicht am Olympia-Boykott zu beteiligen, während der Spiele allerdings auch keine offizielle Vertretung der Republik nach Moskau zu entsenden. Die Entscheidung galt innenpolitisch als umstritten, amerikanische Handelspartner und Exilorganisationen aus den Ostblockstaaten intervenierten vergeblich beim Bundeskanzler.

Am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien hingegen sorgte die Entscheidung zur Teilnahme Österreichs an den Olympischen Spielen in Moskau für Freude: Bei den Verhandlungen über Leihgaben für eine geplante Ausstellung über georgische Kunst wurde von sowjetischer Seite überraschend „grünes Licht“ gegeben.

Brief 1980, 29 x 20 cm, Signatur VII.1 Länderboxen UdSSR, Box 5

Fundstück des Monats Juli 2021


Bruno Kreisky war kein hervorragender Schüler. In Mathematik, Englisch, Französisch, Darstellender Geometrie, Physik, Naturgeschichte, Religion und Freihandzeichnen bekam er in sein Maturazeugnis ein "Genügend", nur in Deutsch, Geschichte und Geographie hatte er ein "Gut". 1929 mussten Gymnasiasten – ähnlich wie heute – eine Art vorwissenschaftliche Arbeit schreiben. Kreisky wählte das Thema "Die Wirtschaftsverhältnisse und ihre Entwicklung in der Republik Österreich" und befragte dazu den damaligen Landwirtschaftskammerdirektor Engelbert Dollfuß, der ihm die Probleme der österreichischen Agrarwirtschaft erläuterte und Literaturhinweise gab. Drei Jahre später wurde Dollfuß Bundeskanzler. "Gewiß, während der Dollfußregierung und später unter Schuschnigg wurde die Diktatur nicht mit derselben Perfektion praktiziert wie unter Hitler", schrieb Kreisky dazu in seinen Memoiren, "aber die Pressefreiheit war verschwunden, die Parteien waren verboten, wer sich gegen das Regime stellte, wurde ins Gefängnis geworfen: all das waren Elemente der Diktatur." 1935 wurde Bruno Kreisky verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Er verbrachte insgesamt 15 Monate im Gefängnis, wurde von allen österreichischen Hochschulen relegiert und konnte sein Jusstudium erst Anfang 1938 fortsetzen. Am 14. März 1938, zwei Tage nach dem "Anschluß" Österreichs, legte er die letzte Prüfung seines Jusstudiums ab. Tags darauf wurde er von der GESTAPO verhaftet und am 8. August mit der Auflage entlassen, in ein weit entferntes Land zu emigrieren. Kreiskys Promotion wurde erst am 14. März 1988 in einem feierlichen Akt an der Universität Wien nachgeholt.

Maturazeugnis 1929, 27 x 20 cm, Signatur I.1. Box 5

Fundstück des Monats Juni 2021


Anlässlich des 100. Geburtstags von H.C. Artmann zeigen wir einen Brief Bruno Kreiskys an den österreichischen Schriftsteller.
Bruno Kreisky hatte im schwedischen Exil die Landessprache sehr schnell erlernt und hegte Zeit seines Lebens ein besonderes Faible für das Land. Im November 1979 war das schwedische Königspaar Silvia und Carl Gustaf auf Staatsbesuch in Wien. Aus diesem Anlass trug ein Sänger Lieder des schwedischen Nationaldichters Carl Michael Bellman (1740-1795) vor. Kreisky zeigte sich angesichts der Übersetzung ins Deutsche durch H.C. Artmann höchst angetan und teilte dies dem Schriftsteller im Laufe der kommenden Jahre auch mehrfach mit.
Hier eine Kostprobe von Artmanns Übersetzung des Gedichts "Fjärlin vingad syns pa Haga":

"Schmetterlinge taumeln trunken
durch die morgenkühle Au,
Dort wo Blütenkelche prunken
Hell im frischen Glitzertau;
jedes Würmchen auf der Heide
Hat die Sonne wachgekost,
Floras perlendes Geschmeide
Funkelt silbergrün ummost."

Brief, 20x30cm, Signatur: X.3 Prominenten-Korrespondenz, Box 2

Fundstück des Monats Mai 2021


Das Bild zeigt die Gewerkschafterin und Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Verwaltung Gertrude Wondrack (links) und die spätere Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg in der Säulenhalle des Parlaments. Die Outfits der beiden Nationalratsabgeordneten waren mit Bedacht gewählt: Sie strahlten aus zeitgenössischer Perspektive einerseits Kompetenz und Seriosität aus und entsprachen gleichzeitig den damaligen Geschlechternormen: Hosen zu tragen, war für Politikerinnen bis in die 1980er Jahre verpönt.

Wir möchten Sie auf unsere überarbeitete website www.erinnerungsort.at aufmerksam machen, die auf neue technische Basis gestellt und um den Abschnitt „‘Sie meinen es politisch!‘ 100 Jahre Frauenwahlrecht“ erweitert wurde.

Fotografie, 24 x 18cm, Signatur 10/1411

Fundstück des Monats April 2021


Die Sommerzeit wurde in Österreich 1979 eingeführt. Durch die Zeitumstellung sollte eine „gewonnene“ Stunde an Sonnenlicht mithelfen, die steigenden Energiekosten zu senken. „Nachdem sich alle westlichen europäischen Staaten für die Sommerzeit entschlossen haben, hatte Österreich gar keine andere Wahl, als diesen Schritt mitzuvollziehen“, antwortete die zuständige Beamtin Dr. Gertraud Frisch am 27. März 1981, und weiter: „Sie haben sicher Verständnis dafür, dass es für ein Land wie Österreich, das so sehr vom Fremdenverkehr lebt, unumgänglich notwendig ist, in der europäischen Normalzeit aufzuscheinen.“

Auch das Argument, dass die Kinder durch die Einführung der Sommerzeit um eine Stunde früher aufstehen müssten, wurde im Stil der damaligen Zeit entkräftet: „Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass Kinder mit einem langen Schulweg die ersten paar Tage der Sommerzeit als Härte empfinden, doch sind gerade die Kinder sehr anpassungsfähig und werden sich bald daran gewöhnt haben, abends eine Stunde früher schlafen zu gehen.“

Brief, 20 x 30 cm, Signatur VI.I. Wirtschaft, Box 239, Mappe „Sommerzeit“

Fundstück des Monats März 2021


Ein zentrales Anliegen der damaligen Staatssektretärin für allgemeine Frauenfragen Johanna Dohnal (hier anlässlich eines Betriebsbesuchs in der Fabrik Hammer-Röcke in Rohrbach, Oberösterreich) war die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen in Billiglohnsektoren wie der Textilindustrie. Trotzdem viele dieser Arbeiterinnen eine abgeschlossene Berufsausbildung hatten, wurden sie gerade in den Fabriken strukturschwacher Gegenden als "angelernte Hilfsarbeiterinnen" angestellt. Erst mit dem Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes in der Privatwirtschaft 1979 wurde begonnen, die sogenannten "Frauenlohngruppen" aus den mit den Gewerkschaften ausverhandelten Kollektivverträgen zu entfernen. Bis dahin bekamen Frauen auch dann, wenn sie die gleiche Arbeit wie Männer leisteten, einen geringeren Stundenlohn als Männer ausbezahlt.

Anlässlich des internationalen Frauentags sendet ORF 2 am 9. März um 22:35 Sabine Derflingers Dokumentarfilm "Die Dohnal" (2019), in dem ihre Mitstreiterinnen zu Wort kommen und in dem zahlreiche Quellen aus unserem Archiv gezeigt werden.

Fotografie 1981 (24 x 18 cm), Signatur JDA Fotoarchiv, Betriebsbesuche 1981/1

Fundstück des Monats Feber 2021


Der „Orden wider den tierischen Ernst“ wird seit 1950 vom Aachener Karnevalsverein an Personen vergeben „die Individualität, Beliebtheit und Mutterwitz in sich vereinen, vor allem aber Humor und Menschlichkeit im Amt bewiesen haben.“ Im Februar 1961 wurde der damalige Außenminister Bruno Kreisky damit ausgezeichnet: Er hatte das Ansuchen der populären Narrengesellschaft, die ehemalige Markgrafenschaft Burgau "während der Narrenzeit in den Verband des österreichischen Mutterlandes, da sie des sogenannten Wirtschaftwunders überdrüssig sei" zurückkehren zu lassen, per Diplomatenpost „mit brillant-witzige Diplomatie pariert." In seiner Antwort an die Faschingsgesellschaft schrieb Kreisky: "Zur Rückkehr in den Verband des Mutterlandes möchte ich Sie aufmerksam machen, dass es auch bei uns ein Wirtschaftwunder gibt, das allerdings, wie es sich gehört, kleiner sein muß als das, unter jenem Sie zu leiden haben. Offenbar scheint dies auf die sprichwörtliche Gabe des Österreichers zum Maßhalten zurückzuführen zu sein, wobei Maßhalten eigentlich ins Österreichische übersetzt ´Krüglhalten´ heißen müsste. (…) leider zwingt mich die gegenwärtige Situation in Wien zu bleiben. Schließlich muß der Außenminister wenigstens zum Fasching in Wien sein." Zur Ordensverleihung reiste Kreisky dann aber trotzdem persönlich an: Sie wurde live im deutschen Fernsehen übertragen.

Fotoalbum, 42x30 cm, Signatur: Fotoalbum Nr. 31

Zur Information für unsere Benutzer und Benutzerinnen:


Das Archiv ist seit 8.2.2021 nach Voranmeldung und Terminvereinbarung wieder geöffnet. Während des Aufenthalts muss eine FFP2-Maske getragen werden.

Fundstück des Monats Jänner 2021




Zu seinem 70. Geburtstag am 22. Jänner 1981 erhielt Bruno Kreisky kistenweise Glückwunschpost aus der Bevölkerung. Der Absender dieses Schreibens, laut Selbstdefinition "Jahrgang 1915 und nach 38 Dienstjahren pensioniert", schrieb: "Ich habe mir als Hobby das Dichten zurechtgelegt und hoffe, dass ich diesem Gedicht meine Verehrung und auch meine Zufriedenheit richtig zum Ausdruck gebracht habe." Die MitarbeiterInnen des Kabinetts waren dazu angehalten, alle Geburtstagsschreiben mit einem kurzen Dankbrief im Namen des Bundeskanzlers zu beantworten und legten den Brief schließlich in einer Mappe mit der Beschriftung "Lustige Karten, mit Dank erledigt 17.2." ab.

Geburtstagsbillet, 10x20cm, Box Geburtstagswünsche 81/82


In der Anti-Atomkraft-Bewegung, die sich ab Mitte der 1970er Jahre formierte, engagierten sich landesweit BürgerInnen verschiedenster politischer Ausrichtungen – von katholischen Müttern bis hin zu maoistischen Splittergruppen war alles dabei –, um die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks in Zwentendorf zu verhindern. Während die Spitzen der SPÖ und der Gewerkschaft mit der Sicherung der Arbeitsplätze und der nationalen Unabhängigkeit von ausländischen Stromimporten argumentierten, befürchteten AtomkraftgegnerInnen vor allem die atomare Verstrahlung im Falle eines Reaktorunglücks. Die Auseinandersetzung wurde sehr heftig geführt, der Frage um die Atomkraft konnte sich niemand entziehen. Durch viele Familien ging ein Bruch, so auch innerhalb jener des amtierenden Bundeskanzlers: Während Bruno Kreisky sein gesamtes politisches Gewicht für die Inbetriebnahme von Zwentendorf in die Waagschale warf, engagierte sich sein Sohn Peter vehement dagegen. Am 12. Juni 1977 zog er zusammen mit 6.000 weiteren KernkraftwerksgegnerInnen anlässlich einer gesamtösterreichischen „Sternfahrt nach Zwentendorf“ von Tulln zum Atomkraftwerk. Letztlich zeigte die Mobilisierung der AtomkraftgegnerInnen Wirkung: Am 5. Novemver 1978 stimmte eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten gegen die Inbetriebnahme Zwentendorfs. Mehr zum Thema finden Sie auf unserem Internetportal Erinnerungsort.

Die gezeigte Anstecknadel stammt aus Peter Kreiskys politischem Nachlass, der heuer dem Archiv übergeben wurde und der gerade aufgearbeitet wird.

Anstecknadel 6x4cm, Signatur: 16/43

Fundstück des Monats November 2020


Während Museen und Kultureinrichtungen geschlossen bleiben müssen, laden wir Sie zu einer Zeitreise ein, die Sie bequem von zuhause aus antreten können. Mit der Online-Edition der Tagebücher von Josef Staribacher, Handelsminister von 1970 bis 1983, steht eine einmalige Quelle zur österreichischen Politik der Kreisky-Jahre digital zu Verfügung. Die Tagebücher bestehen aus 20.000 maschinschriftlichen Manuskriptseiten, die Summe der Diktate Staribachers in sein „Tagebuch“. Unter dem link staribacher.acdh.oeaw.ac.at/index.html können Sie nach bestimmten Tagen, Ereignissen, Personen und Orten suchen.
Unter dem Suchbegriff "Pickerl" (für Aufkleber) finden Sie beispielsweise interessante Einträge zur Ölkrise Ende 1973. Im Zuge von Lieferengpässen war es zu panikartigen Hamsterkäufen von Benzin an österreichischen Tankstellen gekommen. Staribacher verordnete als erste Energiesparmaßnahme Tempolimit 100 auf Autobahnen und einen autofreien Tag pro Woche. Fahrzeuge wurden mit einem „Pickerl“ für den jeweiligen Wochentag auf der Windschutzscheibe gekennzeichnet. Doch Verordnungen haben ihre Tücken. Staribacher diktierte am 28.12.1973: "Als ich mich erkundige, wie weit die Pickerl-Verordnung fertiggestellt wurde, stelle ich zu meiner Verwunderung fest, dass man allen Ernstes mit der Aussendung warten wollte, bis die Verordnung im Bundesgesetzblatt erscheint, was frühestens am 5. Jänner der Fall ist. Ich erkläre (…) dass man unverzüglich die Landesregierungen mit dem Text der Empfehlung vertraut macht und ihnen einleitend eben mitteilt, dass erst im Jänner die Verordnung im Bundesgesetzblatt erscheinen kann. Nur unter diesen Umständen ist nämlich die Gewähr gegeben, dass die Landesregierungen die Vorbereitungen so in Angriff nehmen, dass sie die Ausnahmegenehmigungen bis zum 14.1., wo die Verordnung in Kraft treten sollte, durchführen können. Niemand hat daran gedacht, alle glaubten, es genügt volkommen, wenn eben nach der Verordnungserscheinung im Bundesgesetzblatt schön langsam dann die Landesregierungen mit Fernschreiben oder vielleicht gar durch Brief verständigt werden, dass sie jetzt etwas unternehmen können, ohne dass sie entsprechende Vorbereitungen vorher getroffen haben. Mit Recht hätte dann die Landesregierung kritisiert, dass sie viel zu spät informiert wurden und die zu erwartenden Stauungen bei den Bezirkshauptmannschaften ausschliesslich auf Verschulden des Ministeriums zurückzuführen sind."

In der Online-Edition der Tagebücher wird der maschinschriftliche Originaltext gleichzeitig mit den Scans der Tagebuchseiten dargestellt. Bei dem kürzlich fertiggestellten Projekt, das vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank finanziert und in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Austrian Center for Digital Humanities and Cultural Heritage) durchgeführt wurde, war die editorische Arbeit sowie die Erstellung des Personenindex sehr aufwändig.

Fundstück des Monats Oktober 2020


Mit dem Slogan „damit Wien wieder Weltstadt werde“ demonstrierte die SPÖ ihren WählerInnen anlässlich der Gemeinderatswahlen am 17. Oktober 1954 den Willen zur städtebaulichen Modernisierung. Auf dem Sternenhimmel über dem Rathaus erscheinen einerseits als Zukunftsvisionen Hochhäuser sowie futuristisch anmutende, stromlinienförmige Züge und andererseits – als konkret greifbare Leistungen des noch laufenden Wieder- und Neuaufbaus nach dem Krieg – der Ringturm (Baubeginn 1953), die Wiener Stadthalle (Baubeginn 1955) und ein moderner Straßenbahngroßraumwagen (Ersteinsatz 22. Mai 1954). Über alledem schwebt ein Flugzeug, welches über die Stadtgrenzen hinweg den Weg in eine zunehmend international verflochtene Welt weist. Weitere Bauwerke, welche die Entwicklung Wiens zur europäischen Metropole symbolisierten, waren die im nüchternen zeitgenössischen Stil errichteten neuen Bahnhofsgebäude für den West- und Südbahnhof, die unterirdisch verlaufende Opernpassage und die nach dem amtierenden Wiener Bürgermeister Franz Jonas im Volksmund „Jonas-Reindl“ genannte unterirdische Straßenbahnumkehrschleife samt Unterführung am Schottentor. Das Thema „Weltstadt Wien“ sollte im Gemeinderatswahlkampf 1959 von der SPÖ erneut aufgegriffen werden.

Plakat 84x59cm, Signatur: 102/83

Fundstück des Monats September 2020


Der Formel-1-Pilot und mehrfache Grand-Prix-Sieger Jochen Rindt gilt bis heute als herausragende österreichische Sportheldenfigur. Er verkörperte den Typus des lässigen, dynamischen, modernen und weltoffenen jungen Rennfahrers. Bruno Kreisky, der auch junge WählerInnen ansprechen wollte, schickte ihm im Juni 1970 ein Glückwunschtelegramm zu seinem Rennsieg beim Großen Preis der Niederlande, für das sich Rindt umgehend schriftlich bedankte: "Leider war dieser Sieg kein froher, da ich einen meiner besten Freunde (den britischen Rennfahrer Piers Courage) verlor", schrieb Rindt. Auch seinen kurz darauf errungenen Sieg beim Großen Preis von Großbritannien kommentierte Rindt bescheiden und nachdenklich: "Jack Brabham war am Ende des Rennens einfach viel schneller, doch ist ihm ca. 1/2km vor dem Ziel das Benzin ausgegangen." Kreisky lud Rindt daraufhin zu einem Besuch nach Wien ein, dazu kam es jedoch nicht mehr: Vor 50 Jahren, am 5. September 1970, verunglückte Jochen Rindt beim Training zum Großen Preis von Italien in Monza tödlich. Er wurde aufgrund seines Punktevorsprungs posthum zum Formel-1-Weltmeister der Saison 1970 ernannt.

Brief 20x29cm, Signatur: X.3 Prominenten-Korrespondenz, Box 51

Fundstück des Monats August 2020


Aus Anlass des 30. Todestages Bruno Kreiskys am 29. Juli erinnern der Obmann des Bruno-Kreisky-Archivs in der Wiener Rechten Wienzeile, Bürgermeister Dr. Michael Ludwig, und die wissenschaftliche Leiterin, Dr. Maria Mesner, vor allem auf die weitreichenden internationalen Aktivitäten des von 1970 bis 1983 amtierenden Bundeskanzlers. Kreiskys Ziele, die Gesellschaft "mit Demokratie zu durchfluten" und sie gerechter zu machen, beschränkten sich nicht auf Österreich: Kreisky trieb bereits in den1970-er und 1980-er Jahren die europäische Integration voran und hatte globale Zusammenhänge sowie die zunehmende Kluft zwischen Nord und Süd und die sich daraus ergebenden Herausforderungen im Blick. Das Bruno-Kreisky-Archiv, gegründet noch zu Lebzeiten und auf Initiative von Bruno Kreisky, verwahrt Dokumente, Fotos, unpubliziertes Material und andere Spuren von Kreiskys vielfältigen Aktivitäten und stellt sie umfassend, ob digital oder physisch, Interessierten zur Verfügung. Das Archiv-Fundstück des Monats aus diesem Anlass zeigt Bruno Kreisky am 8. Juli 1978 auf einer Pressekonferenz im Wiener Hotel Imperial gemeinsam mit (v. l. n. r.) dem Präsidenten der Sozialistischen Internationale Willy Brandt, Ägyptens Staatspräsident Anwar al Sadat und dem israelischen Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale Shimon Peres im Zusammenhang mit Nahostfriedensgesprächen. Während der Jahre 1974 bis 1976 besuchte eine von Kreisky geleitete Fact-Finding-Mission nahezu alle arabischen Länder sowie Israel, um eine Lösung des Nahostkonflikts zu entwickeln.

Fotografie, 24x19 cm, Signatur: Mappe 52, Nr. 1400, Copyright: Kreisky-Archiv

Fundstück des Monats Juli 2020


Der Sitz des Kreisky-Archivs, das denkmalgeschützte Vorwärts-Haus an der Rechten Wienzeile 97, ist derzeit eine Großbaustelle: Die in Bau befindliche Verlängerungsstrecke der U-Bahn-Linie U2 verläuft direkt unter dem Keller, weshalb die vom Kreisky-Archiv dort untergebrachten Bestände – unter anderem die Geschenke, die Bruno Kreisky im Laufe seiner Kanzlerschaft erhalten hatte – ausgelagert werden mussten. Aus Anlass der nunmehr abgeschlossenen Kellerräumung präsentieren wir Ihnen einen historischen Plan, der einen Teil des früher umfangreicheren Gebäudekomplexes rund um das Vorwärts-Gebäude, links unter der alten Adresse "Wienstraße 89a" eingezeichnet, zeigt. Desweiteren sind der Druckereitrakt (in roter Farbe) sowie unten die Stadtbahn- bzw. heutige U4-Station Pilgramgasse zu erkennen. Frühestens 2027 wird das Vorwärts-Haus auch mit der Linie U2 zu erreichen sein.

Bauplan des Planarchivs der Wiener Baupolizei (MA 37), Signatur: E.Z. 1263

Fundstück des Monats Juni 2020



Als Fundstück des Monats präsentieren wir Ihnen einen Gruß aus dem homeoffice, das beim Aufräumen entdeckt wurde.

Miniaturkalender für die Geldbörse waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts sehr populär. Dieser aufwändig gestaltete „Fromme's Wiener Portemonnaie-Kalender" aus dem Jahr 1876 wurde in der Glockengasse im 2. Bezirk gedruckt. Sein Verleger, der ursprünglich aus Hamburg stammende Carl Fromme, erhielt im selben Jahr von Kaiser Franz Joseph I. den Titel eines „k. k. Hofbuchdruckers" verliehen.

Kein Wunder also, dass diesen kleinen Taschenkalender Messingdeckblätter mit einem geprägten Portrait des Kaisers zieren. Im Inneren des Kalenders folgen Fotografien des damaligen Thronfolgers Kronprinz Rudolf und seiner Mutter Elisabeth. Nach den Daten der zu erwartenden Sonnen- und Mondfinsternisse im Schaltjahr 1876 folgen zwölf Blätter mit den jeweiligen Monaten, Wochen- sowie katholischen Feier- und Namenstagen. Die jüdischen Feiertage sind auf einem eigenen Blatt, dem "Kalender der Israeliten" verzeichnet, ebenso wie die Maß- und Gewichtstabellen: „1 Wiener Elle = 0,77558 Meter. 1 Wiener Seidel = 3 Deciliter und 5 Centiliter". Den Abschluss des Kalenders bilden die Termine für die Ziehungen der österreichisch-ungarischen Lotterien sowie eine Stempel-Skala für Postgebühren.

Taschenkalender für das Jahr 1876, Verlag Carl Fromme, Maße 32x48 mm, private Leihgabe Maria Steiner

Fundstück des Monats März 2020


Bruno Kreisky rechts im Bild neben Burgendlands Landeshauptmann Theodor Kery und vier Wahlhelferinnen in damals modernem Outfit, die Werbematerial und Autogrammkarten zur Nationalratswahl am 1. März 1970 verteilten. Bei diesen Wahlreisen besuchte Kreisky auch kleine Dörfer und Gemeinden, um mit den BürgerInnen persönlich ins Gespräch zu kommen. Die SPÖ befand sich seit 1966 in Opposition und trat bei dieser Wahl mit dem Slogan "Wählen Sie das moderne Österreich" an. Vor allem junge Menschen, Frauen und bürgerliche Wählerschichten wurden eingeladen, „ein Stück des Weges“ mit Kreisky zu gehen. Das Konzept ging auf: Die SPÖ erzielte 48,4% der Stimmen und bildete eine Minderheitsregierung, die ein umfangreiches Reformprogramm einleitete. Dabei standen die Verkürzung des Grundwehrdienstes ("6 Monate sind genug!"), Maßnahmen zur rechtlichen Gleichstellung von Frauen und unehelichen Kindern sowie Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen im Zentrum. Im Oktober 1971 fanden neuerlich Nationalratswahlen statt, bei der die SPÖ die absolute Stimmen- und Mandatsmehrheit erreichte.

Fotografie, 9x13 cm, Signatur: 10/713

Fundstück des Monats Februar 2020


Portrait der sozialdemokratischen Gewerkschafterin und Nationalrätin Anna Boschek.

Die 1874 in Wien geborene Anna Boschek kannte den Arbeitsalltag von Heim- und Fabrikarbeiterinnen aus eigener Erfahrung. 1893 nahm sie als eine von drei weiblichen Delegierten am ersten österreichischen Gewerkschaftskongress teil. Nach der Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919, bei der erstmals Frauen zugelassen waren, zog sie als Abgeordnete in den Nationalrat ein.
Zu diesem Zeitpunkt war die „Dienstbotinnenfrage“ sowohl für christliche Fürsorgeorganisationen als auch für die proletarische Frauenbewegung ein Dauerthema. Die in Wien lebenden Hausgehilfinnen stammten zum Großteil aus Böhmen, Mähren und Ungarn und lebten häufig unter prekären Arbeits- und Wohnbedingungen. Schlecht bezahlt und ohne geregelte Arbeitszeiten, verfügten viele von ihnen nur über provisorische Schlafgelegenheiten im Vorzimmer, in der Küche oder im Bad ihrer jeweiligen Dienstgebenden.

Am 26. Februar 1920 stellten die beiden sozialdemokratischen Abgeordneten Anna Boschek und Adelheid Popp den Antrag zur Schaffung eines Hausgehilfengesetzes. Darin beantragten sie eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 11 Stunden täglich. Dies wurde von den Christlichsozialen und Deutschnationalen abgelehnt. Daraufhin änderte Boschek den Antrag auf eine "gesicherte Ruhezeit von neun Uhr abends bis sechs Uhr früh" sowie "freien Ausgang an jedem zweiten Sonntag von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr abends", an dem sich die Angestellten "vom Hause entfernen", sprich ausgehen durften. Zudem musste der Schlafraum von Hauspersonal „in Hinkunft von innen abschliessbar sein" und bezahlter Urlaub gewährt werden. Adelheid Popp bemängelte zurecht, dass eine gesetzlich festgeschriebene Mindestruhezeit von neun Stunden in der Nacht immer noch eine tägliche Arbeitszeit von 15 Stunden bedeute, dennoch galt das Hausgehilfengesetz als "die erste sozialpolitische Frucht des Frauenwahlrechts".

Fotografie, 9x13 cm, Signatur: Sammlung Fotoalben, Einzelbilder B1

Fundstück des Monats Jänner 2020


Bruno Kreisky flüchtete im Herbst 1938 nach Stockholm, wo er zuerst in einer kleinen Pension und dann in verschiedenen Untermietzimmern wohnte. Der Lebensstil und die funktionierende Demokratie in Schweden, das er später als sein „zweites Vaterland“ bezeichnete, sagten ihm sehr zu. Er erlernte schnell die Landessprache und arbeitete als Journalist sowie als Konsulent in der Stockholmer Konsumgenossenschaft. 1942 heiratete er die aus einer Industriellenfamilie stammende gebürtige Schwedin Vera Fürth und zog mit ihr, wie er in seinen Erinnerungen schreibt, in eine "schöne und sehr moderne" Wohnung im Süden Stockholms.

Innerhalb der verschiedenen Exilorganisationen lernte Kreisky führende europäische Sozialdemokraten kennen, darunter auch den späteren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt. 1944 wurde Bruno Kreisky zum Obmann der überparteilichen "Österreichischen Vereinigung in Schweden" gewählt. Bei ihren zahlreichen Treffen, die oft in Privatwohnungen stattfanden, schmiedeten sie gemeinsam Pläne für eine neue europäische Nachkriegsordnung.

Am 9. Jänner dieses Jahres wird auf Initiative der schwedischen Gesellschaft für Arbeiterkulturgeschichte an Bruno Kreiskys ehemaligen Wohnhaus in Stockholm in der Blekingegatan 57 eine Gedenktafel enthüllt.

Mitgliedskarte, 9x6 cm, Signatur I.1. Familie, Jugend, Exil, Box 15

Fundstück des Monats Dezember 2019


Der überschwemmte Markusplatz im Dezember 1933: Im Vordergrund ist eine der für Venedig typischen Gondeln mit Gondoliere und vier Fahrgästen zu sehen. Im Hintergrund erkennt man von links nach rechts die einst als Verwaltungsgebäude der Republik dienenden alten Prokuratien, den um das Jahr 1500 errichteten Uhrturm, italienisch "Torre dell'Orologio", weiters die Kirche San Basso und den Palast und die Kathedrale des Patriarchen von Venedig, den im byzantinischen Stil gehaltenen Markusdom.

Die jährliche Überschwemmung des Markusplatzes in Venedig sei an sich „eine Nachricht, die man fast alljährlich irgendwann zu hören bekommt“, schrieb dazu die Illustrierte „Das interessante Blatt“ im Dezember 1933. Ungewöhnlich seien in diesem Jahr jedoch die extremen Minusgrade und die ungewöhnlich lang anhaltende Kälteperiode in ganz Mitteleuropa gewesen: "Denn wenn es auch in Norditalien auch gar nicht so selten schneit, wie man gemeiniglich annimmt, daß die weiße, kalte Masse liegen bleibt, und zwar für Tage, das kommt fast nie vor." Zwar würden die meisten Wohnungen in Venedig über Öfen verfügen, das größere Raumvolumen und die kalten Steinböden erschwerten jedoch das kontinuierliche Halten der Raumtemperatur. Fazit des Artikels: „Heuer haben die Venezianer kaum weniger gefroren als wir, ja in gewissem Sinne sogar mehr, denn da man unten auf große Kälten nicht richtig eingerichtet ist. So interessant für uns so ein Eisbild vom Markusplatz wirkt, so traurig sind so unvorhergesehene Naturereignisse für die Bewohner der alten Lagunenstadt.“

Fotografie, 143x22 cm, Signatur 10/1427

Fundstück des Monats November 2019


Visitenkarte Johanna Dohnals aus dem Jahr 1979.

Nach den Nationalratswahlen 1979 holte Bundeskanzler Kreisky vier neue Staatssekretärinnen in die Regierung, von denen zwei dezidiert für die Belange von Frauen zuständig waren: Franziska Fast für die berufstätige Frau im Sozialministerium und Johanna Dohnal für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt. Mit ihrer Angelobung am 5. November setzte Kreisky ein deutliches Signal: Frauenfragen wurden damit erstmals aus dem Bereich der Familienpolitik herausgelöst und als eigenständiger Politikbereich definiert. Dennoch blieben Frauen in Amtsbezeichnungen und Titeln noch jahrelang sprachlich unsichtbar: Die offizielle Amtsbezeichnung der vier neuen weiblichen Regierungsmitglieder lautete „Staatssekretär“ – was Johanna Dohnal immer störte. Erst durch eine Änderung des Bundesverfassungs- und des Beamtendienstrechtsgesetzes im Jahr 1988, nach der „Amtsbezeichnungen und Titel in jener Form zu verwenden waren, die das Geschlecht der Person zum Ausdruck bringen“, durfte sie sich offiziell „Staatssekretärin“ nennen. Zwei Jahre später wurde Johanna Dohnal die erste Frauenministerin Österreichs.

Visitenkarte, 10 x 5,5 cm, Signatur 16/14

Fundstück des Monats Oktober 2019


In einer Einladung zur Festvorstellung anlässlich des 80. Geburtstags von Regisseur Leopold Lindtberg wies Burgtheaterdirektor Achim Benning ausdrücklich auf die Aufhebung des Vorhangverbots hin. Das Vorhangverbot ging auf ein Statut von Joseph II. aus dem Jahr 1778 zurück. Demnach durften die Ensemblemitglieder des Burgtheaters im Falle von Beifallsbezeugungen des Publikums weder „während des Actes oder nach demselben noch einmal erscheinen, um sich zu bedanken, weil dadurch der Eindruck der darzustellenden Handlung gestört würde.“ Wollte der Kaiser nicht zulassen, dass die SchauspielerInnen womöglich lauter bejubelt wurden als er selbst? Das Vorhangverbot am Wiener Burgtheater blieb jedenfalls über 200 Jahre in Kraft und wurde erst mit Beginn der Saison 1983/1984 vom damaligen Unterrichtsminister Helmut Zilk endgültig abgeschafft.

Interessant an diesem Dokument sind auch die handschriftlichen Notizen der Mitarbeiterinnen Bruno Kreiskys, die über seinen Terminkalender Auskunft geben: Am 1. Juni 1982 fand eine Nationalratssitzung statt, um 18 Uhr war ein Treffen mit Bundeswirtschaftskammerpräsidenten Rudolf Sallinger angesetzt; die anschließende Geburtstagsfeier für Leopold Lindtberg fand im nahegelegen "Glacisbeisl" des damaligen Szenewirts Toni Wagner statt.

Brief, 21x29 cm, Signatur V.1 Kunst, Künstler, Verlag, Kultur allgemein, Box 1, Mappe "Burgtheater"

Fundstück des Monats September 2019


„Austria Foreign Minister Enjoys Iowa Apples“ titelten die US-Zeitungen im September 1962, als Bruno Kreisky im Zuge seiner Amerikareise eine Apfelfarm in Iowa besuchte. Die Äpfel seien ihm vom sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow empfohlen worden, der zwei Jahre vor ihm den Bundesstaat Iowa besucht hatte, witzelte Kreisky bei dieser Gelegenheit gegenüber den Reportern.
Nur zwei Wochen später verschlechterten sich die außenpolitischen Beziehungen zwischen den Supermächten USA und UdSSR dramatisch. Geheime Luftaufnahmen der US-Streitkräfte enthüllten die geplante Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba. Präsident John F. Kennedy drohte, nötigenfalls Atomwaffen einzusetzen. Eine direkte militärische Konfrontation zwischen den beiden Supermächten stand im Raum. Erstmals wurden der breiten Öffentlichkeit die Gefahren eines möglichen Atomkrieges bewusst.

Fotografie, 13x18 cm, Signatur Kreisky Fotoalben Nr. 45

Fundstück des Monats August 2019


An Stelle eines Fundstücks möchten wir Sie auf unsere Ausstellung "´Sie meinen es politisch!´ 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich" im Wiener Volkskundemuseum hinweisen. Die Ausstellung ist ab 9. November 2019 im Frauenmuseum Hittisau in Vorarlberg zu sehen.

Mit der Gründung der Republik 1918 ging auch die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts ohne Unterschied des Geschlechts einher – ein Meilenstein in der Auseinandersetzung um Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Österreich. Doch die politische Partizipation von Frauen blieb umstritten: Das frisch eingeführte Wahlrecht schloss Prostituierte über das Kriterium der Sittlichkeit von der ersten Wahl 1919 aus und die ersten Frauen im Parlament wurden wegen ihrer modernen Bubikopf-Frisuren diskreditiert. Um das bisher unbekannte Wahlverhalten von Frauen beobachten zu können, wurden teilweise verschiedenfarbige Stimmzettelkuverts für Männer und Frauen eingesetzt und statistisch ausgewertet. „Behüte der Himmel! Sie meinen es politisch!“, schrieb Karl Kraus 1907 über die Frauenwahlrechtskämpferinnen. Das Zitat deutet darauf hin, welche Widerstände die Akteurinnen überwinden mussten. Die Ausstellung erlaubt Einblick in die Kämpfe von Frauen um politische Mitbestimmung – von der französischen Revolution über die Erste und Zweite Republik bis hin zu den Auseinandersetzungen in der jüngsten Vergangenheit.

Fundstück des Monats Juli 2019



Netzfahrkarte der Wiener Straßenbahnlinien, die 1929 an die TeilnehmerInnen des dreitägigen internationalen sozialistischen Jugendtreffens ausgegeben wurde.

"Meinen politischen Aufstieg verdanke ich sicherlich zum Teil dem Umstand, dass ich im Frühjahr 1929, nach der Matura, viel Zeit hatte und mich folglich in der Zentrale unserer Jugendorganisation bei der Vorbereitung des Internationalen Jugendtreffens zur Verfügung stellen konnte," schrieb Bruno Kreisky rückblickend in seinen Erinnerungen. Die Organisation des dreitätigen Großereignisses erforderte tatsächlich Geschick: Es wurden 50.000 TeilnehmerInnen aus 18 Nationen erwartet, die großteils mittels Sonderzügen anreisten. Kreisky hatte die Idee, Wiener Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend an die österreichische Grenze zu schicken, wo sie die Unterlagen für Veranstaltungen, die gezeigte Netzfahrkarte sowie Formulare für die Unterkünfte bereits in den Zügen austeilen konnten. Für viele der jugendlichen TeilnehmerInnen war das Treffen in Wien die erste Auslandsreise ihres Lebens. Höhepunkte des Jugendtreffens waren ein Sportfest auf der Hohen Warte, ein Fackelzug zum Rathaus und ein Festzug über die Ringstraße und die Hauptallee. Kreisky selbst knüpfte während dieses Treffens zahlreiche Kontakte zu jungen schwedischen, dänischen und deutschen SozialdemokratInnen, die in seiner späteren politischen Arbeit noch nützlich werden sollten.

Derzeit ist im Museum Das Rote Wien im Waschsalon im Karl Marx Hof eine Ausstellung zum 2. internationalen sozialistischen Jugendtreffen unter dem Titel "Heldenplatz '29. Das Rote Wien zwischen Feiern und Faschismus" zu sehen.

Fahrkarte, Größe 7x12 cm, Signatur: Bestand I.1. Familie, Kindheit, Jugend, Exil Box 5

Fundstück des Monats Juni 2019


Von links nach rechts: der österreichische Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Staats- und Parteichef der Sowjetunion Leonid Breschnew, US-Präsident Jimmy Carter, Bundeskanzler Bruno Kreisky.
Das Foto entstand anlässlich der Unterzeichnung der SALT II-Verträge zur nuklearen Abrüstung zwischen den beiden Supermächten am 18. Juni 1979 in der Wiener Hofburg.

Die Strategic Arms Limitation Talks (SALT; deutsch Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung) zwischen der UdSSR und den USA fanden von 1969 bis 1979 abwechselnd in Wien und Helsinki statt. Mit der Unterzeichnung der SALT II-Verträge (Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung) 1979 verpflichteten sich die Supermächte zu beiderseitig gleichen zahlenmäßigen Begrenzungen ihrer nuklear-strategischen Waffensysteme.

Mit der Organisation der SALT II-Konferenz zur Einschränkung des atomaren Wettrüstens festigte Österreich sein Image als Vermittler zwischen den beiden Machtblöcken des Kalten Krieges und Wien seine zentrale Rolle als Sitz internationaler Organisationen und Konferenzstadt. In ihren abschließenden Statements äußerten sich sowohl Breschnew als auch Carter lobend über die Gastfreundschaft Österreichs, das Rahmenprogramm und die Organisation des Gipfeltreffens. Laut Presseberichten nutzten auch die Grinzinger Weinbauern die Gunst der Stunde, um Werbung für österreichischen Wein zu machen: Sie starteten die Aktion "Weinstöcke statt Raketen" und versprachen, beiden Staatsoberhäuptern den Ertrag von je sechs Rebstöcken in Form von Wein per Diplomatenpost zukommen zu lassen.

Fotografie, Größe 25x20 cm, Signatur: Bestand Kreisky-Fotos, Mappe 58, Nr. 2224

Fundstück des Monats Mai 2019


„50 Jahre Wahlrecht“ steht auf der Rückseite eines Abzeichens, das die Form einer Wahlurne hat und am 1. Mai 1957 verteilt wurde. Es erinnert an die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts im Jahr 1907, das freilich ein unbeschränktes Wahlrecht nur für volljährige männliche Staatsbürger war. Frauen erhielten das Wahlrecht damals noch nicht. Im Gegenteil: Jene Frauen, die als Großgrundbesitzerinnen zuvor – wenn auch zumeist durch Bevollmächtigte vertreten – wählen durften, verloren dieses Recht nun. Die Einführung des Wahlrechts für alle Staatsbürger_innen ungeachtet des Geschlechts wurde erst 1918 beschlossen, also elf Jahre später. An diesen politischen Meilenstein allerdings dachte man in der SPÖ in der Nachkriegszeit wenig – und das, obwohl das Frauenzentralkomitee der Partei unter dem Slogan „Frauenmehrheit verpflichtet“ Frauen mobilisierte und Anlässe wie die Internationalen Frauentage mit Massenaufmärschen begangen wurden.

Signatur: M.70, Größe 2,5cm

Fundstück des Monats April 2019


Die österreichische Friedensbewegung entstand als eine Reaktion auf die internationale Entwicklung des Kalten Krieges, die zunehmende militärische und politische Spannung zwischen Ost und West und die Aufrüstung der USA und der Sowjetunion. Die dadurch auch im neutralen Österreich merkbare Verunsicherung war gekoppelt mit einer grundsätzlich kritischeren Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Staat und der Regierung, die auch in der Zwentendorf-Debatte Ende der 1970er-Jahre zum Ausdruck gekommen war. Der Protest richtete sich in erster Linie gegen den NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 – die geplante Stationierung neuer atomarer Waffen (Pershing II und Cruise Missiles) in der BRD –, aber auch gegen österreichische Rüstungsexporte an autoritär regierte Staaten. Die Friedensbewegung war in ihrer Zusammensetzung sehr heterogen und wurde von vielen kleineren, regionalen Bürgerinitiativen getragen. Eine von ihnen war „Frauen für den Frieden“, die sich gegen die immensen Rüstungsausgaben der Supermächte wandte und 1982 den „Friedensmarsch '82“ von Berlin nach Wien organisierte.

Auf dem gezeigten Flugblatt aus dem Jahr 1979 ist das Lokal "Hermi" in der Wiener Innenstadt als Treffpunkt der Initiative angegeben. Dessen Betreiberin Hermi Hirsch war eine der zentralen Aktivistinnen der Friedens- und Frauenbewegung und betrieb in der Kumpfgasse 2 ein Künstlercafé, das als Treffpunkt der damaligen Wiener Kulturszene galt.

Signatur: III. 9 Neue Soziale Bewegungen, Friedensbewegung, Frauenbewegung, Box 1

Fundstück des Monats März 2019


Adelheid Popp wurde 1869 in Inzersdorf bei Wien als jüngstes von 15 Kindern geboren und stammte aus sehr ärmlichen Verhältnissen. Sie musste bereits mit zehn Jahren die Schule verlassen, um als Dienstmädchen und später als Heim- und Fabrikarbeiterin zum Familienunterhalt beizutragen. In ihrer Jugend schloss sie sich der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an und hielt im Alter von 17 Jahren auf einer Parteiversammlung ihre erste Rede über die unerträgliche Situation der Fabriksarbeiterinnen. Schnell wurde sie eine gefragte Vortragende bei Streiks und Versammlungen. Popp holte ihre versäumte Schulbildung nach und wurde Redakteurin der von ihr mitbegründeten Wiener Arbeiterinnen-Zeitung. Mit ihrem 1909 anonym veröffentlichten Bestseller "Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin" motivierte sie viele Arbeiterinnen, sich der Sozialdemokratie anzuschließen. Popp kämpfte auch gegen parteiinterne Widerstände gegen die Einführung des Frauenwahlrechts. Am 4. März 1919 war es endlich so weit: Zusammen mit weiteren sieben weiblichen Abgeordneten zog Adelheid Popp ins Parlament ein. 1933 trat sie von ihren Parteifunktionen aus Altersgründen zurück. Die Februarkämpfe 1934 mit dem folgenden Verbot der SDAP und den "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich vier Jahre später erlebte Popp noch mit, konnte jedoch aus Krankheitsgründen nicht mehr aktiv werden.

Erinnerungsalbum Adelheid Popp, 17x24 cm

Fundstück des Monats Februar 2019


Auf der Fotografie eines Wiener Wahllokals am 16. Februar 1919 ist ganz rechts außen (mit Oberlippenbart) Bruno Kreiskys Onkel Rudolf zu sehen. Als leitender Funktionär der sudentendeutschen Konsumgenossenschaften war er derjenige, der seinen Neffen „eigentlich zur Sozialdemokratie hingeführt hat“, wie Kreisky in seinen Memoiren schrieb.

Bei dieser Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919 durften erstmals Frauen ab einem Wahlalter 20 Jahren ihre Stimme abgeben. Auf dem Foto treten Frauen jeweils als Mitglied der Wahlkommission und als Wählerin in Erscheinung. Ihre Wahlbeteiligung lag bei 82,10%, jene der Männer bei 86,97%. Die Befürchtung der Christlichsozialen, dass die Frauen nicht zur Wahl gehen würden, hatte sich somit nicht bewahrheitet. Gleichfalls als unrichtig hatte sich ihre Vermutung herausgestellt, dass sie eher zur Sozialdemokratie tendieren würden. Prozentuell hatten sich die Frauen deutlich stärker für die Christlichsozialen als die Sozialdemokraten ausgesprochen – ein Trend, der auch für die folgenden Wahlen bis 1930 zutreffend sein sollte. Insgesamt stellten die Frauen bei allen Nationalratswahlen in der Ersten Republik die Mehrheit der Wahlbevölkerung.

Am 7. März 2019 wird zu diesem Thema im Wiener Volkskundemuseum die unter anderen von Mitarbeiter_innen des Kreisky-Archivs kuratierte Ausstellung „‚Sie meinen es politisch!‘, 100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich“ eröffnet.

Fotografie 17 x 13 cm, Signatur: Fotobestand Kreisky Familie I/Mappe Rudolf Kreisky

Fundstück des Monats Jänner 2019


Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees bildete sich in seiner heutigen Form ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Seine Fläche beläuft sich gegenwärtig auf etwa 178 Quadratkilometer, was mehr als der Hälfte der Wasseroberfläche entspricht. Der Schilfgürtel dient einer Unzahl von wirbellosen Tieren, Säugetieren und Vögeln als Lebensraum und verbessert durch seine Filterwirkung die Wasserqualität des Sees.

Schilfrohr wird im Burgenland traditionell als Dachdeckmaterial genutzt, eignet sich aber auch als Baustoff für Passivhäuser, da es wasserabweisend, schimmelresistent und dämmend ist. Die Schilfernte findet im Winter statt, wenn der See zugefroren ist. Früher benutzten Schilfschneider, auch Rohrschnitter genannt, für die Ernte Sicheln oder Sensen, später wurden Motorbalkenmäher eingesetzt. Heute gibt es am Neusiedler See noch drei Betriebe, die vom Produkt Schilf leben.

Auf der Rückseite dieses Fotos aus dem Jahr 1940 ist der „Landesverkehrsverband Niederdonau“ als Rechtsinhaber vermerkt. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Österreich in sieben Reichsgaue aufgeteilt. Das nördliche Burgenland (Eisenstadt, Mattersburg, Neusiedl, Oberpullendorf und Rust) wurde in den Reichsgau Niederdonau eingegliedert, der südliche Teil (Güssing, Jennersdorf und Oberwart) wurden dem Reichsgau Steiermark zugeschlagen.

Fotografie, 17x12 cm, Signatur: 10/1102

Fundstück des Monats Dezember 2018


Dieses Foto erschien zu Jahresende 1918 unter dem Titel „Die ersten Friedensweihnachten“ am Titelblatt der Zeitschrift „Das interessante Blatt“. Es zeigt den Eingangsbereich einer Wohnung, in der ein kriegsversehrter Soldat mit Augenbinde von einer Frau per Handschlag begrüßt wird. Der ärmliche Weihnachtsbaum und die leere Kartoffelschütte verweisen auf die damals herrschenden Versorgungsengpässe. Ein Kleinkind hat der Mann auf den Arm genommen, drei weitere Kinder beobachten die Szene interessiert, ein Bub zieht an der rechten Hand der Frau, als ob es sie zurückhalten wollte. Der Untertitel des Bildes lautete: "Weihnachtsfreude einer Wiener Familie, deren Vater als Soldat abgerüstet hat und nach leidensvoller Fahrt zu Frau und Kindern zurückkehrt." In der Geschichte, die im Blattinneren folgte, wurde auch die Entfremdung der Kinder gegenüber dem lange Abwesenden thematisiert: "Der kranke, bärtige Mann sollte der Vater sein?"

Fotografie 13x 17 cm, Signatur: 1/1416

Fundstück des Monats November 2018


Kurz vor der Volksabstimmung zur Inbetriebnahme des Kernkraftwerks am 5. November 1978 schickte der Rechtswissenschaftler und Soziologe Hans Zeisel seinem Jugendfreund Bruno Kreisky einen selbstgezeichneten Plakatentwurf. Darauf wurde Österreich eingerahmt von Ländern dargestellt, in denen bereits Atomreaktoren standen. Die Botschaft „Das können doch nicht lauter Teppen sein!“ sollte die Unentschiedenen dazu bewegen, für die friedliche Nutzung der Atomkraft zu stimmen. Zeisels Plakatidee wurde nicht verwirklicht, die Volksabstimmung ging mit einem knappen "Nein" (50,5% der Stimmen) gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf aus.

Hans Zeisel wurde 1905 in Böhmen geboren und maturierte in Wien. Während des Studiums trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und schrieb Sportreportagen für die „Arbeiter-Zeitung“. Er arbeitete in der „Wirtschaftspsychologischen Beratungsstelle“ und im Projektteam von Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda für die Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“. Anschließend war er als Rechtsanwalt tätig. Im März 1938 emigrierte er gemeinsam mit seiner Frau Elsa über London in die USA, wo er als Konsulent und Marktforscher tätig war und an der New School for Social Research in New York lehrte. 1953 übersiedelte er nach Chicago (Illinois), wo er ab 1953 Professor of Statistics, Law and Sociology an der University of Chicago war und 1974 emeritierte. Er starb 1992 in Chicago.

Plakatentwurf, 42x 30 cm, Signatur: X.3 Prominentenkorrespondenz, Box 66

Fundstück des Monats Oktober 2018


Aus Anlass der Freischaltung der Online-Edition der Tagebücher des ehemaligen Handelsministers Josef Staribacher präsentieren wir diese einmalige Quelle zur österreichischen Politik der Kreisky-Jahre. Die Tagebücher bestehen aus 20.000 maschinschriftlichen Manuskriptseiten, die Staribacher zwischen 1970 bis 1983 diktierte. Diese hochinteressante Quelle zur politischen und Wirtschaftsgeschichte der Zweiten Republik wurde vollständig digitalisiert und wird aktuell texterfasst. Unter dem link staribacher.acdh.oeaw.ac.at/index.html können Sie ab sofort nach bestimmten Tagen, Ereignissen, Personen und Orten suchen. Der Originaltext wird dabei gleichzeitig mit den Scans der Tagebuchseiten dargestellt, wodurch jede Unterstreichung und jeder handschriftliche Kommentar des Originals sichtbar ist. Das Projekt wird vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank finanziert und in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt.

Fundstück des Monats September 2018




Bruno Kreiskys diplomatische Karriere begann nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Schweden, wohin er 1938 vor den Nationalsozialisten geflüchtet war. Nachdem er sich ab 1945 um die Rückkehr österreichischer Kriegsgefangener und die Organisation von Hilfstransporten gekümmert hatte, wurde Kreisky 1947 der österreichischen Gesandtschaft in Stockholm als Legationssekretär erster Klasse zugeteilt. Damit begann seine umfangreiche Reisetätigkeit, die in der politisch heiklen Besatzungszeit kompliziert und kostspielig war: Ein Ticket der Pan American Airways (Pan Am) von Wien nach Prag kostete, wie unser aktuelles Fundstück des Monats zeigt, 183 Dollar, was heute ungefähr 1.420 Euro entspricht. Da der damalige Flugplatz Wien Aspern in der sowjetischen Besatzungszone lag, starteten die Pan Am-Maschinen am Militärflugplatz Langenlebarn bei Tulln im amerikanischen Sektor.
1951 kehrte Kreisky mit seiner Familie endgültig von Stockholm nach Wien zurück. Zwei Jahre später wurde er zum Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten ernannt. Seine umfangreichen Berichte und Unterlagen aus dieser Zeit können Sie im Kreisky-Archiv einsehen.

Flugticket, 16x9 cm, Signatur: 16/23

Fundstück des Monats August 2018


„Hand in Hand durch Berg und Land“ lautete der Wahlspruch des 1885 in Wien gegründeten „Touristenverein die Naturfreunde“. Der spätere Staatskanzler und Bundespräsident Karl Renner entwarf das Vereinslogo mit drei Alpenrosen und dem Symbol des Handschlags als Zeichen der Solidarität. Ziel der Organisation war es, breiteren Bevölkerungsschicht naturnahe und kostengünstige Freizeit- und Reiseaktivitäten zu ermöglichen. Im Gegensatz zum Alpenverein, dessen Mitglieder einander mit „Berg Heil!“ begrüßten, lautete der Gruß der Naturfreunde „Berg frei!“ Auf Betreiben der Naturfreunde wurde das freie Wegerecht im Bergland nach dem Ersten Weltkrieg gesetzlich verankert. 1934 wurde der Verein in Österreich verboten und sein Vermögen beschlagnahmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmeten sich die Naturfreunde verstärkt der Jugendbetreuung. Heute zählt der Verein 153.000 Mitglieder, die sich auf 9 Landes- und 460 Ortsgruppen verteilen und 150 Berghütten betreuen.

Fotografie, 13x18 cm, Signatur: 100/30

Fundstück des Monats Juli 2018


Die Massenproduktion von Konsumgütern wurde zu einem Symbol des „Wirtschaftwunders“, wie die unerwartet rasche positive Wirtschaftsentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet wurde. Ermöglicht wurde es durch raschen technischen Fortschritt, sinkende Energiepreise und amerikanische Hilfsprogramme wie das „European Recovery Program“. Die Ernährungs- und Konsumgewohnheiten der Bevölkerung spiegelten die überwundene Krisenzeit und einen wiedergewonnenen bescheidenen Wohlstand: 1947/48 kam es zu einer „Esswelle“, danach zu einer „Bekleidungs- sowie Möblierungswelle“ (1949–1951). Später rückten langlebige Konsumgüter wie Kraftfahrzeuge und Elektrogeräte in den Blickpunkt des KäuferInneninteresses.

Mit den Frauen, die am Schaufenster eines Schuhgeschäfts vorbeigehen, fing der österreichische Fotograf Franz Hubmann (1914–2007) eine typische Alltagsszene ein. Hubmann dokumentierte in der von ihm gegründeten Zeitschrift magnum – die Zeitschrift für das moderne Leben das Alltagsleben in Großstädten wie Wien, Paris, Hamburg oder New York. Sein Durchbruch als Fotojournalist gelang ihm mit einer Fotoserie über das Wiener Café Hawelka.

Fotografie, 25x18 cm, Signatur: 10/820

Fundstück des Monats Juni 2018


Im Juni 1958 wurde das Wiener städtische Kinderfreibad Heiligenstadt, nahe dem Hang der Hohen Warte in Döbling gelegen, eröffnet. Die Besonderheit der Wiener Kinderfreibäder lag darin, dass sie nur an Wochentagen geöffnet hatten und ausschließlich Kindern zwischen sechs und vierzehn Jahren zugänglich waren. Erwachsene hatten keinen Zutritt. Die meisten Kinderfreibäder der Gemeinde Wien wurden in der Ersten Republik errichtet. Mit frischer Luft und Sonnenlicht sollte den damals weit verbreiteten Krankheiten Tuberkulose und Rachitis vorgebeugt werden. Die Kinderfreibäder bildeten einen Eckpfeiler des Bäderkonzepts des "Roten Wien". Sie wurden innerhalb des Stadtgebietes, meist in Parkanlagen, angelegt, um Stadtkindern im Sommer eine unentgeltliche Bademöglichkeit zu verschaffen. Der zunehmende Wohlstand und der Trend, die Sommerferien am Meer zu verbringen, führte in den 1970er Jahren dazu, dass einige Standorte kaum mehr benutzt und aufgelassen wurden. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden die meisten Kinderfreibäder in Familienbäder umgebaut, zu denen auch Erwachsene (in Begleitung von Kindern) Zutritt haben. Heute ist Wien im weltweiten Vergleich die Hauptstadt mit den meisten Badeanstalten.

Fotografie, 13x18 cm, Signatur: 10/1050

Fundstück des Monats Mai 2018




Der Wiener Sepp Mair dokumentierte mit seiner Sammlung von Maiabzeichen, die er 1979 an Bundeskanzler Bruno Kreisky sandte, seine Treue zur Sozialdemokratie.

1890 wurde der 1. Mai in vielen Städten der Donaumonarchie erstmals als internationaler „Kampf- und Festtag“ feierlich begangen. Die organisierte Arbeiterschaft forderte eine Reduktion der täglichen Arbeitszeit auf acht Stunden sowie die Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Die Aufmärsche wurden von Musikkapellen, Transparenten und roten Fahnen begleitet, rote Nelken und Maiabzeichen putzten die Festtagskleidung auf. 1919 beschloss die Nationalversammlung die Erhebung des 1. Mai zum "allgemeinen Ruhe- und Festtag". In der Ersten Republik entwickelten sich die Maiaufmärsche vor allem im „Roten Wien“ zu machtvollen Demonstrationen der sozialdemokratischen Partei. Die Parteimitglieder, in einzelnen Sektionen organisiert, sammelten sich in ihrem jeweiligen Bezirk und marschierten gemeinsam über den Ring bis zum Rathausplatz, wo die feierliche Schlusskundgebung stattfand. 1933 verbot die Regierung Dollfuß die Straßendemonstrationen und funktionierte den 1. Mai zum "Tag der Verfassung" um. Während des Nationalsozialismus wurde der 1. Mai "Tag der deutschen Arbeit" genannt. Als am Ende des Zweiten Weltkriegs im Westen Österreichs noch gekämpft wurde, kam es im bereits befreiten Wien zu spontanen 1.-Mai-Demonstrationen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich die Maiaufmärsche zu einer Plattform für sozialpolitische Anliegen und zum Forum innenpolitischer Auseinandersetzungen. Bis heute sind Maiabzeichen beliebte Sammlerstücke.

Fahne , 40x35 cm, Signatur: M.70

Fundstück des Monats April 2018


Plakat 1948


Mit diesem Plakat appellierte die Austria Tabak AG 1948 an den österreichischen Patriotismus, um den Schwarzmarkt bei Zigaretten einzudämmen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs nur gegen Lebensmittelmarken und in geringen Mengen legal in Geschäften erhältlich. Neben diesem legalen Markt entwickelte sich ein illegaler Schwarzmarkt, auf dem alle Güter erhältlich waren, allerdings zu stark überhöhten Preisen oder gegen Bezahlung in Zigaretten. Der Schwarzmarkt verschwand erst nach der Währungsreform 1948, als die staatliche Reglementierung abgeschafft und dadurch Marktpreisbildung möglich war.
Die „Österreichische Tabakregie“ wurde 1784 unter Kaiser Joseph II. gegründet und besaß das staatliche Tabakmonopol der Habsburgermonarchie. Es diente unter anderem der Versorgung von Kriegsinvaliden, die bei der Zuteilung von Trafiken bevorzugt wurden. 1864 wurden die ersten Regiezigaretten gedreht. 1898 eröffnete die Tabakfabrik Ottakring, eine der damals zwei Tabakhauptfabriken in Wien. 1911 wurde eine zusammenfassende Verordnung über Besetzung, Neuerrichtung und Auflassung von Tabakwaren-Verschleißgeschäften erlassen, die bis 1949 Grundlage des staatlichen Tabakmonopols war.

Fotografie, 12x18 cm, Signatur: 100/12

Fundstück des Monats März 2018


Flugblatt 1848


Das Flugblatt erschien im Revolutionsjahr 1848 und richtete sich an "Euer Majestät!". In dem vierseitigen Dokument wurde auf Grund der „unläugbaren, unveräußerlichen, angeborenen und unvertilgbaren Rechte des weiblichen Geschlechts" das aktive und passive Wahlrecht für Frauen gefordert. Das Revolutionsjahr 1848 bedeutet den Beginn einer Entwicklung des Wahlrechts in der habsburgischen Monarchie, das auch einigen Frauen ein Stimmrecht einräumte. Bis 1906 war Besitz für das Wahlrecht ausschlaggebend. Steuerzahlende Frauen waren auf Gemeinde- und Landtagsebene u.U. wahlberechtigt. Für die wichtigste politische Körperschaft, den Reichsrat, waren Frauen jedoch nicht wahlberechtigt, außer sie waren Großgrundbesitzerinnen und ließen sich bei der Wahl von einem männlichen Bevollmächtigten vertreten.
Von der Forderung des Flugblattes bis zur Umsetzung des gleichen und allgemeinen aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen und Männer auf allen politischen Ebenen sollte es noch 70 Jahre dauern.

Das Originalflugblatt wird ab März 2019 in einer in Kooperation mit dem Kreisky-Archiv kuratierten Ausstellung zum Frauenwahlrecht im Volkskundemuseum Wien zu sehen sein.

Flugblatt 1848, 29x19 cm, Signatur: 5/104

Fundstück des Monats Februar 2018


Illegal gedruckter Streuzettel 1934


Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie 1918 übernahm die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) eine führende Rolle bei der Gründung der Republik. Vor allem in der Bundeshauptstadt Wien und einigen österreichischen Industriegegebieten erhielt sie die absolute Mehrheit und bildete einen erklärten Gegenpol zur konservativ dominierten Bundespolitik.
1924 wurde der Republikanische Schutzbund als paramilitärische, waffenführende Organisation gegründet. Nach blutigen Zusammenstößen mit der rechtsgerichteten Heimwehr radikalisierte sich das innenpolitische Klima. Am 31. März 1933 verbot die Regierung Dollfuß den Republikanischen Schutzbund, es hielten sich jedoch halblegale „Ordnergruppen". Am 12. Februar 1934 kam es in mehreren Industriegebieten und in Wien zum offenen Bürgerkrieg, der insgesamt mehrere hundert Todesopfer forderte. In der Folge wurden die SDAP und sämtliche ihr nahestehenden Organisationen verboten und ihre führenden Funktionäre und Funktionärinnen verhaftet. Zahlreiche Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen setzten ihr politisches Engagement in der Illegalität fort. Dazu gehörte neben der Organisation geheimer Treffen und der finanziellen Unterstützungen der Familien verhafteter Schutzbündler auch das Verteilen kleiner Streuzettel als "Lebenszeichen" der verbotenen Bewegung.
Diese Streuzettel wurden nach dem Verbot der sozialdemokratischen Partei am 12. Februar 1934 heimlich in den Straßen verteilt und auf Litfaßsäulen geklebt.

Aus: Fotosammlung, Streuzettel 1934, 12x4 cm, Signatur: 5/106

Fundstück des Monats spezial zum 107. Geburtstag Bruno Kreiskys Jänner 2018



Heimatschein Bruno Kreiskys


Zum 107. Geburtstag Bruno Kreiskys am 22. Jänner zeigen wir den Heimatschein Bruno Kreiskys, den er vermutlich für seine Inskription an der Universität Wien benötigte und der am 3. Oktober 1929 vom Wiener Magistrat auf den Namen „Kreiski“ ausgestellt wurde.

Der Heimatschein, der in der Habsburgermonarchie ab dem Provisorischen Gemeindegesetz vom 17. März 1849 von den jeweiligen Heimatgemeinden ausgestellt wurde, diente zum Nachweis über den Besitz des Heimatrechtes. Damit verband sich der eventuelle Anspruch auf Armenversorgung durch die Heimatgemeinde. Im Nationalsozialismus wurde der Heimatschein durch den Staatsbürgerschaftsnachweis ersetzt, der auch in der Zweiten Republik beibehalten wurde.

Aus: Bestand I.1. Familie, Kindheit, Jugend, Exil, Box 5

Fundstück des Monats Jänner 2018



Gefängnistagebuch Bruno Kreiskys


1927 war der damals 16-jährige Bruno Kreisky, ein Gymnasiast aus gutem Hause, in die Sozialistische Arbeiterjugend eingetreten. Knapp sieben Jahre später, im Februar 1934, wurde die Sozialdemokratische Partei und ihre Organisationen verboten und der politische Aufstand gegen das autoritäre Dollfuß-Regime blutig niedergeschlagen. Unter den Funktionären machte sich Resignation und Verzweiflung breit: „Das, was ich für meine Welt hielt, war zusammengebrochen“, schrieb der damals 23-jährige Jusstudent rückblickend. Dennoch setzte er seine politische Tätigkeit fort und wurde Gründungsmitglied der „Revolutionären Sozialisten“.

Am 30. Jänner 1935 wurde Kreisky wegen des Verdachts des Hochverrats verhaftet und ins Wiener Polizeigefangenenhaus gebracht. Er musste eine Einzelzelle mit mehreren Häftlingen teilen und litt unter den schlechten hygienischen Bedingungen. Nach fünf Monaten Haft, am 27. Juni 1935, begann Kreisky ein selbstgenähtes Tagebuch zu schreiben. Er betrachtete es als „Begleiter“ für die „kommenden Tage“ der Haftzeit, den er sich aus dem Bedürfnis nach Abstand zum Erlebten, nach Klarheit in einer von Ungewissheit und Repression beherrschten Lage zugelegt hatte. Der „unverbesserliche Optimist“ Kreisky sprach sich in seinen Aufzeichnungen selbst Mut zu, schrieb aufmunternde Gedichte und Listen mit Büchern, die er noch lesen wollte. Außerdem bereitete er seine Verteidigungsrede vor, in der er sich zu den Ideen des Sozialismus bekannte. Am 16. März 1936 wurde Kreisky wegen Hochverrats zu einem Jahr Kerker verurteilt.

Sein Gefängnistagbuch wurde 2009 von Ulrike Felber unter dem Titel „Auch schon eine Vergangenheit“ herausgegeben und kann zum Preis von 15 Euro (11 Euro für Mitglieder) bestellt werden.

Aus: Bestand I.1. Familie, Kindheit, Jugend, Exil, Box 7

Fundstück des Monats Dezember 2017



Gesprächsprotokoll aus den Moskauer Staatsvertragsverhandlungen Mai 1955


Der österreichische Botschafter in Moskau, Norbert Bischoff, hatte im Zuge der Staatsvertragsverhandlungen mit Bundeskanzler Julius Raab, Bruno Kreisky (Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten) und Vizekanzler Adolf Schärf unter anderem auch protokollarische Fragen zu klären.

Aus: VII.2 BKAA (1953-Juni1959) Staatsvertrag Box 2 (Neutralität), Mappe Staatsvertrag Moskau, Mappe „Einfügungen St.S.Dr. Kreiskys“

Fundstück des Monats November 2017


Ehrenbürgerurkunde der Gemeinde Zwentendorf an der Donau für Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Bruno Kreisky für seine Verdienste um die Wiedererrichtung einer Industrie in der Gemeinde vom 23. April 1961


Bruno Kreisky war dem Land Niederösterreich seit seiner Jugend eng verbunden. Bereits 1930 war er zum Vorsitzenden einer niederösterreichischen Regionalorganisation (Purkersdorf, Klosterneuburg und Tulln) der Sozialistischen Arbeiterjugend gewählt worden. Nach seiner Rückkehr aus dem schwedischen Exil wurde er 1956 wurde er als Nachfolger Oskar Helmers für Niederösterreich nominiert und im Wahlkreis St. Pölten zum Abgeordneten gewählt. 1966 wurde Kreisky Parteiobmann der SPÖ Niederösterreich. In seiner Amtszeit wurde die „Erste Niederösterreichische Raumordnungskonferenz“ in Krems durchgeführt.

Der Bau eines Kernkraftwerkes in Zwentendorf an der Donau wurde im Jahr 1969 von der damaligen ÖVP-Alleinregierung Klaus II. beschlossen. 1972 – Bruno Kreisky regierte zu diesem Zeitpunkt mit absoluter Mehrheit – begannen die Bauarbeiten. Ab 1975 etablierte sich in Österreich eine breite Anti-Atomkraft-Bewegung. Ende 1977 positionierte sich auch die ÖVP, die die Nutzung der Kernenergie grundsätzlich befürwortete, gegen das Kraftwerk Zwentendorf. In dieser Situation entschied der SPÖ-Parteivorstand, dass diese Frage einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte, was Atomkraftgegner schon länger gefordert hatten. Im Wahlkampf vor der Abstimmung sprachen sich die SPÖ und die Sozialpartner für die Inbetriebnahme aus, während Anti-Atomkraft-Gruppen und zahlreiche Prominente – darunter auch viele SPÖ-Sympathisanten – gegen die Inbetriebnahme waren und vor den Risiken der Atomkraft warnten. Die Abstimmung fand am 5. November 1978 statt und ging mit einem knappen "Nein" (50,5% der Stimmen) gegen Zwentendorf aus. Im Dezember 1978 wurde im Nationalrat das Atomsperrgesetz beschlossen. Trotz der Zwentendorf-Niederlage blieb Kreiskys Popularität ungebrochen: Bei den Nationalratswahlen 1979 erreichte die SPÖ 51,03% der Stimmen, das beste Ergebnis in der Parteigeschichte.

Fundstück des Monats Oktober 2017


Wandzeitung der SPÖ Nr.512/1990, Signatur 100/212


Mit dem Fundstück des Monats Oktober gratuliert das Kreisky-Archiv Altbundeskanzler Dr. Franz Vranitzky!

Anlässlich des 80. Geburtstags von Altbundeskanzler Dr. Franz Vranitzky am 4. Oktober präsentierten der Obmann des Kreisky-Archivs Stadtrat Dr. Michael Ludwig und die wissenschaftliche Leiterin Univ.-Doz. Dr. Maria Mesner unser „Fundstück des Monats“ Oktober.

Bei der Nationalratswahl am 7. Oktober 1990 warb die SPÖ mit ihrem Spitzenkandidaten, dem amtierenden Bundeskanzler Franz Vranitzky. Die SPÖ konnte mit 42,8 Prozent der abgegebenen Stimmen ihre Mandatszahl halten. Starke Verluste von minus 9,2 Prozentpunkten musste die ÖVP unter Josef Riegler hinnehmen. Von ihren Einbußen profitierte die FPÖ, die mit ihrem Spitzenkandidaten Norbert Gugerbauer 6,9 Prozentpunkte hinzugewann. Die Grüne Alternative schaffte mit 4,8 Prozent und Johannes Voggenhuber erneut den Einzug in den Nationalrat. Die Wahlbeteiligung sank gegenüber der Nationalratswahl 1986 um 5,67 auf 83,58 Prozent.

Das Plakatarchiv des Kreisky-Archivs umfasst rund 2.000 Plakate seit 1945 und ist nach Voranmeldung öffentlich zugänglich. Auf Wunsch werden auch Reproduktionen angefertigt.

Der Vorlass von Altbundeskanzler Dr. Franz Vranitzky wird ebenfalls im Kreisky-Archiv aufbewahrt. Aufgrund des seit 1.1.2000 gültigen Archivgesetzes ist er einer 30-jährigen Archivsperre unterworfen und deshalb nicht öffentlich zugänglich.

Fundstück des Monats September 2017


Puppe in der Ausstellung "Hilfe! Armut in der Vorstadt"


Diese Puppe wurde 1914 einem Ottakringer Arbeiterkind vom "Verein Wiener Settlement" geschenkt.
Neben der Bildungsarbeit konzentrierte sich der Verein auf Kinder- und Jugendfürsorge, leistete aber auch Schwangeren- und Alkoholikerberatung sowie Obdachlosenbetreuung.

2016 war diese Puppe in der vom Kreisky-Archiv kuratierten Ausstellung "Hilfe! Armut in der Vorstadt" im Ottakringer Bezirksmuseum zu sehen. Die Ausstellung war das Endergebnis eines vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft geförderten Sparkling Science-Projekts „Melting Pot!? Sozialräumliche Umstrukturierungsprozesse in Ottakring“. Gemeinsam mit einer Schulklasse des GRG 16 Maroltingergasse wurde über zwei Jahre zur Wiener Vorstadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geforscht und als Abschluss eine Ausstellung im Bezirksmuseum Ottakring gestaltet.

Kooperationspartner war die Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien und das Bezirksmuseum Ottakring.

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